L. Berichtigung von Fehlern in Entscheidungen
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T 2081/16 × View decision
Rule 71(5) EPC only applies where the text intended for grant has been communicated to the applicant according to Rule 71(3) EPC (see Reasons 1.4). Differentiation from G 0001/10 (see Reasons 3).
In T 2081/16 machte die Kammer einen Unterschied zwischen dem vorliegenden Fall, in dem das Patent nicht auf der Grundlage von Unterlagen erteilt wurde, die der Anmelder gebilligt hatte, und G 1/10 (ABl. EPA 2013, 194). Ein Erteilungsbeschluss gemäß Art. 97 (1) EPÜ auf der Grundlage einer Anmeldung in einer Fassung, die dem Anmelder weder vorgelegt noch von ihm gebilligt wurde, wie hier der Fall, verstößt gegen Art. 113 (2) EPÜ. Wenn die zur Erteilung vorgesehene Fassung dem Anmelder nicht nach R. 71 (3) EPÜ mitgeteilt wird, ist die Tatsache, dass der Anmelder anschließend eine Übersetzung einreicht und die Erteilungs- und Veröffentlichungsgebühr entrichtet, nicht entscheidend. R. 71 (5) EPÜ verweist diesbezüglich auf R. 71 (3) EPÜ und setzt somit voraus, dass dem Anmelder nicht irgendeine Fassung mitgeteilt wurde, sondern die zur Erteilung vorgesehene (Hervorhebung durch die Kammer). Nur in diesem Fall greift R. 71 (5) EPÜ, und nur dann implizieren die Einreichung einer Übersetzung und die Zahlung der erforderlichen Gebühren das Einverständnis mit der mitgeteilten Fassung. Im Zuge ihrer Entscheidung stellte die Kammer fest, dass sie nicht von G 1/10 abgewichen sei und somit Art. 21 VOBK 2007 nicht zur Anwendung komme. In G 1/10 befand die Große Beschwerdekammer, dass R. 140 EPÜ nicht zur Verfügung steht, um die Fassung eines Patents zu berichtigen. Um diese Frage ging es in der vorliegenden Sache nicht. Hier gab es keine vom Anmelder gebilligte Fassung. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich grundlegend von dem Versuch, Fehler in geänderten Ansprüchen, die von einem Anmelder eingeführt wurden, der Prüfungsabteilung anzulasten, "indem man unterstellt, sie habe einen Beschluss, der exakt den vom Anmelder genehmigten Wortlaut beinhaltet, gar nicht fassen wollen –, damit der von niemand anderem als dem Anmelder selbst zu verantwortende Fehler in den Geltungsbereich der Regel 140 EPÜ fällt", wie die Große Beschwerdekammer in G 1/10 feststellte (s. Nr. 11 der Gründe).
In T 1003/19 hatte der Beschwerdeführer nicht beantragt, ein Patent mit anderen als den sieben ursprünglich eingereichten und veröffentlichten Zeichnungsblättern zu erteilen. In der Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ wurde allerdings nur auf "Zeichnungen, Blätter 1/1 in der veröffentlichten Fassung" Bezug genommen. Die Kammer befand, dass die angefochtene Entscheidung nicht Art. 113 (2) EPÜ entsprach und der Prüfungsabteilung ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen war. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde allerdings zurückgewiesen; der Fehler war zwar der Prüfungsabteilung unterlaufen, der Beschwerdeführer hatte aber mehrmals die Möglichkeit, den Fehler zu bemerken, und hätte ihn spätestens beim Vergleich des Textes der Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ mit dem Druckexemplar bemerken können und müssen. Im Rahmen ihrer Entscheidung stellte die Kammer fest, dass die in R. 71 (5) EPÜ vorgesehene Folge – "Wenn der Anmelder …, gilt dies als Einverständnis mit der ihm nach Absatz 3 mitgeteilten Fassung" – nur dann Anwendung findet, wenn dem Anmelder gemäß R. 71 (3) EPÜ "die Fassung, in der sie [d. h. die Prüfungsabteilung] das europäische Patent zu erteilen beabsichtigt" mitgeteilt worden sei. Die Bedeutung des Wortes "Fassung" ist nicht auf schriftliche Informationen beschränkt, sondern kann auch visuelle Informationen umfassen, wie R. 73 (1) EPÜ zu entnehmen ist: "Die europäische Patentschrift enthält die Beschreibung, die Patentansprüche und gegebenenfalls die Zeichnungen." Mit Verweis auf die vorliegende Sache erklärte die Kammer weiter, dass das EPA von sich aus kleinere Änderungen vorschlagen könne, von einem Anmelder aber nicht zu erwarten sei, dass dieser die Entfernung aller Zeichnungsblätter mit den Ausführungsarten der Erfindung akzeptiert. Die Kammer erklärte, dass sie nicht von der Entscheidung G 1/10 abgewichen sei, die sich auf das Erfordernis der R. 71 (3) EPÜ gestützt hatte, wonach dem Anmelder die Fassung mitgeteilt werden muss, in der die Prüfungsabteilung das Patent zu erteilen beabsichtigt (s. Nr. 10 der Entscheidungsgründe), und in der es um die möglichen Reaktionen des Anmelders ging, wie etwa das implizite Einverständnis mit dieser Fassung. Die Entscheidung der mit der vorliegenden Sache befassten Kammer stützte sich dagegen auf die Tatsache, dass die von der Prüfungsabteilung für die Erteilung beabsichtigte Fassung dem Anmelder – nachweislich – nicht mitgeteilt worden war und R. 71 (5) EPÜ daher (zu jenem Zeitpunkt) nicht anwendbar war. Somit gab es keine Fassung, mit der der Anmelder sein Einverständnis erklärt hatte.
L. Berichtigung von Fehlern in Entscheidungen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |