2.2. Formanforderungen an den Einspruch und fristgerechte Einlegung
2.2.4 Identität des Einsprechenden und Berichtigung der Namensangabe
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nach R. 76 (2) a) EPÜ und R. 41 (2) c) EPÜ muss die Einspruchsschrift den Namen, die Anschrift, die Staatsangehörigkeit und den Staat des Wohnsitzes oder Sitzes des Einsprechenden enthalten. R. 41 (2) c) EPÜ regelt die Einzelheiten der Feststellung der Identität. Steht die Identität eines Einsprechenden bis zum Ablauf der Einspruchsfrist nicht fest, so ist der Einspruch unzulässig (T 25/85, ABl. 1986, 81). Laut T 590/94 kann dieser Mangel nicht behoben werden. Unter Verweis auf die Begründung in G 1/12 (zur Berichtigung der Bezeichnung des Beschwerdeführers) befand die Kammer in T 615/14 hingegen, dass einem Antrag auf Berichtigung der Bezeichnung des Einsprechenden in der Einspruchsschrift nach R. 139 Satz 1 EPÜ stattzugeben ist, wenn dieser Antrag den in G 1/12 bestätigten Grundsätzen entspricht. Die ursprüngliche Absicht zum Zeitpunkt der Einspruchseinlegung kann auch anhand von nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Beweismitteln festgestellt werden. S. auch die Zusammenfassungen von T 615/14 und T 579/16 nachstehend in diesem Kapitel.
In T 870/92 vom 8. August 1997 date: 1997-08-08 ob die Kammer hervor, wenn die Angabe des Namens bei einer juristischen Person nicht voll der amtlichen Bezeichnung entspreche (R. 26 (2) c) EPÜ 1973 EPÜ 1973 und R. R. 61a EPÜ 1973; R. 41 (2) c) und R. 86 EPÜ), bedeute dies noch nicht, dass der Einspruch unzulässig sei. Eine unrichtige, aber zur Feststellung der Identität der Partei ausreichende Angabe sei von dem Fehlen derartiger Angaben zu unterscheiden. Die fehlerhafte Namensangabe sei jederzeit zu berichtigen (R. 88 Satz 1 EPÜ 1973; R. 139 Satz 1 EPÜ; s. auch T 828/98 und T 719/09).
Grundsätzlich führt die Verwendung einer Abkürzung statt des vollen Namens einer juristischen Person nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs, solange sich die Identität der Partei feststellen lässt. In T 1034/08 bestanden für die Kammer hinsichtlich der Identität des Einsprechenden GSK Biologicals mit Sitz in Belgien keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Abkürzung GSK für GlaxoSmithKline stand. Da das belgische Gesellschaftsrecht es erlaubt, parallel mehr als einen Namen für eine Gesellschaft zu führen, und da GlaxoSmithKline Biologicals der einzige Hauptname der Gesellschaft war, stellte die Kammer fest, dass die Abkürzung GSK Biologicals keine unzulässige Bezeichnung für den Einsprechenden sei.
Weitere Mängel wie eine falsche Postleitzahl oder eine fehlende Unterschrift lassen sich unter R. 76 (2) a) EPÜ bzw. R. 50 (3) EPÜ subsumieren und können daher innerhalb einer von der Einspruchsabteilung gemäß R. 77 (2) EPÜ gesetzten Frist geheilt werden. Die Einspruchsabteilung kann diese Frist auch verlängern oder eine neue Frist setzen, wenn sie dies für angemessen hält (T 1632/06, T 244/12).
In T 1165/03 betrachtete die Kammer einen Ausweis oder Pass als besten Identitätsnachweis, allerdings mit der für alle Nachweise geltenden Einschränkung, dass er durch andere Beweismittel abgeschwächt oder sogar entwertet werden kann. In diesem Fall waren zwei teilweise unleserliche Fotokopien verschiedener Ausweise sowie widersprüchliche Erklärungen vorgelegt worden. Aus diesen Gründen bewertete die Kammer den Identitätsnachweis als inhärent unzuverlässig und nicht beweiskräftig.
Das Vorbringen von Zweifeln an der Identität einer einsprechenden Partei genügt nicht, um die Zulässigkeit des Einspruchs zu verneinen, sondern es bedarf eines mit stichhaltigen Beweisen unterlegten Sachvortrags. An diesem mangelte es in T 4/05. Ein Handelsregisterauszug, der laut Vortrag des Beschwerdeführers während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einen anderen Firmennamen aufweist, wurde nicht eingereicht und konnte daher nicht als Beleg für eine unklare Identität des Einsprechenden herangezogen werden. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass unter der gleichen Postfachanschrift wie die Einsprechende zwei weitere Firmen firmierten, ging ebenfalls fehl, da diese schlichte Feststellung keinerlei Auswirkung auf die Parteistellung des eindeutig identifizierten Einsprechenden im Verfahren haben konnte.
In T 1426/13 war der Einspruch im Namen der "Isarpatent GbR" eingelegt worden. Die Kammer stellte fest, dass die fehlende amtliche Eintragung einer GbR ("Gesellschaft bürgerlichen Rechts") zu bestimmten Zeitpunkten zu Unsicherheit oder gar zu Verwirrung hinsichtlich des Namens und/oder der Identität einer GbR beitragen kann. Das EPA muss gleichwohl akzeptieren, dass derartige nicht eingetragene juristische Personen Beteiligte an Verfahren vor dem EPA sein können. Entsprechende Nachweise sind gemäß dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu bewerten (z. B. T 482/89, ABl. 1992, 646). Aufgrund der vorgelegten Dokumente gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass vor Einlegung des Einspruchs eine Namensänderung erfolgt war und dass niemand anders als die Isarpatent GbR der Einsprechende sein konnte. Auch Änderungen der Zusammensetzung der GbR nach der Einspruchseinlegung standen der Zulässigkeit des Einspruchs nicht entgegen. Eine GbR kann für ihre Verpflichtungen haftbar gemacht werden, einschließlich der Verfahrenskosten, die einem anderen Beteiligten am Einspruchsverfahren vor dem EPA zugesprochen werden können. Daher ist es nicht notwendig, die einzelnen Mitglieder zu ermitteln (in Abgrenzung zu T 482/02 vom 9. Februar 2005 date: 2005-02-09).
Gemäß T 1551/10 ist es für die Zulässigkeit eines Einspruchs erforderlich, dass der Einsprechende mit Ablauf der Einspruchsfrist identifizierbar ist (T 25/85, ABl. 1986, 81). Ist dies der Fall, können falsche Angaben berichtigt werden (T 219/86, ABl. 1988, 254; T 870/92 date: 1997-08-08). Die Swisscom (Schweiz) AG war, wie aus den vorgelegten Handelsregister-auszügen ersichtlich, – zunächst unter ihrem früheren Namen Swisscom Fixnet AG, später unter ihrem jetzigen Namen – die (alleinige) Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglich als Einsprechende genannten Swisscom Mobile AG, die jedoch bereits vor Einlegung des Einspruchs im Handelsregister gelöscht worden war. Es ist nicht anderweitig ersichtlich, dass Teile des Geschäftsbetriebs der Swisscom Mobile AG von einer anderen Rechtsperson übernommen worden sind. Daher war die Swisscom (Schweiz) AG unter ihrem früheren Namen Swisscom Fixnet AG bzw. unter ihrem jetzigen Namen mit Ablauf der Einspruchsfrist als Einsprechende erkennbar und eindeutig identifizierbar. Prozessuale Erklärungen, die unrichtigerweise im Namen einer bereits verstorbenen Partei oder einer infolge Fusion nicht mehr existenten juristischen Person abgegeben werden, können als im Namen des jeweiligen Gesamtrechtsnachfolgers abgegeben angesehen werden (T 15/01, ABl. 2006, 153). Aus diesen Gründen konnte die unrichtige Bezeichnung der Einsprechenden gemäß R. 139 EPÜ korrigiert werden. S. jedoch T 1226/13, wo die Kammer zusätzliche Belege hinsichtlich der wirklichen Absicht der Person gefordert hatte, für die die Einspruchsschrift eingereicht worden war.
Die Kammer wies in T 1269/11 darauf hin, dass sowohl R. 77 EPÜ als auch R. 139 EPÜ zur Berichtigung irrtümlicher Falschangaben bei der Bezeichnung des Einsprechenden (Beschwerdegegners) im Einspruchsschriftsatz grundsätzlich zur Verfügung stehen (in Analogie zu G 1/12, ABl. 2014, A114 zur Berichtigung einer fehlerhaften Bezeichnung des Beschwerdeführers, zusammengefasst in Kapitel V.A.2.5.2 a)). Im vorliegenden Fall lagen jedoch keine ausreichenden Beweise vor, sodass eine Berichtigung nicht zugelassen werden konnte.
Die Anwendbarkeit von R. 139 EPÜ auf die Berichtigung des Namens des Einsprechenden wurde (unabhängig von der Frage der Identifizierbarkeit des Einsprechenden, die nicht erörtert wurde) in T 615/14 mit folgender Maßgabe bestätigt: Einem Antrag auf Berichtigung der Bezeichnung des Einsprechenden in der Einspruchsschrift ist nach Regel 139 Satz 1 EPÜ stattzugeben, wenn dieser Antrag den in G 1/12 (ABl. 2014, A114) bestätigten Grundsätzen entspricht, d. h. insbesondere die ursprüngliche Absicht bei der Einspruchseinlegung widerspiegelt und nicht die Durchsetzung neuer Vorstellungen nach einem Sinneswandel oder weiter ausgestalteter Pläne ermöglichen soll, und wenn dies der wirklichen und nicht der vorgeblichen Absicht des Beteiligten entspricht. Die ursprüngliche Absicht zum Zeitpunkt der Einspruchseinlegung kann auch anhand von nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Beweismitteln festgestellt werden. S. auch T 603/15 sowie T 1226/13, in der (unter Hinweis auf G 1/12, ABl. 2014, A114 und J 8/80, ABl. 1980, 293) auf die hohen Anforderungen an die Beweislast hingewiesen wurde.
In T 2254/14 prüfte die Kammer zunächst, ob die Einsprechende am Ende der Einspruchsfrist ausreichend identifizierbar war. Da aber der auf dem Formblatt EPA 2300 angegebene Handelsname einer anderen Rechtsperson zugeordnet werden konnte, als der in der Einspruchsbegründung genannten Rechtsperson, enthielt die Einspruchsschrift widersprüchliche Angaben zur Person der Einsprechenden. Mit Verweis auf G 1/12 (ABl. 2014, A114) bejahte die Kammer aber die Möglichkeit einer Berichtigung nach R. 139 EPÜ. Die in der Entscheidung G 1/12, insbesondere Nr. 37 der Gründe, dargelegten Kriterien sah die Kammer als erfüllt an.
Auch in T 579/16 stellte die Kammer zunächst fest, dass die Identität der Einsprechenden aus den bis zum Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegten Dokumenten nicht eindeutig feststellbar sei. Sie bestätigte aber die Möglichkeit, die Bezeichnung der Einsprechenden gemäß R. 139 Satz 1 EPÜ unter Berücksichtigung der in G 1/12 (ABl. 2014, A114) genannten Grundsätze zu berichtigen. Das Erfordernis der "Unverzüglichkeit" des Berichtigungsantrags legte die Kammer unter Hinweis auf § 121 (1) des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs als "ohne schuldhaftes Zögern" aus. Demnach komme es nicht auf die objektive, sondern auf die subjektive Zumutbarkeit des alsbaldigen Handelns an. Es komme also neben den nach der Entscheidung J 16/08 zu berücksichtigenden Einzelfallumständen auf die Kenntnisse und persönliche Sichtweise des zum Handeln Verpflichteten an. Im betreffenden Fall bejahte die Kammer die Unverzüglichkeit. In T 603/15 hingegen wurde der Berichtigungsantrag abgelehnt, weil die in Nummer 37 der Gründe von G 1/12 genannte Bedingung d nicht erfüllt war.
Dieser Ansatz wurde auch in T 1755/14 verfolgt, wo die Einheit, in deren Namen der Einspruch eingelegt worden war, vor der Einspruchseinlegung aufgehört hatte zu existieren, sodass keine Einsprechendenstellung erlangt wurde, die hätte übertragen werden können. Die Kammer gab jedoch dem Antrag auf Berichtigung des Fehlers statt und verwies – unter Bezugnahme auf G 1/12 (Nr. 37 der Gründe) – auf die für eine Berichtigung nach R. 139 Satz 1 EPÜ geltenden Grundsätze, nämlich insbesondere, dass i) die Berichtigung der ursprünglichen Absicht entsprechen muss, ii) der Antragsteller die Beweislast trägt, an die hohe Anforderungen gestellt werden, und iii) der Berichtigungsantrag unverzüglich gestellt werden muss. Die ursprüngliche Absicht war nach Auffassung der Kammer, den Einspruch im Namen des Gesamtrechtsnachfolgers der als Einsprechende genannten Einheit einzulegen. Die übrigen Bedingungen sah die Kammer als erfüllt an.