7. Ablauf der mündlichen Verhandlung
T 245/18 × View decision
Der Übung der Beschwerdekammern, einer bei der Großen Beschwerdekammer anhängigen Vorlagefrage in einem parallel gelagerten Fall nicht vorzugreifen, kann nach der im Jahr 2020 novellierten Verfahrensordnung der Beschwerdekammern auch dadurch Rechnung getragen werden, dass am Ende der mündlichen Verhandlung nicht eine Entscheidung verkündet, sondern ein Termin zur Versendung der Entscheidung nach Artikel 15(9) VOBK bestimmt wird, wenn die Entscheidung der GBK bereits in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Die Entscheidung kann dann zum festgesetzten Termin als Endentscheidung ergehen, wenn die GBK die mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung diskutierte Auffassung der Kammer bestätigt, oder als Zwischenentscheidung, dass erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten ist, wenn dies nicht der Fall ist.
T 2320/16 × View decision
Oral proceedings by videoconference are consistent with the right to oral proceedings pursuant to Article 116 EPC (Reasons, 1)
T 1378/16 × View decision
Oral proceedings held by videoconference before the Boards of Appeal (see Reasons, point 1).
T 328/16 × View decision
Zurückweisung eines nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung gestellten Antrages auf Aussetzung des als Videokonferenz durchgeführten Termins zur mündlichen Verhandlung und auf Neufestsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung in physischer Präsenz aller Beteiligten (siehe Punkt 2 der Gründe)
T 1807/15 × View decision
The following question is referred to the Enlarged Board of Appeal for decision: Is the conduct of oral proceedings in the form of a videoconference compatible with the right to oral proceedings as enshrined in Article 116(1) EPC if not all of the parties to the proceedings have given their consent to the conduct of oral proceedings in the form of a videoconference?
In den Mitteilungen über mündliche Verhandlungen vor den Beschwerdekammern mit dem Titel "Einschränkungen aufgrund der pandemischen Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) und Beginn der Nutzung von Videokonferenztechnologie in Beschwerdeverfahren", die unter anderem am 6., 15. und 25. Mai 2020 auf der Website der Beschwerdekammern veröffentlicht wurden, informierten die Beschwerdekammern die Öffentlichkeit über die Möglichkeit, mündliche Verhandlungen vor der Kammer unter Nutzung von Videokonferenztechnologie durchzuführen, was jedoch die Zustimmung aller Beteiligten voraussetzt. Nach dem neuen Art. 15a VOBK 2020, der am 1. April 2021 in Kraft getreten ist, können die Beschwerdekammern auch ohne Zustimmung der betroffenen Parteien eine mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchführen. Siehe dazu auch die Mitteilungen der Beschwerdekammern vom 15. Dezember 2020 und 24. März 2021 und die Vorlage an die Große Beschwerdekammer anhängig unter dem Aktenzeichen G 1/21. Die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2020 in der Sache T 1378/16 war die erste in der Geschichte der Beschwerdekammern, die als Videokonferenz durchgeführt wurde. Anders als in einigen nationalen Rechtssystemen ist im EPÜ nicht ausdrücklich festgelegt, in welcher Form mündliche Verhandlungen nach Art. 116 EPÜ durchzuführen sind. Daher hielt es die Kammer für sinnvoll, kurz auf die Rechtsgrundlage für mündliche Verhandlungen im Sinne des Art. 116 EPÜ einzugehen. Sie argumentierte wie folgt: In der Vergangenheit haben die Kammern Anträge auf Durchführung mündlicher Verhandlungen als Videokonferenz vor allem mit der Begründung abgelehnt, dass ein "allgemeiner Rahmen" hierfür fehle. Insbesondere gebe es keine geeigneten Räume für Videokonferenzen und keine Vorkehrungen für die Teilnahme der Öffentlichkeit an solchen als Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlungen (s. z. B. T 1266/07, T 2068/14). Gleichzeitig haben die Kammern darauf verwiesen, dass die physische Anwesenheit der Beteiligten in Art. 116 EPÜ nicht vorgeschrieben sei. So wurde in T 2068/14 ausgeführt: "Obwohl eine Videokonferenz nicht dieselbe direkte Kommunikation ermöglicht wie ein persönliches Treffen im Rahmen einer konventionellen mündlichen Verhandlung, erfüllt sie doch die grundlegende Voraussetzung, nämlich dass die Kammer und die Parteien/Vertreter gleichzeitig miteinander kommunizieren können." Mehrere Kammern haben daher befunden, dass es in ihrem Ermessen liegt, diese Form für das mündliche Vorbringen der Beteiligten zu wählen (T 2068/14, T 195/14, T 932/16). Die Kammer in der vorliegenden Sache stimmte dieser Auslegung des Rechtsrahmens zu. Danach sind als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlungen im EPÜ nicht ausgeschlossen und erfüllen die Erfordernisse für die Durchführung mündlicher Verhandlungen im Sinne des Art. 116 EPÜ. Im EPÜ ist nur verlangt, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens gewahrt wird (Art. 116 (4) EPÜ). In welcher Form die Beteiligten ihre Argumente mündlich vorbringen, d. h. ob sie dabei physisch anwesend sind oder nicht, ist in Art. 116 EPÜ nicht festgelegt. Im Gegensatz zu den Umständen, unter denen die oben genannten Entscheidungen ergingen, stehen den Beschwerdekammern nunmehr geeignete Räume für die Durchführung mündlicher Verhandlungen als Videokonferenz zur Verfügung. Außerdem wurden geeignete Maßnahmen für die Teilnahme der Öffentlichkeit an solchen Verhandlungen getroffen. In T 492/18 ging es um die Teilnahme einer Begleitperson per Videoverbindung. Der Beschwerdeführer hatte beantragt, dass die mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchgeführt wird oder – falls dies nicht gestattet wird – dass ein Mitglied seiner Patentabteilung per Videoverbindung daran teilnehmen darf. Der Beschwerdegegner stimmte der Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz nicht zu. Die Kammer lehnte daher den Antrag auf Videokonferenz ab, weil der Beschwerdegegner nicht einverstanden war und Reisen innerhalb Deutschlands möglich waren. Die mündliche Verhandlung fand mit persönlicher Anwesenheit der Beteiligten statt. Die Kammer erklärte, die Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Videokonferenz setze voraus, dass die Kammer in der Lage sei, die nötige technische Ausstattung bereitzustellen Diese technische Ausstattung müsse der ständigen Kontrolle und Aufsicht der Kammer unterliegen. Soweit technisch möglich, müsse die Kammer in der Lage sein, zu kontrollieren, wer an der mündlichen Verhandlung teilnehme, sowie dafür zu sorgen, dass alle Teilnehmer von allen teilnehmenden Personen richtig gesehen und gehört werden könnten und allen klar sei, wer an der mündlichen Verhandlung teilnehme. Diese Kriterien wurden als notwendige Voraussetzungen dafür gewertet, dass als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlungen als gleichwertig mit konventionellen mündlichen Verhandlungen gelten können, die in physischer Anwesenheit der Beteiligten in den Räumlichkeiten des Amts stattfinden. Ferner waren zu dem Zeitpunkt, als die Entscheidung erging, die technischen Einrichtungen der Beschwerdekammern in erster Linie auf eine Fernteilnahme aller Beteiligten ausgerichtet. Einrichtungen zur Durchführung mündlicher Verhandlungen in hybrider Form, bei der Mitglieder einer Partei in den Räumlichkeiten des Amts und andere Mitglieder über Fernzugriff teilnehmen, standen der Kammer für die mündliche Verhandlung nicht zur Verfügung. Deshalb konnte die Kammer dem Antrag des Beschwerdeführers nicht stattgeben.
7.3. Mündliche Verhandlung als Videokonferenz
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Laut der Aktualisierte[n] Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. November 2018 über die Durchführung von Rücksprachen und mündlichen Verhandlungen als Videokonferenz (ABl. 2018, A96) können mündliche Verhandlungen vor der Prüfungsabteilung als Videokonferenz abgehalten werden. Die Zurückweisung des Antrags des Anmelders, die mündliche Verhandlung als Videokonferenz abzuhalten, ist zu begründen, R. 111 (2) EPÜ (T 677/08).
Bei den Beschwerdekammern sind mehrfach Anträge eingegangen, die mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchzuführen. Bei der Ablehnung dieser Anträge haben die Kammern (beginnend mit T 1266/07) auf das Fehlen eines allgemeinen Rahmens für die Durchführung als Videokonferenz und insbesondere darauf verwiesen, dass es keine einschlägigen Vorschriften (z. B. in der VOBK) gibt. Zum anderen sind mündliche Verhandlungen vor Prüfungsabteilungen gemäß Art. 116 (3) EPÜ nicht öffentlich, wohl aber vor Beschwerdekammern (Art. 116 (4) EPÜ). Es wäre zu gewährleisten, dass die Durchführung von Videokonferenzen mit dem Erfordernis in Einklang gebracht wird, dass mündliche Verhandlungen vor den Kammern öffentlich sind. S. unter anderem T 37/08, T 663/10, T 1930/12, T 1942/12, T 1081/12, T 2313/12, T 1529/14.
In T 2068/14 wies die Kammer auf ihr Ermessen bei der Organisation mündlicher Verhandlungen hin, das sich grundsätzlich auch auf die Durchführung als Videokonferenz erstrecke. Wie das Ermessen ausgeübt werde, richte sich nach den Umständen des Falls, insbesondere auch danach, ob es sich um ein Ex-parte- oder ein Inter-partes-Verfahren handle. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Verfügbarkeit von Räumlichkeiten, die für die Durchführung mündlicher Verhandlungen vor der Kammer als Videokonferenz geeignet seien. Dabei müsse üblicherweise auch für die Öffentlichkeit der Verhandlung gesorgt werden (s. T 1266/07). Eine Videokonferenz erfülle die grundlegende Voraussetzung, nämlich dass die Kammer und die Parteien/Vertreter gleichzeitig miteinander kommunizieren könnten. Es obliege dem Beschwerdeführer, die Kammer davon zu überzeugen, dass eine konventionelle mündliche Verhandlung es ihm nicht ermögliche, seine Sache angemessen vorzutragen. Im vorliegenden Fall wies die Kammer den Antrag zurück (s. auch T 2468/10, T 928/11, T 1081/12, T 2313/12).
- T 492/18
- T 245/18
- T 2320/16
- T 1378/16
- T 328/16
- T 1807/15
- Rechtsprechung 2021
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