1. Rechtlicher Charakter des Beschwerdeverfahrens
Übersicht
T 2227/15 × View decision
Transitional provisions - applicability of Article 13(1) RPBA 2020 to cases where the summons to oral proceedings were notified before the entry into force of the RPBA 2020 (see point 1 of the Reasons) Form of decision - abridged form in respect of one or more issues (see point 2 of the Reasons)
G 2/19 × View decision
1. Ein Dritter im Sinne von Artikel 115 EPÜ, der gegen die Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents Beschwerde eingelegt hat, hat keinen Anspruch darauf, dass vor einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes mündlich über sein Begehren verhandelt wird, zur Beseitigung vermeintlich undeutlicher Patentansprüche (Artikel 84 EPÜ) des europäischen Patents den erneuten Eintritt in das Prüfungsverfahren anzuordnen. Eine solchermaßen eingelegte Beschwerde entfaltet keine aufschiebende Wirkung. 2. Mündliche Verhandlungen der Beschwerdekammern an deren Standort in Haar verstoßen nicht gegen die Artikel 113 (1) und 116 (1) EPÜ.
Art. 12 (2) VOBK 2020 lautet wie folgt: Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, ist das Beschwerdevorbringen der Beteiligten auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen. In den Erläuterungen zu Art. 12 (2) VOBK 2020 (Zusatzpublikation 2, ABl. 2020) heißt es, dass dieser Absatz in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine allgemeine Definition von Art und Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gibt. Die Beschwerdekammern bilden in Verfahren vor dem Europäischen Patentamt die erste und letzte gerichtliche Instanz. In dieser Eigenschaft überprüfen sie die angefochtenen Entscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. In T 1604/16 verwies die Kammer auf die Erläuterungen zu Art. 12 (2) VOBK 2020, wonach die Kammern befugt sind, angefochtene Entscheidungen vollumfänglich, also in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Dies steht im Einklang mit Art. 6 EMRK, wonach es mindestens eine gerichtliche Instanz geben muss, die eine Sache vollumfänglich, d. h. in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüfen kann, und die Beschwerdekammern die einzige gerichtliche Instanz sind, die erstinstanzliche Entscheidungen des EPA überprüfen können. Die Kammer war sich sehr wohl dessen bewusst, dass es Rechtsprechung gibt, die die Befugnis der Kammern zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen der ersten Instanz unter bestimmten Umständen einschränkt (G 7/93, ABl. 1994, 775 und die daran anknüpfende Rechtsprechung), doch erachtete sie die Würdigung von Beweismitteln nicht als eine Ermessensentscheidung. Siehe auch Kapitel III.C.1. "Beweiswürdigung der ersten Instanz".
1. Rechtlicher Charakter des Beschwerdeverfahrens
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |