4. Bestimmung des Inhalts des relevanten Stands der Technik
Übersicht
T 1599/18 × View decision
Lack of novelty (see point 14): there is no need that a prior art document explicitly mentions the claimed features. It is necessary and sufficient that an embodiment falling under the claim scope be directly and unambiguously derivable from the prior art document. That an alternative exists does not change this: it is possible that multiple alternatives can be considered directly und unambiguously derivable, even when none is explicitly mentioned. Right to be heard (see points 18 and 29): the right to be heard does not entail a right to an amendment, but a right to present comments on why a specific request should be admitted to the proceedings.
T 2117/17 × View decision
a) Besonders strenge Bedingungen sind an ein verspätetes Vorbringen einer offenkundigen Vorbenutzung geknüpft, insbesondere dann, wenn die Vorbenutzung durch die Verfahrensbeteiligten selbst erfolgt sein soll. Gerade in einem solchen Fall wäre von der Einsprechenden zu erwarten gewesen, Informationen über die eigenen Produkte schon vor der Einspruchsabteilung vorzubringen, um eine Zurückverweisung zu vermeiden (Punkt 4.2.8).
b) Obwohl zwar die Verfahrensschritte als solche in einem Vorrichtungsanspruch nicht unmittelbar Teil des Schutzumfangs sind, versteht die Fachperson aber, dass die Vorrichtung dazu eingerichtet sein muss, die Verfahrensschritte auszuführen (Punkt 5.2.3).
In T 1456/14 betraf das Streitpatent ein Saugreinigungsgerät mit einem Filter. Anspruch 1 war auf ein Verhältnis zwischen der Gesamtlänge und der Fläche gerichtet. Die Kammer stellte fest, dass die fehlende Offenbarung der Gesamtlänge in D14 für die Frage der Neuheit solange unerheblich sei, wie gezeigt werden könne, dass das fragliche Verhältnis in D14 vorhanden sei, und zwar zweifellos. Der Beweis, dass das so war, könne auch durch den Nachweis erfolgen, dass bereits ein kleinerer, und von der Vorrichtung in D14 unvermeidlich übertroffener Zahlenwert das beanspruchte Verhältnis erfülle, sodass auch die Vorrichtung in D14 unvermeidlich dieses Verhältnis aufweisen müsse. Das Vorhandensein eines impliziten (oder auch expliziten) Vorrichtungsmerkmals in einer bekannten Vorrichtung sei keine Frage der Wahrscheinlichkeit, ob die Aufmerksamkeit des Fachmanns genau auf dieses Merkmal gelenkt wurde oder nicht, sondern ob die Entgegenhaltung das Merkmal rein objektiv verwirkliche. Das Kriterium der "unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung" setze nicht voraus, dass der Fachmann auch ohne Kenntnis des Patents das Merkmal erkennen muss, sondern dass die Prüfung der Offenbarung zwar mit den Augen und dem Verständnis des Fachmanns, aber von einem Organ des EPA und bewusst gezielt, in voller Kenntnis des zu identifizierenden Merkmals durchgeführt werde. Eine solche Betrachtung stelle keine unzulässige Berücksichtigung von Äquivalenten dar.
4. Bestimmung des Inhalts des relevanten Stands der Technik
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nachdem festgestellt worden ist, welche Information zum Stand der Technik gehört, ist es erforderlich, festzustellen, welchen technischen Inhalt sie hat und ob der technische Inhalt nachvollziehbar ist.
Die Rechtsprechung ist einheitlich der Auffassung, dass, um auf fehlende Neuheit erkennen zu können, sich der Gegenstand der Erfindung klar, eindeutig und unmittelbar aus dem Stand der Technik ergeben muss (vgl. u. a. T 465/92, ABl. 1996, 32; T 511/92) und dass alle und nicht nur die wesentlichen Merkmale aus dem Stand der Technik bekannt sein müssen (T 411/98). Dabei ist der Maßstab für den Offenbarungsgehalt einer Veröffentlichung, was vom Durchschnittsfachmann auf dem entsprechenden Fachgebiet an Kenntnissen und Verständnis erwartet werden kann und darf (T 164/92, ABl. 1995, 305, Korr. 387; T 582/93).