2.1. Verspätetes Vorbringen
Übersicht
T 101/17 × View decision
Reasons 4 and 5
In T 101/17 lehnte die Kammer den Antrag des Beschwerdegegners (Einsprechenden) auf anderweitige Kostenverteilung ab. Der Beschwerdegegner hatte argumentiert, dass die Einreichung von Hilfsanträgen im Beschwerdeverfahren – statt im Einspruchsverfahren – einen Verfahrensmissbrauch darstelle. Obwohl die Hilfsanträge nicht zugelassen worden seien, habe man sich für den Fall ihrer Zulassung vorbereiten und sich inhaltlich mit ihnen beschäftigen müssen. Die Kammer befand, dass die Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine anderweitige Kostenverteilung nicht stützte. Sie schloss sich dem in T 1848/12 vertretenen Ansatz an, wonach – in Anwendung des Grundsatzes, dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten trägt – Vorbereitungen auf die Erörterung der Frage, ob verspätet eingereichte Dokumente zugelassen werden sollen, Teil der normalen Arbeit sind, die von einem Beteiligten erwartet werden kann. Um einen Kausalzusammenhang zwischen den Ausgaben des Beschwerdegegners und dem Verhalten des Beschwerdeführers herzustellen, so die Kammer weiter, müsste der Beschwerdegegner zeigen, dass die Ausgaben vor allem durch die verspätete Einreichung der Anträge und nicht durch deren Einreichung als solche verursacht worden sind. Die Kammer konnte nicht erkennen, welche Zusatzkosten dem Beschwerdegegner durch die Vorbereitung auf eine Erörterung dieser Anträge im Beschwerde- statt im Einspruchsverfahren entstanden sind – abgesehen von der zusätzlichen Erörterung der Zulässigkeit dieser Anträge. Da eine Erörterung der Zulässigkeit von Anträgen in Verfahren allgemein nicht unüblich war, können dafür kaum separate Kosten geltend gemacht werden. Spätestens hieran scheiterte das Vorbringen des Beschwerdegegners, und der Antrag auf anderweitige Kostenverteilung musste abgelehnt werden. Siehe auch das Kapitel V.A.6.3. "Artikel 12 (4) VOBK 2007".
2.1. Verspätetes Vorbringen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Werden Tatsachen und Beweismittel zur Stützung des Einspruchs in einem späten Verfahrensstadium eingereicht und entstehen dadurch einem anderen Beteiligten erheblich höhere Kosten, so kann eine anderweitige Kostenverteilung angeordnet werden, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht (vgl. T 10/82, ABl. 1983, 407; T 117/86, ABl. 1989, 401; T 101/87, T 326/87, ABl. 1992, 522; T 416/87, ABl. 1990, 415; T 323/89, ABl. 1992, 169; T 596/89, T 622/89, T 503/90, T 611/90, ABl. 1993, 50; T 755/90, T 110/91, T 867/92, ABl. 1995, 126; T 719/93, T 970/93). Maßgeblich für die Kostenentscheidung ist, ob sich die verspätete Vorlage durch triftige Gründe rechtfertigen lässt oder nicht; ob die betreffenden Unterlagen im Hinblick auf die Sachentscheidung relevant sind, wird dabei als unerheblich gewertet. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die anderweitige Kostenverteilung in mehreren Fällen trotz ungerechtfertigter Verspätung abgelehnt wurde, weil die Entstehung von höheren Kosten nicht bewiesen werden konnte (vgl. z. B. T 212/88, ABl. 1992, 28; T 582/90, T 267/92, T 9/95 und T 207/03).
Bringt ein Beteiligter wesentliche Tatsachen oder Beweismittel ohne triftigen Grund erst verspätet in einer fortgeschrittenen Phase des Verfahrens vor, so kann dies nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern bei der Kostenverteilung berücksichtigt werden (s. hierzu T 117/86, ABl. 1989, 401; T 326/87, ABl. 1992, 522; T 97/90, T 611/90, ABl. 1993, 50; T 847/93, T 1016/93, T 574/02, T 931/06, T 493/11). Sind die Gründe für das verspätete Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in mangelnder Sorgfalt oder in Umständen zu suchen, die einem Verfahrensmissbrauch gleichkämen, entspricht es nicht der Billigkeit, eine Kostenverteilung zugunsten des Beschwerdegegners vorzunehmen (T 1016/93).
Vorbereitungen auf die Erörterung der Frage, ob verspätet eingereichte Dokumente zum Einspruchsbeschwerdeverfahren zugelassen werden sollen, sowie – im Falle ihrer Zulassung – der Frage, ob sie für die Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstands relevant sind, sind Teil der normalen Arbeit, die von einem Beteiligten und/oder seinem Vertreter erwartet werden kann (T 1848/12).
In T 1781/13 befand die Kammer, dass der Umstand, dass weder das EPÜ verspätetes Vorbringen noch die VOBK (2007) eine Änderung des Vorbringens grundsätzlich als unzulässig ansehen, sondern eine im Ermessen der Kammer stehende Entscheidung über dessen Zulassung (Art. 114 (2) EPÜ, Art. 12 (4), 13 (1) VOBK) vorsehen, zeigt, dass eine Änderung des Vorbringens nicht per se vorwerfbar bzw. unbillig ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es im Allgemeinen zusätzlicher Umstände, um eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen infolge einer späten Änderung des Vorbringens zu rechtfertigen. Vorliegend waren solche besonderen Umstände weder ersichtlich noch vorgetragen. Es hätte aber der Antragstellerin oblegen, hierzu substantiiert vorzutragen.