3.1. Bindung an die Anträge – Verbot der "reformatio in peius"
Übersicht
T 2277/18 × View decision
Die Bedingungen von G 1/99 für eine zulässige Ausnahme vom Verschlechterungsverbot gelten auch dann, wenn es sich bei der unzulässigen Änderung um einen nicht offenbarten Disclaimer handelt (Entscheidungsgründe 7).
T 2337/16 × View decision
Zur Frage der Bindungswirkung einer vorangegangenen Beschwerdekammer-Entscheidung ("Selbstbindung"): siehe Punkt 5 der Entscheidungsgründe.
3.1. Bindung an die Anträge – Verbot der "reformatio in peius"
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In den Verfahren G 9/92 date: 1994-07-14 und G 4/93 (ABl. 1994, 875) wurde in der Vorlage an die Große Beschwerdekammer die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Beschwerdekammer zu Lasten des Beschwerdeführers im Einspruchsbeschwerdeverfahren von dem Beschwerdeantrag abweichen kann.
Die Große Beschwerdekammer berücksichtigte verschiedene Faktoren. Die Beschwerde ziele auf die Beseitigung der "Beschwer". Da die Einlegung einer Beschwerde befristet sei, wäre es mit dieser Regelung nicht vereinbar, dem nicht beschwerdeführenden Beteiligten das unbeschränkte Recht einzuräumen, das Verfahren durch eigene Anträge ohne zeitliche Grenze in eine andere Richtung zu lenken. Die nicht beschwerdeführende Partei habe als Beschwerdegegnerin die Möglichkeit, all das, was sie für die Verteidigung des vor der ersten Instanz erzielten Ergebnisses für notwendig und zweckmäßig halte, im Beschwerdeverfahren vorzubringen.
Die Große Beschwerdekammer entschied somit wie folgt:
1. Ist der Patentinhaber der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so kann weder die Beschwerdekammer noch der nicht beschwerdeführende Einsprechende als Beteiligter nach Art. 107 Satz 2 EPÜ 1973 die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung in Frage stellen.
2. Ist der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so ist der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Art. 107 Satz 2 EPÜ 1973 vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind (vgl. z. B. T 321/93).
Angesichts der Rechtsunsicherheit, die durch die uneinheitliche Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Verschlechterungsverbot im Rahmen der Anwendung oder Auslegung der Entscheidung G 9/92 date: 1994-07-14 (ABl. 1994, 875) entstanden ist, wurde der Großen Beschwerdekammer eine weitere Rechtsfrage vorgelegt, die sie in G 1/99 (ABl. 2001, 381) beantwortete. S. dieses Kapitel V.A.3.1.8.
- T 2277/18
- T 2337/16
- T 822/16
- T 1437/15
- Rechtsprechung 2021