1. Artikel 123 (2) EPÜ – Erweiterung des Gegenstands
Übersicht
T 3035/19 × View decision
Selections in two or more lists, see points 1.4 and 1.5 of the reasons
T 2327/18 × View decision
Die Streichung eines in einer Anmeldung wie ursprünglich eingereicht ausdrücklich als "Nicht-Teil" der Erfindung offenbarten Disclaimers ist nicht zulässig, wenn die Streichung dazu führt, dass der "Nicht-Teil" teilweise doch beansprucht wird. Die Tatsache, dass es sich bei der Anmeldung um eine Teilanmeldung handelt und dass der Disclaimer patentrechtliche Gründe hatte, ist dabei unerheblich.
T 1598/18 × View decision
A new definition or the re-defining of a known term does not add subject matter, if there is pertinent disclosure in the application as a whole (point 18).
T 2450/17 × View decision
Zur Möglichkeit und den Folgen von Berichtigungen inhaltlich unzutreffender, in der Patentschrift enthaltener Hinweise auf den Stand der Technik, siehe Punkte 2. bis 2.5 und 3.3.3 bis 3.3.6
T 1121/17 × View decision
The criteria set out in the Guidelines for Examination in the European Patent Office (November 2016 update) at paragraph H.IV.3.5, concerning the allowability of amendments under Article 123(3) EPC, are inappropriate for the assessment of compliance with Article 123(2) EPC (see point 1.5.1 of the reasons).
T 1791/16 × View decision
If a claim is ambiguous/unclear, all technically reasonable claim interpretations must be considered. If one of those interpretations contains matter that extends beyond the content of the application as originally filed, it must be concluded that added subject-matter is present (reasons point 11).
T 1621/16 × View decision
1) When fall-back positions for a feature are described in terms of a list of converging alternatives, the choice of a more or less preferred element from such a list should not be treated as an arbitrary selection, because this choice does not lead to a singling out of an invention from among a plurality of distinct options, but simply to a subject-matter based on a more or less restricted version of said feature.
2) A claim amended on the basis of multiple selections from lists of converging alternatives might be considered to meet the requirements of Article 123(2) EPC if: - the subject-matter resulting from the multiple selections is not associated with an undisclosed technical contribution, and - the application as filed includes a pointer to the combination of features resulting from the multiple selections.
T 1127/16 × View decision
(1) With respect to the assessment of compliance with Article 123(2) EPC, the fact that a claim of a patent is to be construed by a mind willing to understand and not a mind desirous of misunderstanding does not mean that the description and the drawings have automatically to be consulted when an "ambiguous" feature (i.e. a feature which at least theoretically allows more than one interpretation) occurs in the claim, or where the claim as a whole includes one or more inconsistencies, to resolve that ambiguity or inconsistency. Rather, the claim should essentially be read and interpreted on its own merits (see points 2.6.1 and 2.6.2 of the Reasons).
(2) As to the issue of an "inescapable trap", see point 4 of the Reasons.
T 886/15 × View decision
The added features cannot be considered to be the deliberate result of technical considerations directed to the solution of the technical problem involved. In the absence of any identified technical purpose justifying the features in question, their selection in a claim is arbitrary (cf. points 16-22).
T 1218/14 × View decision
The requirement in G 1/03 that an accidental novelty-destroying disclosure has to be completely irrelevant for assessing inventive step is to be understood not as an alternative, or additional criterion, but as a consequence of the criterion that, from a technical point of view, said disclosure is so unrelated and remote that the person skilled in the art would never have taken it into consideration when making or working on the invention (points 2 and 7).
In T 1362/15 erklärte die Kammer in einer vorläufigen Stellungnahme, dass die im US-Stil formulierte Abhängigkeit der ursprünglichen Ansprüche (bei der sich die betreffenden abhängigen Ansprüche einzeln auf den unabhängigen Anspruch beziehen) offenbar keine Grundlage für die in Anspruch 10 der Hilfsanträge 2 bis 4 beanspruchte Kombination bildet. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Befassung der Großen Beschwerdekammer mit der Frage, ob es erstens mit Art. 123 (2) EPÜ vereinbar ist, die Merkmale mehrerer abhängiger Ansprüche in einen unabhängigen Anspruch aufzunehmen, wenn die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung einen Anspruchssatz mit Abhängigkeiten im US-Stil sowie eine Ausführungsform enthält, in der die Merkmale des unabhängigen Anspruchs und der abhängigen Ansprüche kombiniert sind; und ob zweitens der Umstand, dass die Ausführungsform möglicherweise zusätzliche Merkmale zeigt, einen Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ zur Folge haben könnte. Die Kammer hielt diese Vorlage unter anderem aus folgenden Gründen nicht für erforderlich: Was die anstehenden Fragen anbelangt, hat die Große Beschwerdekammer die allgemeinen Grundsätze für die Erfordernisse des Art. 123 (2) EPÜ unter anderem in G 2/98 (ABl. EPA 2001, 413) und G 2/10 (ABl. EPA 2012, 376) bereits klar definiert. Demnach muss der Fachmann der Gesamtheit der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - den beanspruchten Gegenstand unmittelbar und eindeutig entnehmen können. Bezüglich der Abhängigkeitsstruktur im US-Stil stellte die Kammer fest, dass es für die möglichen Merkmalskombinationen in den Ansprüchen einer US-Anmeldung keine Beschränkung gibt. Gemäß 35 U.S.C. 112 darf ein mehrfach abhängiger Anspruch nur nicht als Grundlage für andere mehrfach abhängige Ansprüche dienen. Dies ist jedoch keine unüberwindliche Beschränkung. Laut dem Beschwerdeführer sollte ferner, wenn der geänderte Anspruch eine Merkmalskombination mit Merkmalen aus in der ursprünglichen Fassung eingereichten abhängigen Ansprüchen enthalte, die nicht die ursprüngliche Abhängigkeit respektierten, das Vorliegen einer Ausführungsform mit allen kombinierten Merkmalen (wenngleich mit noch mehr Merkmalen) in der Offenbarung ausreichen, um das Erfordernis des Art. 123 (2) EPÜ zu erfüllen; dies sei eine relevante Rechtsfrage, in der die Kammern erheblich voneinander abwichen. Die Kammer analysierte die angeblich voneinander abweichenden Entscheidungen T 2619/11 und T 1414/11 und kam zu dem Schluss, dass beide Entscheidungen auf denselben Kriterien basieren und sich nicht widersprechen.
In T 1218/14 stellte die Kammer die Bedeutung des Kriteriums aus G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) klar, wonach eine zufällig neuheitsschädliche Offenbarung ohne jede Bedeutung für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu sein hat. Die Feststellung, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber D1 als Sekundärdokument erfinderisch ist, bedeutete nicht, dass D1 im Sinne dieses Kriteriums für die erfinderische Tätigkeit ohne Bedeutung war. Das Kriterium ist nicht als Alternative oder zusätzliches Kriterium zu verstehen, sondern als Konsequenz aus dem in G 1/03 und G 1/16 (ABl. EPA 2018, A70) aufgestellten Kriterium, wonach die betreffende Offenbarung – technisch betrachtet – so unerheblich für die beanspruchte Erfindung sein und so weitab von ihr liegen muss, dass der Fachmann sie, als er die Erfindung gemacht oder ausgeführt hat, nicht berücksichtigt hätte.
In G 1/16 (ABl. EPA 2018, A70) bestätigte die Große Beschwerdekammer, dass der nicht offenbarte Disclaimer nicht mit der erfindungsgemäßen Lehre in Zusammenhang stehen darf, und stellte klar, dass die richtige Frage in diesem Kontext nicht lautet, ob ein nicht offenbarter Disclaimer die ursprüngliche technische Lehre quantitativ beschränkt – was unweigerlich der Fall ist –, sondern ob er sie qualitativ dahin gehend ändert, dass sich die Position des Anmelders oder des Patentinhabers in Bezug auf andere Patentierbarkeitserfordernisse verbessert.
In T 660/14 enthielt Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 zwei zusätzliche Merkmale, denen zufolge das Bedien- und das Steuerelement der beanspruchten Fahrradsteuervorrichtung schwenkbar bezüglich nicht gemeinsamer, versetzter Achsen und nicht gemeinsam schwenkbar bezüglich einer der versetzten Achsen waren. Die Kammer befand in Anwendung des Kriteriums aus G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) in der Auslegung durch G 1/16 (ABl. EPA 2018, A70), dass die Disclaimer einen technischen Beitrag zum offenbarten Gegenstand leisteten. In den Ansprüchen 7 und 8 in der ursprünglich eingereichten Fassung waren das Bedien- und das Steuerelement so angeordnet, dass sie schwenkbar bezüglich paralleler und/oder versetzter Achsen waren. Wie in der Beschreibung erwähnt, konnte dies als ergonomischer Vorteil betrachtet werden. Die Kammer schloss daraus, dass die Disclaimer einen technischen Unterschied gegenüber der ursprünglichen Anmeldung in den geänderten Anspruch einführten. Die bezüglich der Achsen schwenkbare Anordnung des Bedien- und des Steuerelements hatte technischen Charakter, nicht zuletzt durch die Offenbarung der ergonomischen Vorteile, woraus die Kammer schloss, dass die Ausklammerung dieser Anordnung ebenfalls technischen Charakter haben musste. Die Kammer befand, dass diese Feststellung auch durch die Überlegung bestätigt wurde, ob eine rein quantitative Änderung der ursprünglichen technischen Lehre eingetreten ist oder ob sich durch die Aufnahme der nicht offenbarten Disclaimer eine qualitative Änderung ergeben hat (G 1/16). Durch Ausklammerung sowohl der gemeinsamen versetzten Achsen als auch des gemeinsamen Schwenkens bezüglich einer der versetzten Achsen waren die ergonomischen Erwägungen der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung geändert worden, was insofern zu einer qualitativen Änderung der ursprünglich offenbarten technischen Lehre führte, als die Position des Patentinhabers im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit verändert wurde.
Mit Verweis auf die Beantwortung ihrer Vorlagefragen zu nicht offenbarten Disclaimern durch die Große Beschwerdekammer in G 1/16 (ABl. EPA 2018, A70) erinnerte die Kammer in T 437/14 daran, dass der korrekte Test für nicht offenbarte Disclaimer der ist, ob die Kriterien aus G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) erfüllt sind. Der Goldstandard-Test gemäß G 2/10 (ABl. EPA 2012, 376) sei nicht der relevante Test. Die Kammer hatte bereits in ihrer Zwischenentscheidung vom 17. Oktober 2016 entschieden, dass die in Anspruch 1 aufgenommenen Disclaimer nicht offenbarte Disclaimer sind, dass sie die Neuheit gegenüber zufälligen Vorwegnahmen nach Art. 54 (2) EPÜ wiederherstellen und dass sie nicht mehr ausklammern als zur Wiederherstellung der Neuheit gegenüber diesen Vorwegnahmen notwendig ist. In der vorliegenden Entscheidung befand die Kammer außerdem, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gab, dass die Disclaimer einen technischen Beitrag leisteten, der zu einer Erweiterung des Gegenstands über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus geführt hätte. Die Kammer stellte insbesondere fest, dass die Einsprechenden keine Beweismittel vorgelegt hätten und sie selbst auch keine erkenne, denen zufolge die Beschränkung des Spektrums der durch die Formel in Anspruch 1 abgedeckten Verbindungen, d. h. die Ausklammerung von sieben konkreten, im Disclaimer definierten Verbindungen, für die Zuerkennung einer erfinderischen Tätigkeit oder die Frage der ausreichenden Offenbarung relevant wäre. Folglich erfüllten die Disclaimer auch die unter Nummer 2.6 und 2.6.1 der Entscheidungsgründe von G 1/03 und im zweiten Absatz der Entscheidungsformel von G 1/16 genannten sonstigen Anforderungen. Zur Wirksamkeit der beanspruchten Priorität und der Neuheit siehe Abschnitt II.D.3.1.
1. Artikel 123 (2) EPÜ – Erweiterung des Gegenstands
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
- T 768/20
- T 3035/19
- T 2327/18
- T 1598/18
- T 2450/17
- T 1121/17
- T 1791/16
- T 1621/16
- T 1127/16
- T 1525/15
- T 1362/15
- T 886/15
- T 1218/14
- Rechtsprechung 2021
- Rechtsprechung 2020
- Rechtsprechung 2019