1. Patentschutz für technische Erfindungen
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1. Patentschutz für technische Erfindungen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In Art. 52 (1) EPÜ ist das grundlegende Prinzip verankert, wonach alle Erfindungen auf sämtlichen Gebieten der Technik generell Anspruch auf Patentschutz haben (s. G 1/83, ABl. 1985, 60, Nrn. 21 ff. der Gründe; G 1/98, ABl. 2000, 111, Nr. 3.9 der Gründe; G 1/03, ABl. 2004, 413, Nr. 2.2.2 der Gründe; G 1/04, ABl. 2006, 334, Nr. 6 der Gründe; T 154/04, ABl. 2008, 46, 62, Nr. 6 der Gründe). Eine Einschränkung des generellen Anspruchs auf Patentschutz ist somit keine Frage des administrativen oder richterlichen Ermessens, sondern bedarf einer eindeutigen Rechtsgrundlage im EPÜ (s. G 2/12 vom 25.3.2015, ABl. 2016, A28; T 154/04).
Der technische Charakter als gesetzliche Voraussetzung für eine Erfindung wurde auf der Konferenz der Vertragsstaaten zur Revision des EPÜ vom 20. bis zum 29. November 2000 ausdrücklich bekräftigt.
Im Rahmen der Revision des EPÜ wurde Art. 52 (1) EPÜ an Art. 27 (1) Satz 1 TRIPs angepasst, um den Begriff "Technik" in der grundlegenden Bestimmung des materiellen europäischen Patentrechts zu verankern, den Anwendungsbereich des EPÜ klar zu umreißen und augenfällig zum Ausdruck zu bringen, dass der Patentschutz grundsätzlich technischen Erfindungen aller Art offensteht. Die Neufassung von Art. 52 (1) EPÜ bringt klar zum Ausdruck, dass der Patentschutz Schöpfungen auf dem Gebiet der Technik vorbehalten ist (ABl. SA 4/2007, 56). Der revidierte Art. 52 EPÜ findet Anwendung auf europäische Patente und europäische Patentanmeldungen, die am 13. Dezember 2007 bereits erteilt bzw. anhängig waren sowie auf Anmeldungen, die ab diesem Tag eingereicht werden.
Art. 52 (2) EPÜ enthält eine nicht erschöpfende Aufzählung von "Nichterfindungen", d. h. von Gegenständen oder Tätigkeiten, die nicht als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 angesehen werden. Sie sind nur insoweit von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, als sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht (Art. 52 (3) EPÜ; s. auch ABl. SA 4/2007). Art. 52 (2) EPÜ umfasst Tatbestände, die als gemeinsames Merkmal den fehlenden technischen Charakter erkennen lassen.
Die Anwendung von Art. 52 (1) EPÜ wirft ein Auslegungsproblem auf, denn bei Abschluss des Übereinkommens im Jahr 1973 gab es keine gesetzliche oder allgemein anerkannte Definition des Begriffs der "Erfindung". Das EPA hat eine solche explizite Definition auch in der Zwischenzeit nicht entwickelt. Art. 52 (2) EPÜ ist nichts weiter als eine nicht erschöpfende Negativliste dessen, was nicht als Erfindung im Sinne von Art. 52 (1) EPÜ anzusehen ist. Es war die erklärte Absicht der Vertragsstaaten, dieser Liste der "ausgeschlossenen" Gegenstände keinen allzu weiten Anwendungsbereich zu geben, wie die Entstehungsgeschichte von Art. 52 (2) EPÜ zeigt. Art. 52 (3) EPÜ beugt einer breiten Auslegung von Art. 52 (2) EPÜ vor (T 154/04, Nr. 6 der Gründe; s. auch G 2/12, ABl. 2016, A28).