3. Für die Beurteilung der ausreichenden Offenbarung maßgebende Teile der Anmeldung
3.2. Angebliche Wirkung ist kein Merkmal der Ansprüche
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 1311/15 haben die Beteiligten nicht bestritten, dass der Wortlaut von Anspruch 1 keine Flammschutzanforderung enthält. Allerdings war ebenfalls unbestritten, dass die Erfindung darauf abzielt, nicht entflammbare Kühlmittelzusammensetzungen zur Verfügung zu stellen. Es stellte sich die Frage, ob die beabsichtigte Wirkung des beanspruchten Gegenstands bei der Prüfung des Einspruchsgrunds nach Art. 100 b) EPÜ zu berücksichtigen sei. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Einwand wegen mangelnder Offenbarung jedoch nicht damit begründet werden, dass die Anmeldung es einem Fachmann nicht ermöglicht, eine technische Wirkung zu erzielen, die im Anspruch nicht definiert ist.
Ein Einwand wegen mangelnder Offenbarung gemäß Art. 83 EPÜ kann nicht damit begründet werden, dass die Anmeldung es dem Fachmann nicht ermöglicht, eine nicht beanspruchte technische Wirkung zu erzielen (T 2001/12, mit Verweis vor allem auf G 1/03, ABl. 2004, 413, aber auch T 1079/08, T 939/92 und T 260/98). In T 2001/12 wurde die Unterscheidung zwischen den Erfordernissen der ausreichenden Offenbarung (Art. 83 EPÜ), der Klarheit der Ansprüche (Art. 84 EPÜ) und der erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) behandelt. Hinsichtlich der Bedeutung des technischen Effekts für Art. 83 EPÜ wurde in T 862/11 mit Verweis auf T 2001/12 Folgendes ausgeführt: Zu unterscheiden ist zwischen a) dem Begutachten des Effekts gemäß Art. 83 EPÜ und b) dem Begutachten des Effekts gemäß Art. 56 EPÜ.
Auch in T 206/13 wurde auf T 2001/12 Bezug genommen: Die Prüfungsabteilung hatte bei der Beurteilung der ausreichenden Offenbarung der Ansprüche 1 und 11 auf technische Aspekte abgestellt, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend offenbart waren. Die Kammer wies darauf hin, dass diese technischen Aspekte in den Ansprüchen 1 und 11 nicht definiert und somit bei der Beurteilung der in diesen Ansprüchen definierten Erfindung nach Art. 83 EPÜ nicht in Betracht zu ziehen waren. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung bezieht sich auf die in den Ansprüchen definierte Erfindung und insbesondere auf die Kombination der strukturellen und funktionellen Merkmale der beanspruchten Erfindung. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, dieses Erfordernis auf andere technische Aspekte auszudehnen, die möglicherweise mit der Erfindung zusammenhängen (insbesondere in der Beschreibung erwähnte technische Merkmale oder Wirkungen), aber für den Anspruchsgegenstand nicht zwingend erforderlich sind. Für die Beurteilung anderer Erfordernisse des EPÜ (insbesondere Art. 84 und 56 EPÜ) können diese technischen Aspekte jedoch relevant sein.