3. Das Erteilungsstadium des Prüfungsverfahrens
T 646/20 × View decision
Addition of further Designation States after grant (no).
In T 646/20 fand die Kammer keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Prüfungsabteilung verpflichtet wäre, einen Erteilungsbeschluss bis zum Ablauf der viermonatigen Frist aufzuschieben, wenn der Anmelder innerhalb dieser Frist der Erteilung zugestimmt und damit der Prüfungsabteilung erlaubt hat, einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Es wäre ziemlich merkwürdig, wenn die Prüfungsabteilung einen Beschluss für den Fall aufschieben müsste, dass der Anmelder es sich anders überlegt hat. Im vorliegenden Fall erteilte der Anmelder nach Erhalt der Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ seine ausdrückliche Zustimmung, den Erteilungsbeschluss zu erlassen; nach dem Erteilungsbeschluss erklärte der Beschwerdeführer dann jedoch sein Nichteinverständnis und reichte am Tag der geplanten Veröffentlichung des Erteilungsbeschlusses im Europäischen Patentblatt einen Antrag auf Weiterbehandlung ein. Die Kammer unterschied den vorliegenden Fall von T 1/92 (ABl. 1993, 685), in dem es um widersprüchliche Aussagen des Anmelders ging, die dem Erteilungsbeschluss der Prüfungsabteilung vorangingen. Die Kammer im vorliegenden Fall war auch nicht von dem Argument des Beschwerdeführers überzeugt, eine in Reaktion auf eine Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ verschickte Zustimmung könne nicht als Verzicht auf weitere Optionen oder Rechtsbehelfe ausgelegt werden. Jedes Einverständnis mit der Fassung eines Patents bedeutet einen Verzicht auf die verbleibende unendliche Zahl von Fassungen, in denen ein Patent erteilt werden könnte. Die Kammer stellte in ihrem Orientierungssatz fest, dass nach der Erteilung keine weiteren Mitgliedstaaten benannt werden können. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung G 1/10 (ABl. 2013, 194) kam die Kammer zu dem Schluss, dass das Patent in der erteilten Fassung im Interesse der Rechtssicherheit nicht mehr geändert werden darf und dass dem Anmelder "angemessene Mittel zur Verfügung standen", um im Vorfeld Abhilfe zu schaffen. Nach Auffassung der Kammer oblag es dem Anmelder, die vollständige Akte zu überprüfen, um alle Unstimmigkeiten zu erkennen, auf die er gegebenenfalls aufmerksam machen wollte. Unstimmigkeiten, die die Fassung und die benannten Mitgliedstaaten in der Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ betreffen und nicht in Erwiderung darauf beanstandet wurden, sind als vom Anmelder gebilligt zu betrachten.
3.6. Änderungen nach dem Erteilungsbeschluss
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In T 798/95 wurde der Erteilungsbeschluss für ein europäisches Patent von der Formalprüfungsstelle der Prüfungsabteilung bei der internen Poststelle des EPA zur Zustellung abgegeben. Der Antrag auf Änderung der Anmeldung gemäß R. 86 (3) EPÜ 1973 wurde um 18.47 Uhr des gleichen Tages eingereicht, das heißt nach Abschluss des Verfahrens. Unter Hinweis auf die Entscheidung G 12/91 (ABl. 1994, 285) entschied die Kammer, dass ein Änderungsantrag nach R. 86 (3) EPÜ 1973, der eingereicht wird, nachdem das Verfahren vor der Prüfungsabteilung durch einen Erteilungsbeschluss beendet wurde, auch dann unberücksichtigt bleiben muss, wenn die Antragstellung und der Abschluss des Verfahrens am selben Tag erfolgen. S. auch Richtlinien H‑II, 2.6 – Stand November 2018.