T 16/14 × View decision
Siehe Punkte 2. und 3.
In T 16/14 enthielt die Beschwerdebegründung hinsichtlich der Relevanz der Dokumente E1/E1a bzw. E2/E2a bezüglich der Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lediglich einen Verweis auf die Einspruchsschrift sowie auf die erstinstanzlichen Schriftsätze des Beschwerdeführers, d. h. auf das ganze schriftliche Vorbringen der Einsprechenden im erstinstanzlichen Verfahren. Gemäß Art. 12 (2) VOBK 2007 muss die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Ferner sollen alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel ausdrücklich und spezifisch angegeben werden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass eine Begründung, die pauschal auf ein in der ersten Instanz vorgelegtes Vorbringen verweist, prinzipiell nicht ausreichend ist. Eine ausdrückliche substantielle Auseinandersetzung seitens des Beschwerdeführers mit den Dokumenten E1/E1a und E2/E2a wäre in der Beschwerdebegründung angebracht gewesen. Die Kammer gelangte daher zu dem Schluss, dass die Erfordernisse des Art. 12 (2) VOBK 2007 durch den bloßen Verweis auf den erstinstanzlichen Vortrag im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren, und das Vorbringen hinsichtlich der Dokumente E1/E1a und E2/E2a gemäß Art. 12 (4) VOBK 2007 daher nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen war.
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
In zahlreichen Entscheidungen wurde eine Begründung, die pauschal auf ein in der ersten Instanz vorgelegtes Vorbringen verwies, prinzipiell als nicht ausreichend im Sinne von Art. 108 Satz 3 EPÜ angesehen (vgl. T 254/88; T 432/88; T 534/89; T 90/90; T 154/90, ABl. 1993, 505; T 287/90; T 188/92; T 646/92; T 473/09; T 47/12; T 450/13).
In T 1311/13 erklärte die Kammer, dass ein bloßer Verweis auf früheres Vorbingen eines Beteiligten und/oder die wörtliche Wiederholung der in diesem Vorbingen enthaltenen Argumente ("Cut-and-paste-Begründung"), einschließlich des Vorbringens oder der Argumente aus der mündlichen Einspruchsverhandlung, ohne sich wirklich mit den von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen zu befassen oder auf diese zu einzugehen, als Beschwerdebegründung nicht ausreicht.
In T 432/88 wurde in der eingereichten Beschwerde nur allgemein auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im vorangehenden Einspruchsverfahren verwiesen; damit lief die Beschwerde auf die bloße Behauptung hinaus, dass die angefochtene Entscheidung nicht richtig sei, ohne die rechtlichen oder tatsächlichen Gründe zu nennen, aus denen die Entscheidung aufgehoben werden sollte. Damit hatte es der Beschwerdeführer ganz der Kammer und dem Beschwerdegegner überlassen, Mutmaßungen darüber anzustellen, inwiefern der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung als fehlerhaft ansehen könnte. Genau dies soll das Erfordernis der Einreichung einer Beschwerdebegründung verhindern. Dieser Entscheidung wurde in der Entscheidung T 534/89 gefolgt, in der die Kammer darauf hinwies, dass es dem Beschwerdegegner andernfalls unmöglich wäre, sein Vorbringen vorzubereiten, und die Kammer an einer effizienten Führung des Beschwerdeverfahrens gehindert wäre.
Der Verweis auf das eigene Vorbringen in der ersten Instanz kann die explizite Angabe der rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Beschwerde in der Regel nicht ersetzen. Die Rechtsprechung hat solche Beschwerdebegründungen auch nur in Ausnahmefällen zugelassen. In der Regel lässt ein Verweis auf früheres Vorbringen, selbst in Zusammenschau mit der angegriffenen Entscheidung, nicht unmittelbar erkennen, welche der tragenden Gründe der Entscheidung fehlerhaft sein sollen und aufgrund welcher Überlegungen dies der Fall sein soll. Die Kammer und die Gegenpartei sind dann ohne eigene Ermittlungen nicht in der Lage, die Beschwerde auf ihre Begründetheit hin zu prüfen (T 349/00). S. auch T 165/00, wo die einschlägige Rechtsprechung revidiert wurde. Der Ansicht des Beschwerdeführeris, dass der Verweis auf einen im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz im Beschwerdeverfahren als Neueinreichung desselben auszulegen und damit eine Beschwerde genügend begründet sei, konnte von der Beschwerdekammer nicht gefolgt werden. Sie stehe im Widerspruch zu dem in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern betonten Grundsatz, wonach in der Beschwerdebegründung darzulegen ist, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Beschwerde stattgegeben werden sollte, und es nicht genüge, unter Hinweis auf die unterschiedliche Auffassung zur Vorinstanz auf eine erneute Überprüfung des vorinstanzlich negativ bewerteten Patentierungskriteriums hinzuwirken (vgl. T 220/83, ABl. 1986, 249; T 213/85, ABl. 1987, 482; T 145/88, ABl. 1991, 251; T 1462/08; T 2077/11).
Eine Beschwerdebegründung, die identisch oder fast identisch mit der Einspruchsschrift ist, kann in der Regel keine Argumente dafür enthalten, warum die angefochtene Entscheidung falsch ist (T 2077/11, T 39/12, T 123/15 vom 21. Dezember 2016 date: 2016-12-21).
Einige wenige Entscheidungen erkennen die pauschale Verweisung auf ein Vorbringen in der ersten Instanz als mögliche Begründung für eine zulässige Beschwerde an (T 355/86, T 140/88, T 216/10), wobei es sich allerdings um spezielle Fälle handelt, in denen sich das Vorbringen in der Vorinstanz bereits in ausreichendem Maß mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzte.
In T 725/89 wurde ein vor der Absendung der angefochtenen Entscheidung an die Einspruchsabteilung gerichteter Schriftsatz, der zum Ergebnis der der Entscheidung unmittelbar vorausgehenden mündlichen Verhandlung Stellung bezog, als zulässige Beschwerdebegründung angesehen, obwohl in der Beschwerdebegründung selbst nur pauschal auf diesen Schriftsatz verwiesen wurde.