1. Zulässigkeit
Übersicht
T 439/17 × View decision
1. Die Entscheidung T 1713/11 definiert eine Klage wegen Verletzung für die Zwecke des Artikels 105 EPÜ als "ein Verfahren zur Feststellung, ob ein Dritter in einem Bereich, der dem Ausschlussrecht des Patentinhabers unterliegt, wirtschaftlich tätig ist". Nach Meinung der Kammer bedeutet dies, dass das Entscheidungsorgan, üblicherweise ein Gericht, aufgefordert wird, "[eine Verletzung] festzustellen", als abschließendes Rechtsergebnis dieses Verfahrens. Die Tatsache, dass die Patentinhaberin oder eine andere Partei das fragliche Verfahren ganz offensichtlich mit dem Ziel eingeleitet hat, dem Patentinhaber die Feststellung einer Verletzung (als Tatbestand) zu ermöglichen, ist für das Vorliegen einer "Klage" im Sinne von Artikel 105 EPÜ irrelevant. (Nr. 6 der Gründe)
2. Die Zulässigkeit des Beitritts muss zum Zeitpunkt des Beitritts gegeben sein und kann nicht später rückwirkend (ex tunc) hergestellt werden. (Nr. 13 der Gründe) 3. Die Kammer stellt fest, dass ein Beweissicherungsverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO und die anschließende Verletzungsklage im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 105 (1)(a) EPÜ als zwei getrennte Verfahren zu betrachten sind. (Nr. 15 der Gründe)
In T 1746/15 folgte die Kammer der Entscheidung T 1713/11, wonach es sich bei einer "Verletzungsklage" im Sinne des Art. 105 (1) a) EPÜ um ein Verfahren handelt, in dem festgestellt werden soll, ob ein Dritter in einem unter das Ausschlussrecht des Patentinhabers fallenden Bereich gewerblich aktiv ist. Die Kammer befand, dass das selbstständige Beweisverfahren (oder das Beweissicherungsverfahren, § 485 DE-ZPO), das mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf nach deutschem Recht gegen den Beschwerdegegner eingeleitet wurde, keine "Feststellung" einer Verletzung im Sinne der vorstehenden Ausführungen darstellt. Das selbstständige Beweisverfahren nach deutschem Recht ist mit einem "saisie"-Verfahren vergleichbar, z. B. dem Beschlagnahmeverfahren in Frankreich, das nicht als "Verletzungsverfahren" im Sinne des Art. 105 (1) a) EPÜ zu betrachten ist (T 1713/11 und T 305/08).
In T 439/17 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) während des Einspruchsverfahrens seinen Beitritt erklärt und sich auf ein durch den Patentinhaber eingeleitetes deutsches Beweissicherungsverfahren nach § 485 DE-ZPO berufen. Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens hatte der Patentinhaber dann eine ordnungsgemäße Verletzungsklage gegen den Einsprechenden erhoben, die sich auf das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens stützte. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die beiden Verfahren als eine einzige Klage im Sinne von Art. 105 EPÜ anzusehen seien, was durch § 493 DE-ZPO gestützt sei. Die Kammer wies diese Ansicht zurück. Aus § 493 DE-ZPO kann nicht abgeleitet werden, dass die beiden Verfahren als konsolidiert oder anderweitig verfahrensrechtlich verbunden anzusehen sind. Darüber hinaus muss die Zulässigkeit des Beitritts zum Zeitpunkt des Beitritts gegeben sein und kann nicht später rückwirkend (ex tunc) hergestellt werden. Zusammenfassend stellte die Kammer fest, dass ein Beweissicherungsverfahren und die anschließende Verletzungsklage im Hinblick auf die Anwendung von Art. 105 (1) a) EPÜ als zwei getrennte Verfahren zu betrachten sind. Im Ergebnis war der Beitritt vor der Einspruchsabteilung daher unzulässig.
1. Zulässigkeit
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |