2.2. Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten
2.2.2 Unterscheidung zwischen Zeugen und Sachverständigen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Die Beschwerdekammern haben zwischen der Vernehmung von Zeugen und der Anhörung von Sachverständigen unterschieden: Ein Zeuge soll Tatsachen erhärten, die ihm persönlich bekannt sind. In T 311/01 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) zum Fachwissen und zum Verständnis der Entgegenhaltung einen Zeugenbeweis angeboten. Dieser Zeugenbeweis war aber nicht im Zusammenhang mit einem bestimmten Sachverhalt, sondern zum Nachweis der Kenntnisse und Überlegungen eines Fachmanns auf dem fraglichen technischen Gebiet angeboten worden. Damit handelte es sich seitens des Beschwerdeführers in Wirklichkeit nicht um ein Zeugenangebot, sondern um das Angebot, einen Sachverständigen zu befragen. Da die Kammer sich selbst hinsichtlich der in den Entgegenhaltungen beschriebenen Merkmale und Vorteile für hinreichend sachverständig hielt, lehnte sie die angebotene "Zeugenvernehmung" ab (s. auch T 1511/06 und T 32/10).
In T 480/11 betraf das Thema, über das der vorgeschlagene Sachverständige Herr J. gemäß dem Antrag des Beschwerdeführers sprechen wollte, nicht nur eine technische Frage, sondern einen Vorgang in der Vergangenheit, nämlich die Durchführung von Versuchen im Labor des Beschwerdeführers, und die daraus resultierenden Ergebnisse. Der Antrag des Beschwerdeführers war also in Wirklichkeit darauf gerichtet, Herrn J. als Zeugen anzuhören und nicht als Sachverständigen. Die Kammer entschied, Herrn J. nicht anzuhören.
Die (mit fünf Mitgliedern besetzte) Kammer in T 1676/08 stellte Folgendes fest: Wenn die mit drei technisch vorgebildeten Mitgliedern besetzte Kammer technische Sachverhalte vor dem Hintergrund des Patentrechts beurteilt und sich für hinreichend sachverständig erachtet, über eine Frage ohne technischen Beistand im Sinne von Art. 117 (1) e) EPÜ zu entscheiden, dann obliegt diese Beurteilung der Kammer und nicht einem technischen Sachverständigen. Dies bedeutet nicht, dass ein Kammermitglied zu einem Zeugen oder zu einem Sachverständigen wird.