2.8. Allgemeines Fachwissen
T 1727/14 × View decision
Artikel in Fachzeitschriften und Fachwissen (siehe Punkt 1.1) Zulassung einer Erklärung, die einen Bruch einer Geheimhaltungsverpflichtung darstellen könnte (siehe Punkt 1.2)
In T 1727/14 hatte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) die Druckschriften D16 und D 17 zum Beleg des Fachwissens vorgelegt. Die Druckschrift D16 war eine veröffentlichte europäische Patentanmeldung, die Druckschrift D17 ein Artikel, der in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden war. Die Kammer verwies auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach solche Druckschriften in der Regel aber nicht geeignet sind, das Fachwissen des Fachmanns zu belegen. Dem Argument des Beschwerdeführers, dass Fachzeitschriften besonders geeignet seien, als Nachweis für das einschlägige allgemeine Fachwissen zu dienen, folgte die Kammer nicht. Das allgemeine Fachwissen im Sinne des Patentrechts entspricht dem Wissen, das dem Fachmann aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung zur Verfügung steht. Fachzeitschriften hingegen versuchen in der Regel, dem Fachmann neue, für seine Tätigkeit relevante Inhalte zu vermitteln, also Dinge, die in der Regel noch nicht Teil des allgemeinen Fachwissens geworden sind, und es möglicherweise auch nie sein werden. Dies bedeutet nicht, dass Inhalte einer Fachzeitschrift nicht unter Umständen das Fachwissen belegen können, aber die bloße Tatsache, dass etwas in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, erlaubt nicht den Schluss, dass es Teil des Fachwissens ist.
2.8.3 Fachzeitschriften als allgemeines Fachwissen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 475/88 wurde darauf hingewiesen, dass der Inhalt von Fachzeitschriften, auch von "Standardzeitschriften", nach Auffassung der Kammer ebenso wie der Inhalt von Patentschriften in der Regel nicht zum allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns gehört, weil ihr Inhalt normalerweise nicht zum präsenten Wissen desselben gehört, sondern erst durch eine umfassende Recherche erschlossen werden muss. In T 676/94 kam die Kammer zu dem Schluss, dass die Frage, ob der Inhalt einer Fachzeitschrift zum durchschnittlichen Wissen eines Fachmanns gehört, vom Einzelfall abhängt. In T 595/90 (ABl. 1994, 695) wurde ein Artikel einer Fachzeitschrift, in dem über Ergebnisse einer klassischen Untersuchung berichtet wurde, dem allgemeinen Fachwissen zugerechnet.
In einem relativ kurzen Zeitraum gehäufte Veröffentlichungen von Tagungs- und Forschungsberichten in einschlägigen Fachzeitschriften über die in einer im Durchbruch befindlichen Technik gewonnenen Erkenntnisse können das zu dieser Zeit allgemein präsente Fachwissen wiedergeben (T 537/90). In T 26/13 stellte die Kammer in Bezug auf Artikel der Fachpressefest, diese als solche seien streng genommen nicht Teil des allgemeinen Fachwissens, stellten aber Veröffentlichungen dar, die der Fachmann als Teil seiner persönlichen Weiterbildung lese und die in der Zusammenschau Rückschlüsse darüber erlaubten, was dem Fachmann bewusst war. S. auch T 2196/15, worin ausnahmsweise ein wissenschaftlicher Artikel berücksichtigt wurde.