7.2. Ermessensausübung bei Zurückverweisung
7.2.1 Kein absoluter Anspruch auf Entscheidung einer Frage in zwei Instanzen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern besteht kein grundsätzliches Recht der Parteien auf die Prüfung eines Sachverhalts in zwei Instanzen. Danach hat ein Verfahrensbeteiligter keinen absoluten Anspruch darauf, dass jede einzelne Frage von zwei Instanzen geprüft wird, denn Art. 111 (1) Satz 2 EPÜ stellt es in das Ermessen der Kammer, bei ihrer Entscheidung über die Beschwerde entweder im Rahmen der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Organs tätig zu werden oder die Angelegenheit an dieses Organ zurückzuverweisen (R 9/10, T 83/97, T 133/87, T 557/94, T 402/01 vom 21. Februar 2005 date: 2005-02-21, T 399/04, T 1252/05, T 1363/10). Dabei sind die Umstände des Falles zu würdigen, wobei u. a. auch der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie eine Rolle spielt (T 392/89 vom 3. Juli 1990 date: 1990-07-03, T 1376/07, T 1253/09, T 2266/13). Es ist unbestritten, dass jeder Beteiligte nach Möglichkeit die Gelegenheit erhalten sollte, die wichtigen Bestandteile eines Falls in zwei Instanzen prüfen zu lassen (T 1084/03, T 1907/06, T 286/09).
Die Beschwerde dient in erster Linie der Überprüfung, ob die Entscheidung der erstinstanzlichen Abteilung richtig war. Eine Sache wird deshalb in der Regel zurückverwiesen, wenn wesentliche Fragen zur Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstands von der erstinstanzlichen Abteilung noch nicht geprüft und entschieden wurden (s. z. B. T 1026/02, T 2023/07, T 1444/13). Die Kammer kann jedoch aus Gründen der Verfahrensökonomie über den Fall entscheiden, auch wenn ein maßgeblicher Punkt von der erstinstanzlichen Abteilung nicht behandelt wurde (T 942/07, T 1376/07). Dies gilt auch dann, wenn das Patent infolgedessen erstmals von der Beschwerdekammer widerrufen wird (s. z. B. T 557/94; G 1/97, ABl. 2000, 322; T 839/05).