RECHTSPRECHUNG DER BESCHWERDEKAMMERN UND DER GROSSEN BESCHWERDEKAMMER IN 2018 UND 2019
III. GEMEINSAME VORSCHRIFTEN FÜR DIE VERFAHREN VOR DEM EPA
A. Grundsatz des Vertrauensschutzes
1. Kenntnis der relevanten Rechtsvorschriften und Rechtsprechung
(CLB, III.A.1.2.1)
In T 590/18 vom 4. Juli 2018 stellte die Kammer Folgendes fest: Durch einen nach dem 1. Dezember 2017 in Papierform (EPA Form 1010) erteilten Abbuchungsauftrag kann die Zahlung der Beschwerdegebühr allenfalls dann bewirkt werden, wenn sich der Beschwerdeführer mit Erfolg darauf berufen kann, er habe in einem aktuellen Internetauftritt des Amtes noch nach Inkrafttreten der Änderung einen eindeutigen Hinweis auf die Möglichkeit der Zahlung der Beschwerdegebühren mittels des Formulars EPA-Form 1010 gefunden, auf die Richtigkeit dieses Hinweises vertrauen durfte und auch tatsächlich darauf vertraut hat. Ein solches Vertrauen wird nicht begründet durch das Auffinden der PDF-Version einer vor Inkrafttreten der Änderung publizierten Broschüre. Der Begründung schutzwürdigen Vertrauens steht die Kenntnis des Beschwerdeführers von der Änderung der Zahlungswege entgegen.
2. Pflicht zur Aufklärung bei leicht behebbaren Mängeln
(CLB, III.A.3.)
In T 703/19 war die Kammer der Auffassung, dass ein Benutzer des EPA darauf vertrauen darf, dass bei der Einreichung einer Beschwerde eine Plausibilitätskontrolle vorgenommen wird. In der Beschwerdeschrift hatte der Beschwerdeführer folgende Angabe gemacht: "Die Beschwerdegebühr wird hiermit via Online-Gebührenzahlung entrichtet". Auf dem Begleitschreiben für nachgereichte Unterlagen fanden sich Angaben bezüglich der Art der Gebühren, des zu zahlenden Betrags, nicht aber zur Zahlungsart. Zu letzterer war "nicht angegeben" aufgeführt. Die Angabe der Kontonummer fehlte. Die Kammer stellte fest, dass die fehlenden Angaben in deutlichem Widerspruch zur Intention standen, die Beschwerdegebühr zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeschrift zu entrichten. Dieser Mangel war in jedem Fall leicht erkennbar, da das Begleitschreiben sowie die Beschwerdeschrift eine sehr begrenzte Anzahl von Informationen enthielten.
Überdies stellte die Kammer fest: Die Tatsache, dass die Zahlung der Beschwerdegebühr als solches in den Zuständigkeitsbereich des Beschwerdeführers fällt, bedeutet nicht, dass alle damit verbundenen Teilaspekte notwendigerweise auch davon betroffen sind. Denn wäre dies der Fall, so wäre die Große Beschwerdekammer in G 2/97 (ABl. EPA 1999, 123) in einem hypothetischen Beispiel nicht zum Schluss gekommen, dass die Kammer den Beschwerdeführer auf einen fehlenden Scheck hätte aufmerksam machen sollen. Vielmehr ging es bei diesem Beispiel nach Ansicht der Kammer darum, dass die klar erkennbare Absicht, eine Verfahrenshandlung mit Einreichen der Beschwerdeschrift vorzunehmen (Zahlung der Beschwerdegebühr), im Widerspruch zur faktisch erfolgten Handlung steht und dies leicht erkennbar ist. Beides war im vorliegenden Fall gegeben.
Der Beschwerdeführer konnte daher erwarten, dass er auf die fehlenden Angaben unter der Rubrik "Zahlungsart" hingewiesen würde, was es ihm in Hinblick auf die über einen Monat vor Fristende erfolgte Einreichung der Beschwerde erlaubt hätte, die Beschwerdegebühr fristgerecht zu entrichten. Die Kammer betrachtete die Beschwerdegebühr als rechtzeitig entrichtet und die Beschwerde galt als eingelegt.
B. Rechtliches Gehör
1. Aus der Entscheidung muss nachweislich erkennbar sein, dass das Vorbringen gehört und berücksichtigt wurde
(CLB, III.B.2.4.2)
In T 655/13 entschied die Kammer, die Prüfungsabteilung müsse eine Übersetzung zumindest der ihrer Argumentation zugrunde liegenden längeren Passage aus D1 vorlegen oder diese Passage so eindeutig wie möglich angeben, damit die Beschwerdeführer (und ggf. die Kammer) nachvollziehen und überprüfen können, ob die Prüfungsabteilung ihre Eingaben berücksichtigt und somit ihr rechtliches Gehör gewahrt hat.
2. Keine Verpflichtung, jedes einzelne Argument aufzugreifen
(CLB, III.B.2.4.3)
In T 448/16 hatte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) eine Rüge nach R. 106 EPÜ erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Kammer ihm hätte mitteilen müssen, welche Merkmale in den verschiedenen Fassungen der Hilfsanträge jeweils fehlten. Dann hätte er entweder geeignete Argumente zugunsten existierender Anträge vorbringen oder einen neuen Antrag formulieren können, mit dem sich das Problem der unzulässigen Erweiterung hätte beseitigen lassen. Die Kammer wandte die ständige Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer an. Hätte sie, nachdem die Angelegenheit ausgiebig mit den Parteien erörtert worden war, dem Beschwerdeführer genau mitgeteilt, welche besonderen Merkmale in Anspruch 1 in einer beliebigen Fassung fehlten, sodass der Beschwerdeführer (Patentinhaber) geeignete Gegenargumente formulieren oder einen zweckmäßig angepassten weiteren Antrag hätte einreichen können, so hätte dies die Sache des Beschwerdeführers zum Nachteil der Beschwerdegegner (Einsprechenden) begünstigt. Die Kammer befand, dass ein solches Vorgehen die Neutralitätspflicht verletzt hätte, weshalb es ihr untersagt sei, so zu handeln. Folglich wies sie die Rüge des Beschwerdeführers zurück und befand, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt war.
3. Erfordernis einer Zustimmung des Anmelders zu einer Textfassung
(CLB, III.B.3.3.)
In T 1227/14 trug der Beschwerdeführer I (Patentinhaber) vor, dass er nicht, wie in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung festgehalten, die Anpassung der Beschreibung an die Einspruchsabteilung übertragen habe. Vielmehr habe er für die Anpassung der Beschreibung die Überleitung ins schriftliche Verfahren beantragt, was nicht in der Niederschrift vermerkt war. Er hatte jedoch keinen Antrag auf Korrektur der Niederschrift durch die Einspruchsabteilung gestellt. Allerdings hatte die Einspruchsabteilung die angefochtene Zwischenentscheidung über die Fassung, in der das einspruchsbehaftete Patent aufrechterhalten werden kann, erlassen, ohne diese Fassung, einschließlich der von ihr angepassten Beschreibung, vorher dem Patentinhaber vorzulegen. Damit hat sie den in Art. 113 (2) EPÜ verankerten Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Auch und gerade in dem Fall, dass die Anpassung der Beschreibung an ein Organ des EPA übertragen wird, kann es von dieser Verpflichtung nicht entbunden werden.
In T 861/16 verwies die Kammer darauf, dass nirgendwo – weder in der Niederschrift noch in der Entscheidung – vermerkt war, dass der Patentinhaber sein Einverständnis mit der geänderten Fassung erklärt hatte. Auch blieb der Beschwerdegegner (Einsprechende) einen Beweis schuldig, dass der Patentinhaber einer vor der Entscheidung der Einspruchsabteilung präsentierten Fassung ausdrücklich zugestimmt hatte. Die Kammer erklärte, dass der Grundsatz "Qui tacet consentire videtur" nicht im EPÜ verankert ist und es daher nicht ausreicht, den Patentinhaber zu fragen, ob er sich zu den von der Einspruchsabteilung vorgeschlagenen Änderungen in der Beschreibung äußern wolle. Die Einspruchsabteilung hat sicherzustellen, dass der Patentinhaber sein Einverständnis erklärt. Mangels eines solchen Einverständnisses des Patentinhabers mit der aufrechterhaltenen Fassung entschied die Kammer, dass das Verfahren vor der Einspruchsabteilung mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet war (Art. 113 (2) EPÜ).
C. Mündliche Verhandlung
1. Recht auf mündliche Verhandlung im Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren
(CLB, III.C.2.1.)
In G 2/19 entschied die Große Beschwerdekammer, dass die Vorlagefrage 1 unzulässig war. Im Hinblick darauf formulierte die Große Beschwerdekammer die Vorlagefragen 2 und 3 wie folgt um:
2. Ist das Recht gemäß Art. 116 EPÜ auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingeschränkt, wenn ein Dritter im Sinne von Art. 115 EPÜ gegen den Patenterteilungsbeschluss "Beschwerde" einlegt und dies damit rechtfertigt, im Rahmen des EPÜ sei kein alternativer Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung der Prüfungsabteilung gegeben, seine Einwendungen betreffend die angebliche Verletzung von Art. 84 EPÜ nicht zu berücksichtigen?
3. Kann eine Beschwerdekammer ohne Verletzung von Art. 113 (1) und Art. 116 (1) EPÜ die mündliche Verhandlung in Haar durchführen, wenn eine Verlegung der Verhandlung nach München beantragt wird?
Hinsichtlich der Vorlagefrage 2 wies die Große Beschwerdekammer darauf hin, dass in Art. 116 (1) Satz 1 EPÜ ganz allgemein bestimmt ist, dass eine mündliche Verhandlung stattfindet, wenn ein Beteiligter dies beantragt. Die vorlegende Kammer hatte angenommen, der Dritte sei durch Einlegung seiner Beschwerde zum Beteiligten des Beschwerdeverfahrens geworden und könne demgemäß die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangen (T 831/17).
Die Große Beschwerdekammer stellte fest, dass diese Sichtweise zu kurz greift, indem sie für das Tatbestandsmerkmal der Beteiligtenstellung isoliert auf die Beteiligung am Beschwerdeverfahren abstellt. Bei verständiger Auslegung zwingt Art. 116 (1) Satz 1 EPÜ nicht zu einem derartigen prozessualen Automatismus. Vielmehr lässt die Regelung Ausnahmen zu. Die Vielfalt im Anwendungsbereich von Art. 116 (1) Satz 1 EPÜ spricht dagegen, dieser Vorschrift gleichsam Absolutheitscharakter beizulegen. Die Norm ist vom Konventionsgeber ersichtlich als Grundsatzregelung für die typischen Fallgestaltungen gedacht, mit denen die Verfahrensorgane des EPA in ihrer täglichen Praxis konfrontiert sind. Ausnahmen vom Grundsatz sind aber nicht ausgeschlossen, wenn die Anwendung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sinnwidrig wäre. Art. 116 (1) Satz 1 EPÜ ist vielmehr dahin einschränkend auszulegen, dass die bloße formale Position als faktischer Beteiligter am Beschwerdeverfahren nicht ausreicht, um die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangen zu können, wenn der Petent nicht zur Beschwerdeeinlegung befugt ist, weil er im Rechtssinne nicht am vorangegangenen Verfahren beteiligt war oder wenn er einen der Beschwerde nicht zugänglichen Gegenstand verfolgt.
Hinsichtlich der Vorlagefrage 3 wies die Große Beschwerdekammer darauf hin, dass die Tatsache, dass die Kammern ihre rechtsprechende Tätigkeit zurzeit am Standort Haar ausüben, auf Organisationsakte zurückgeht, die die dazu berufenen Organe der EPO im Rahmen ihrer Zuständigkeiten beschlossen und vorgenommen hatten. Bezüglich des Einwands, die Verlagerung der Beschwerdekammern nach Haar befinde sich nicht in Einklang mit den Bestimmungen des EPÜ, sei insoweit also gewissermaßen rechtswidrig, stellte die Große Beschwerdekammer Folgendes fest: Dieser Einwand betraf für sich genommen nicht die Jurisdiktion der Kammern. Ihnen obliegt nach dem EPÜ, an der Erfüllung der dem EPA übertragenen Aufgabe, europäische Patente zu erteilen (Art. 4 (3) EPÜ), durch Ausübung der rechtsprechenden Gewalt mitzuwirken (Art. 23 EPÜ). Die Überprüfung einer statusbezogenen Frage wie der, ob der Standort der Beschwerdekammern in Haar in Einklang mit den objektiv institutionellen Bestimmungen des EPÜ gewählt ist, betrifft dies zumindest nicht unmittelbar. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach Art. 106 ff. EPÜ kann sie deshalb allenfalls im Zusammenhang mit der Frage sein, ob geschützte oder schützenswerte subjektive Rechtspositionen eines Verfahrensbeteiligten bei der Wahrnehmung seiner Rechte vor der Kammer durch die Verlagerung ihres Standorts nach Haar beeinträchtigt werden können. Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall.
Die Große Beschwerdekammer entschied:
1. Ein Dritter im Sinne von Art. 115 EPÜ, der gegen die Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents Beschwerde eingelegt hat, hat keinen Anspruch darauf, dass vor einer Beschwerdekammer des EPA mündlich über sein Begehren verhandelt wird, zur Beseitigung vermeintlich undeutlicher Patentansprüche (Art. 84 EPÜ) des europäischen Patents den erneuten Eintritt in das Prüfungsverfahren anzuordnen.
Eine solchermaßen eingelegte Beschwerde entfaltet keine aufschiebende Wirkung.
2. Mündliche Verhandlungen der Beschwerdekammern an deren Standort in Haar verstoßen nicht gegen die Art. 113 (1) und 116 (1) EPÜ.
2. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung – Festsetzung und Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung
(CLB, III.C.6.1.)
In T 447/13 hat die Prüfungsabteilung einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen. Die Kammer kam zu folgendem Schluss: Weist die Prüfungsabteilung einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung mit der Begründung zurück, dass er nicht ausreichend begründet war, dann sollte sie in ihrer Entscheidung klar angeben, was hätte vorgebracht oder erläutert werden müssen. Außerdem befand die Kammer, dass "schwere Erkrankung" im Kontext der Entscheidung über einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung bedeutet, dass die Erkrankung so schwer ist, dass sie den Vertreter daran hindert, zur mündlichen Verhandlung anzureisen und die Sache zu dem festgesetzten Termin angemessen zu vertreten.
D. Fristen, Weiterbehandlung und Verfahrensunterbrechung
1. Eingangstag von per Fax übermittelten Unterlagen
(CLB, III.D.)
Die Kammer in T 858/18 entschied Folgendes: Wenn der Faxversand eines Schriftstücks im Sinne der R. 50 (3) EPÜ an einem früheren Tag beginnt und mitternachtsüberschreitend an einem späteren Tag endet, dann wird dem gesamten Schriftstück der spätere Tag als alleiniger Eingangstag zuerkannt. Die Kammer verwies auf den Beschluss der Präsidentin des Europäischen Patentamts vom 12. Juli 2007 über die Einreichung von Patentanmeldungen und anderen Unterlagen durch Telefax (ABl. SA 3/2007, 7). Dieser biete keine Rechtsgrundlage für die Zuerkennung des früheren Tags als Eingangstag für den Teil des Schriftstücks, der vor Mitternacht beim EPA eingegangen ist. Der Begriff "Schriftstück" beziehe sich auf die Aufzeichnung einer vollständigen Informationseinheit. Würde ein Teil eines Schriftstücks als eigenständiges Schriftstück betrachtet, könne sich darauf nicht als korrekte Wiedergabe der Informationen, die der Verfasser habe aufzeichnen wollen, berufen werden. Somit könnten unvollständige Teile eines Schriftstücks nicht als eigenständiges Schriftstück gelten. Die Kammer wies darauf hin, dass in T 2061/12 und T 2317/13 ein anderer Ansatz verfolgt worden war, dem zufolge gemäß R. 50 (3) EPÜ dem Teil eines Schriftstücks, der vor Mitternacht beim EPA eingegangen ist, der frühere Eingangstag zuzuerkennen sei. Die Kammer in T 858/18 stimmte diesem Ansatz nicht zu.
In T 2307/15 erklärte die Kammer, dass in der vom Beschwerdeführer am 15. Februar 2016 eingereichten Beschwerdebegründung zwar einige Absätze gegenüber der am 16. Februar 2016 eingereichten Fassung fehlten, dem Leser sei es aber auf Grundlage der ersten Fassung trotzdem möglich, die Gründe für den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Tatsachen und Beweismittel zu verstehen, auf die sich die Beschwerde stützte. Die Kammer befand, dass die am 15. Februar 2016 per Fax eingegangene Beschwerdebegründung daher als vollständig anzusehen sei, weil sie ihren Zweck erfüllte. Aus diesem Grund bestätigte die Kammer den in den Entscheidungen T 2061/12 und T 2317/13 verfolgten Ansatz. Die abweichende Entscheidung T 858/18 bleibe eine isolierte Entscheidung in einem Einzelfall und beruhe auf einer Sachlage, die sich von der im vorliegenden Fall unterscheide.
2. Unterbrechung des Verfahrens wegen Konkurses (Regel 142 (1) b) EPÜ)
(CLB, III.D.3.6.)
In T 54/17 musste die Kammer über die Unterbrechung des Verfahrens entscheiden.
Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) legte Beschwerde gegen den Widerruf des Patents durch die Einspruchsabteilung ein. Dieser Entscheidung war bereits ein erstes Beschwerdeverfahren vorausgegangen, in dem die Beschwerdekammer die Angelegenheit zur weiteren Prüfung zurückverwiesen hatte. Patentinhaber waren zu diesem Zeitpunkt die gemeinsamen Anmelder Herr S. (gemeinsamer Vertreter) und Herr P.
Ein Tag vor der terminierten mündlichen Verhandlung beantragte Herr P. die Unterbrechung des Verfahrens, da im Jahr 2015 ein Insolvenzverfahren gegen das Vermögen von Herrn S. eröffnet worden sei, das noch anhängig sei. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 unterbrach die Rechtsabteilung das Verfahren zum 30. Januar 2015 und mit Schreiben vom 5. März 2018 nahm sie das Verfahren zum 2. Mai 2018 wieder auf.
Die Kammer wies darauf hin, dass der Unterbrechungstatbestand im vorliegenden Fall ab dem 25. März 2015 entfallen war. Im Verfahren nach dem EPÜ bewirkt jedoch der Wegfall des Unterbrechungstatbestands nicht automatisch die Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern gemäß R. 142 (2) EPÜ wird das Verfahren erst nach Ablauf einer vom EPA zu bestimmenden Frist wiederaufgenommen, nachdem ihm bekannt gegeben wurde, wer nunmehr berechtigt ist das Verfahren fortzusetzen. Die Berechtigung zur Fortsetzung des Verfahrens wurde dem EPA erst mit Schreiben des Insolvenzverwalters vom 30. Januar 2018 mitgeteilt, woraufhin die Rechtsabteilung den 2. Mai 2018 als Tag der Wiederaufnahme des Verfahrens bestimmte. Dies würde bedeuten, dass sowohl das erste Beschwerdeverfahren, das mit der Entscheidung vom 2. Oktober 2015 abgeschlossen wurde, als auch das daran anschließende Einspruchsverfahren nach der Zurückverweisung gegenstandslos und damit zu wiederholen wären.
Die Kammer war der Auffassung, dass in einem Fall, in dem eine Beschwerde anhängig ist, der Rechtsabteilung keine ausschließliche Zuständigkeit für die Frage der Unterbrechung zusteht. Sie schloss sich damit der in T 854/12 geäußerten Auffassung an, wonach eine Beschwerdekammer in eigener Verantwortung für ihr Verfahren hierüber entscheiden kann. Andernfalls könnte, insbesondere bei einer rückwirkenden Unterbrechung, ein Organ außerhalb der Beschwerdekammern ihr das Verfahren entziehen, ohne dass sie hierauf Einfluss hätte.
Die Kammer war zudem der Auffassung, dass der Patentinhaber die Unterbrechung nicht mehr geltend machen konnte, sodass das Verfahren ohne Einschränkungen fortzusetzen war. Der Zweck der R. 142 (1) EPÜ besteht darin, zum Schutz des Patentinhabers zu verhindern, dass während seiner vorübergehenden Handlungsunfähigkeit nachteilige Verfahrensentwicklungen eintreten (T 854/12). Eine solche Schutzbedürftigkeit bestand allenfalls in dem Zeitraum zwischen dem 30. Januar 2015 und 25. März 2015. Setzt ein Patentinhaber in Kenntnis der Unterbrechungsvoraussetzungen, die ausschließlich in seiner Sphäre liegen, nach dem Wegfall der Unterbrechungsvoraussetzungen das Verfahren über Jahre uneingeschränkt fort, ohne sich darauf zu berufen, so erscheint es unbillig, die Unterbrechung zu einem so späten Zeitpunkt geltend zu machen, mit der Folge, dass das bis dahin erfolgte Verfahren, an dem er bis dato aktiv mitgewirkt hat, zu wiederholen wäre. Dies widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (s. auch zur ausreichenden Offenbarung Kapitel II.C.1.1.).
In T 1389/18 kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass die angefochtene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung rückwirkend als nicht existent zu betrachten war. Folglich waren auch die Beschwerden vor der Kammer gegenstandslos, sodass das Beschwerdeverfahren ohne Entscheidung in der Sache beendet werden musste.
Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Rechtsabteilung, welche die Unterbrechung des Verfahrens feststellte, war das Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung formal noch nicht abgeschlossen, sondern noch anhängig. Dementsprechend war die Rechtsabteilung für die Frage der Unterbrechung nach R. 142 EPÜ zuständig.
Überdies stellte die Kammer fest, dass eine Unterbrechung nach R. 142 (1) b) EPÜ nicht nur den Interessen des Patentinhabers, sondern auch denen seiner Gläubiger dient. Diese Interessen sollen dadurch geschützt werden, dass die Regelung jede Rechtshandlung, sei es durch den Patentinhaber oder durch das EPA, zu verhindern sucht, die geeignet ist, das Patent als Vermögensgegenstand zu beeinträchtigen.
Schließlich musste die Kammer entscheiden, ob sie verpflichtet ist, im Beschwerdeverfahren eine von der Rechtsabteilung während des Beschwerdeverfahrens festgestellte Unterbrechung nach R. 142 EPÜ zu berücksichtigen. Diese Frage hatte die Entscheidung T 854/12 ablehnend beantwortet. Die Kammer in T 1389/18 hatte jedoch Zweifel, ob die Begründung von T 854/12 auf den vorliegenden Fall übertragbar war. Unter den gegeben Umständen entschied die Kammer, die Feststellung der Rechtsabteilung über die Unterbrechung nicht außer Acht zu lassen. Stattdessen erließ die Kammer ihre frühere Mitteilung erneut, um zu verhindern, dass die Parteien mit einer unklaren Verfahrenssituation konfrontiert sind und dass das Verfahren sich unverhältnismäßig verzögert.
E. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
1. Datum, an dem der Irrtum hätte bemerkt werden müssen, ist entscheidend
(CLB, III.E.4.1.1 a)(i))
In T 198/16 stellte die Kammer fest, dass die derzeitige Praxis, die Sorgfaltspflicht im Kontext des Wegfalls des Hindernisses mit einer Frist im Sinne von R. 136 (1) EPÜ anzuwenden, als Ausdehnung der Bedeutung der Sorgfaltspflicht aufgefasst werden könnte, weil dadurch der Umfang des maßgeblichen Kriteriums um die Funktion eines außergewöhnlichen vorläufigen Zulässigkeits-/Anwendbarkeitshindernisses erweitert wurde. Nach Auffassung der Kammer war diese Auslegung des "Wegfallkriteriums", die sich nicht auf den Gesetzestext stützen konnte, zweifelhaft. Die Kammer ließ die Frage der richtigen Auslegung offen.
F. Sprachen
1. Abweichungen von der Verfahrenssprache im mündlichen Verfahren
(CLB, III.F.3.)
In T 1895/13 hatte der Beschwerdeführer beanstandet, dass die mündliche Verhandlung vor der ersten Instanz ohne Dolmetscher stattgefunden habe, obwohl der Vertreter eine Simultanübersetzung beantragt habe. Die Prüfungsabteilung hatte keine Veranlassung gesehen, von der Verfahrenssprache (Englisch) abzuweichen. Sie hatte zwar angeboten, ihre Ausführungen bei Bedarf auf Deutsch zu erläutern, jedoch abgelehnt, offiziell als Dolmetscher zu fungieren. Laut Vorbringen des Beschwerdeführers erlaube R. 4 (1) EPÜ einem Beteiligten ganz eindeutig, eine von ihm gewählte und rechtzeitig mitgeteilte Amtssprache zu sprechen und zu hören. Die Prüfungsabteilung könne in diesem Fall eine Übersetzung nicht nach eigenem Ermessen verweigern. Dies habe sie jedoch getan und habe damit auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nach Art. 113 (1) EPÜ verletzt, der den Grundsatz der Verfahrensgerechtigkeit widerspiegle.
Die Kammer verwies auf einen vergleichbaren Fall in der Sache T 2249/13. Dort hatte die Kammer in ihrer Mitteilung erklärt, dass laut Aussage des Beschwerdeführers die Prüfungsabteilung gegen R. 4 (1) und (5) EPÜ verstoßen habe, indem sie eine offizielle Verdolmetschung verweigert habe, obwohl der Vertreter des Beschwerdeführers rechtzeitig beantragt habe, eine von der Verfahrenssprache abweichende Amtssprache sprechen und hören zu dürfen. Die Kammer hatte jedoch erklärt, dass selbst bei Vorliegen eines möglichen Verfahrensmangels der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör anscheinend nicht wesentlich beeinträchtigt worden sei (Art. 113 (1) EPÜ). Der Beschwerdeführer habe weder in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung noch in der Beschwerdebegründung ein durch fehlende offizielle Verdolmetschung bedingtes Kommunikationsproblem vorgebracht. Vielmehr habe der Beschwerdeführer nur hypothetische Probleme dargelegt, die allgemein auftreten könnten, wenn das Recht auf Äußerung in einer gewünschten Sprache eingeschränkt werde.
Die Kammer im vorliegenden Fall fügte hinzu, dass der Hinweis auf ein potenzielles Problem nicht bedeutet, dass das Problem tatsächlich aufgetreten ist. Die Beweislast lag beim Beschwerdeführer, und dieser war seiner Verpflichtung zur Vorlage von Tatsachen für die Prüfung, ob eine wesentliche Rechtsverletzung vorlag, nicht nachgekommen.
G. Formale Aspekte der Entscheidungen der Organe des EPA
1. Form der Entscheidung
1.1 Unterzeichnung der Entscheidung nach Regel 113 EPÜ
(CLB, III.K.3.3.)
In J 16/17 befand die Kammer, dass das Erfordernis der R. 113 (1) EPÜ, wonach Entscheidungen des Europäischen Patentamts mit der Unterschrift und dem Namen des zuständigen Bediensteten zu versehen sind, keine reine Formsache ist, sondern ein wesentlicher Verfahrensschritt im Entscheidungsprozess. Name und Unterschrift dienen dazu, die Verfasser der Entscheidung auszuweisen und auszudrücken, dass diese für den Inhalt vorbehaltlos die Verantwortung übernehmen. Dieses Erfordernis soll Willkür und Missbrauch verhindern und nachprüfbar machen, dass das zuständige Organ die Entscheidung getroffen hat. Damit verkörpert es rechtsstaatliche Prinzipien.
1.2 Defizitäre Begründungen nicht ausreichend im Sinne der Regel 111 (2) EPÜ
(CLB, III.K.3.4.4 b))
In T 655/13 befand die Kammer Folgendes: Damit die Prüfungsabteilung ihre auf eine maßgebliche Entgegenhaltung in einer Nichtamtssprache gestützte Begründung für die Kammer verständlich machen kann, muss sie die im Prüfungsverfahren hinzugezogene Übersetzung zumindest der relevanten Abschnitte des Dokuments (oder sogar des gesamten Dokuments, wenn dies für das allgemeine Verständnis erforderlich ist) in einer Amtssprache des EPA zur Verfügung stellen. Andernfalls ist die Kammer nicht in der Lage, die Entscheidungsbegründung zu überprüfen und in bestimmten Fällen zu beurteilen, ob die Entscheidung begründet ist oder nicht, was einen Verstoß gegen das Rechtserfordernis begründeter Entscheidungen nach R. 111 (2) EPÜ darstellt.
H. Akteneinsicht, Europäisches Patentregister und Aussetzung des Verfahrens
1. Aussetzung des Verfahrens nach Regel 14 (1) EPÜ
(CLB, III.M.3., VII.1.2.)
Im Ex-parte-Verfahren T 1473/13 wurden im Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Verfahrens mehrere Verfassungsbeschwerden angeführt, die vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig waren und sich auf den Vorwurf eines unzureichenden Rechtsschutzes beim EPA gegen Entscheidungen der Beschwerdekammern stützten. Die Kammer verwies nachdrücklich auf den in J 2/14 erläuterten Zweck der R. 14 EPÜ, nämlich zu verhindern, dass ein unberechtigter Anmelder der Stellung eines potenziellen wahren Patentinhabers Schaden zufügt, indem er die Anmeldung ohne dessen Einverständnis ändert oder sogar zurücknimmt. Im vorliegenden Fall stellte die Kammer fest, dass ihre Befugnis, über eine Patentanmeldung zu entscheiden und insbesondere, sie zurückzuweisen – eine Befugnis, die durch eine künftige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berührt werden könnte – auf dem Spiel stehe. Für die Kammer war nicht offensichtlich, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Verfassungsbeschwerden direkte Rechtsfolgen über die betroffenen Fälle hinaus haben würden. Unter Verweis auf eine der Verfassungsbeschwerden erläuterte die Kammer, dass der Beschwerdeführer in der vorliegenden Sache nicht dargelegt habe, warum und wie sich eine Entscheidung zu bestimmten Vorschriften des EPÜ, seiner Ausführungsordnung, der VOBK und der VOGBK auf andere Kammerentscheidungen mit Wirkung in Deutschland auswirken könnte. Das deutsche Zustimmungsgesetz zum EPÜ, das dessen Anwendung in Deutschland anordnet, und die möglichen Folgen einer Nichtigkeit dieses Gesetzes wurden weder in den Anträgen des Verfassungsklägers noch im Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Verfahrens auch nur erwähnt. Allein aus diesen Gründen war der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurückzuweisen. Die Kammer stellte zudem fest, dass der Beschwerdeführer keine Angaben zu möglichen Nachteilen gemacht hat, die ihm aus einer Entscheidung der Kammer im vorliegenden Fall entstehen könnten, wenn die Verfassungsbeschwerden erfolgreich wären. Es gebe also keinen erwiesenen Nachteil für den Beschwerdeführer, und somit könnten die negativen Folgen einer Aussetzung bzw. Nichtaussetzung des Verfahrens (d. h. der Verzögerung des Verfahrens) nicht abgewogen werden. Folglich befand sie, dass der Antrag auf Aussetzung zurückzuweisen sei.
(CLB, III.M.3.2.)
In J 4/17 stellte die Kammer fest, dass der Gesetzgeber es der Praxis und der Rechtsprechung überlassen hat zu definieren, unter welchen Umständen eine Ermessensentscheidung zur Festsetzung eines Zeitpunkts für die Verfahrensfortsetzung gerechtfertigt ist. Die Fortsetzung des Verfahrens beschränkt sich nicht auf Fälle von Verfahrensmissbrauch oder Verzögerungstaktiken. Die Möglichkeit, dass das EPA bei einer Aussetzung des Erteilungsverfahrens einen Zeitpunkt für dessen Fortsetzung festsetzt, deutet auf eine breitere Auslegung hin. Ein Anmelder kann seinen Antrag auf Fortsetzung jedoch nicht auf die Dauer des Vindikationsverfahrens stützen, wenn dieses maßgeblich durch sein Verhalten in die Länge gezogen wurde.
I. Beitritt
1. Zulässigkeit
1.1 Nationales Verletzungsverfahren
(CLB, III.P.1.3.)
In T 1746/15 folgte die Kammer der Entscheidung T 1713/11, wonach es sich bei einer "Verletzungsklage" im Sinne des Art. 105 (1) a) EPÜ um ein Verfahren handelt, in dem festgestellt werden soll, ob ein Dritter in einem unter das Ausschlussrecht des Patentinhabers fallenden Bereich gewerblich aktiv ist. Die Kammer befand, dass das selbstständige Beweisverfahren (oder das Beweissicherungsverfahren, § 485 DE-ZPO), das mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf nach deutschem Recht gegen den Beschwerdegegner eingeleitet wurde, keine "Feststellung" einer Verletzung im Sinne der vorstehenden Ausführungen darstellt. Das selbstständige Beweisverfahren nach deutschem Recht ist mit einem "saisie"-Verfahren vergleichbar, z. B. dem Beschlagnahmeverfahren in Frankreich, das nicht als "Verletzungsverfahren" im Sinne des Art. 105 (1) a) EPÜ zu betrachten ist (T 1713/11 und T 305/08).
In T 439/17 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) während des Einspruchsverfahrens seinen Beitritt erklärt und sich auf ein durch den Patentinhaber eingeleitetes deutsches Beweissicherungsverfahren nach § 485 DE-ZPO berufen. Während des anhängigen Beschwerdeverfahrens hatte der Patentinhaber dann eine ordnungsgemäße Verletzungsklage gegen den Einsprechenden erhoben, die sich auf das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens stützte. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die beiden Verfahren als eine einzige Klage im Sinne von Art. 105 EPÜ anzusehen seien, was durch § 493 DE-ZPO gestützt sei. Die Kammer wies diese Ansicht zurück. Aus § 493 DE-ZPO kann nicht abgeleitet werden, dass die beiden Verfahren als konsolidiert oder anderweitig verfahrensrechtlich verbunden anzusehen sind. Darüber hinaus muss die Zulässigkeit des Beitritts zum Zeitpunkt des Beitritts gegeben sein und kann nicht später rückwirkend (ex tunc) hergestellt werden. Zusammenfassend stellte die Kammer fest, dass ein Beweissicherungsverfahren und die anschließende Verletzungsklage im Hinblick auf die Anwendung von Art. 105 (1) a) EPÜ als zwei getrennte Verfahren zu betrachten sind. Im Ergebnis war der Beitritt vor der Einspruchsabteilung daher unzulässig.
J. Kostenverteilung
(CLB, III.R.2.)
In T 280/15 stellte die Kammer fest, es unterliege keinem Zweifel, dass durch die Ankündigung der Nichtteilnahme des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung, die erst am Vorabend der Verhandlung um 18.23 Uhr einging, die Voraussetzungen für eine Kostenverteilung gegen ihn gemäß Art. 104 (1) EPÜ und Art. 16 (1) c) VOBK 2007 vorliegen. Durch diese verspätete Ankündigung sind dem Beschwerdegegner Kosten entstanden, die durch ein pflichtgemäßes Verhalten und die elementaren Gebote der Höflichkeit seitens des Beschwerdeführers hätten vermieden werden können, wie etwa die Reise- und Unterbringungskosten sowie die 12 Stunden Aufwandsentschädigung für die Vorbereitung des zugelassenen Vertreters. Außerdem hat der Beschwerdeführer durch dieses Verhalten, insbesondere auch durch den Umstand, dass er den Beschwerdegegner nicht direkt verständigt hat, dem Beschwerdegegner die Möglichkeit genommen, weitere Kosten für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu verringern, wenn nicht zu vermeiden. Das Verhalten des Beschwerdeführers angesichts der vorläufigen negativen Meinung der Kammer, die sie in dem der mündlichen Verhandlung vorausgegangenen Bescheid geäußert hat, beeinträchtigte letztendlich auch den effizienten Ablauf der Durchführung der mündlichen Verhandlung durch die Kammer. Wäre die Kammer über die Abwesenheit des Beschwerdeführers früher informiert gewesen, bestünde auch kein Grund, eine mündliche Verhandlung abzuhalten und vier Dolmetscher zu engagieren. So wurden die von dem Beschwerdegegner für die Verhandlung beantragten Dolmetscher ebenso wegen der Anwesenheit des Beschwerdeführers auf Kosten des Amtes bestellt, mussten aber nun die mündliche Verhandlung unverrichteter Dinge verlassen.
In T 2313/15 beantragte der Beschwerdegegner (Einsprechende) für den Fall der Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz eine Kostenauferlegung. Die Kammer entschied, die Sache zurückzuverweisen, ordnete aber keine andere Kostenverteilung gemäß Art. 104 (1) EPÜ an. Die Kammer befand, dass der Patentinhaber im Verfahren vor der Einspruchsabteilung alle vom Einsprechenden vorgebrachten Einwände in der Erwiderung auf die Einspruchsschrift behandelt hatte. Dass er dies nur mit Argumenten tat und weder Hilfsanträge einreichte noch eine mündliche Verhandlung beantragte, sei als legitime Verteidigung gegen einen Einspruch anzusehen, auch wenn er damit das kalkulierte Risiko einer sofortigen abschlägigen Entscheidung einging. Der Patentinhaber hatte demnach keine besondere Verpflichtung, eine mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zu beantragen. Sein Recht auf Beschwerde oder Einreichung weiterer Anträge im Beschwerdeverfahren wurde allein dadurch, dass er keine mündliche Verhandlung beantragt hatte, nicht beeinträchtigt. Die Kammer sah keine rechtliche Grundlage für die implizite Behauptung des Beschwerdegegners, dass die Rechte des Patentinhabers im Beschwerdeverfahren in irgendeiner Weise stärker eingeschränkt seien, weil er keine mündliche Verhandlung beantragt hatte. Auch hielt die Kammer es nicht für billig, dem Patentinhaber anzulasten, dass die Einspruchsabteilung anhand nur eines von mehreren vorgebrachten Punkten und ohne Ladung zur mündlichen Verhandlung über den Fall entschieden hatte (wozu sie auch berechtigt war). Ebenso wenig könne dem erfolgreichen Beschwerdeführer (Patentinhaber) angelastet werden, dass die Angelegenheit in Übereinstimmung mit der üblichen Praxis im Beschwerdeverfahren zurückverwiesen wurde. Abschließend sei in keiner Weise zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nur Argumente gegen den alleinigen Widerrufsgrund der Neuheit gegenüber D2 vorgebracht hat, denn mehr musste er gar nicht tun.
K. Zustellung
1. Zustellung durch Postdienste
(CLB, III.S.1.1.)
In T 1596/14 wandte sich der Beschwerdeführer I (Patentinhaber) dagegen, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung ihm mit Datum vom 9. Juli 2014 und dem Beschwerdeführer II (Einsprechenden) erst später mit Datum vom 22. Juli 2014 geschickt wurde. Die Kammer hielt in einem obiter dictum fest, dass es keinerlei Beweis oder Indiz dafür gab, dass die angebliche Ungleichbehandlung der Parteien durch die an verschiedenen Tagen erfolgte Zustellung derselben Entscheidung den Interessen einer Partei, insbesondere denen des Beschwerdeführers I, abträglich gewesen wäre. Es ergaben sich keinerlei Konsequenzen für die Zulässigkeit der Beschwerden oder für den ordnungsgemäßen Verlauf des anschließenden Beschwerdeverfahrens. Die Kammer stellte fest, dass das EPÜ keine besondere Sanktion oder Abhilfe für diese Situation vorsieht; sie konnte in dem Vorschlag des Beschwerdeführers I, die Entscheidung mit einem neuen gemeinsamen Zustellungsdatum nochmals zu versenden, schwerlich eine Lösung erkennen, da die Parteien ja bereits über die jeweils gegnerischen Argumente im Bilde waren.