T 1473/13 × View decision
1. Discussion of a possible general principle for staying proceedings before the EPO boards of appeal beyond Rules 14 / 78 EPC and Article 112(3) EPC, together with the associated case law.
2. The appellant has not stated a case for a stay. It has not shown, in particular, that a decision by the German Federal Constitutional Court ("Bundesverfassungsgericht") on pending constitutional complaints ("Verfassungsbeschwerden") against certain decisions of the Boards of Appeal and the Enlarged Board of Appeal claiming "insufficient judicial relief at the EPO against a decision of the Boards of Appeal" could possibly have an impact on unrelated proceedings that are pending before the boards, such as the present proceedings.
J 14/19 × View decision
1.) Der Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens nach Regel 14 (1) EPÜ muss während eines anhängigen Erteilungsverfahrens und somit vor Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt erfolgen. Beweismittel, die erst nach diesem Zeitpunkt eingereicht werden, dürfen vom Europäischen Patentamt hierfür nicht berücksichtigt werden (Nr. 4.3 der Gründe).
2.)Die Frage zu welchem Zeitpunkt ein nationales Verfahren im Sinne der Regel 14 (1) EPÜ i.V.m. Artikel 61 (1) EPÜ als eingeleitet gilt, ist nach dem Verfahrensrecht jenes Staates zu beurteilen, dessen Gerichte zum Treffen einer Entscheidung im Sinne des Artikels 61 (1) EPÜ angerufen wurden (Nr. 6.1 und 6.2 der Gründe).
3.) Bei der Anwendung fremden Rechtes muss das Europäische Patentamt dieses, soweit möglich, im Gesamtzusammenhang der fremden Rechtsordnung anwenden. Dabei ist das Europäische Patentamt als von staatlichen Behörden und Gerichten unabhängige internationale Organisation nicht an die Rechtsprechung nationaler Gerichte zur Auslegung der anzuwendenden fremden Rechtsnorm gebunden. Sofern dem Europäischen Patentamt bekannt, sollte insbesondere höchstgerichtliche nationale Rechtsprechung bei der Entscheidungsfindung jedoch berücksichtigt und gewürdigt werden(Nr. 6.5 der Gründe).
4.) Fragen des Rechtsmissbrauchs stellen sich auch in den Verfahren vor dem Europäischen Patentamt (siehe etwa Artikel 16 (1) e) VOBK 2020). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen sind derartige Fragen vom Europäischen Patentamt auch im Rahmen des Aussetzungsverfahrens autonom, also unabhängig von nationalen Rechtsordnungen zu beurteilen (Nr. 6.22 der Gründe).
5.) Die zweckwidrige Inanspruchnahme eines Rechtes kann unter Umständen Rechtsmissbrauch begründen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtsausübung überwiegend in Schädigungsabsicht erfolgt und andere, legitime Zwecke in den Hintergrund treten. Rechtsmissbrauch muss zweifelsfrei vorliegen und erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der Einzelumstände. Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft (Nr. 13.1 der Gründe).
3.1.2 Einleitung eines Verfahrens bei einem nationalen Gericht
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Nach T 146/82 date: 1985-05-29 (ABl. 1985, 267) muss die Aussetzung angeordnet werden, wenn ein Dritter dem EPA nachweist, dass er bei einem nationalen Gericht ein rechtserhebliches Verfahren eingeleitet hat, sofern die europäische Patentanmeldung nicht zurückgenommen worden ist oder als zurückgenommen gilt.
In J 6/03 stellte die juristische Kammer fest, dass sich R. 13 (1) EPÜ 1973 auf Verfahren bezieht, die unmittelbar, d. h. generell und automatisch, in die in Art. 61 (1) EPÜ 1973 genannten Entscheidungen münden. Die Bestimmung war daher nicht auf Entscheidungen der Gerichte von Drittstaaten (im vorliegenden Fall Kanada) anwendbar.
Nach J 36/97 darf weder die Zuständigkeit des nationalen Gerichts, dessen Entscheidung anerkannt werden solle, noch die Gesetzmäßigkeit dieser Entscheidung von den Beschwerdekammern nachgeprüft werden (s. auch J 8/96 und J 10/02). Auch die Frage wann und womit in einem Vertragsstaat ein rechtsrelevantes Zivilprozessverfahren in Gang gesetzt wird richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht (J 7/00).
In J 9/06 stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass gemäß G 3/92 (ABl. 1994, 607) allein die Gerichte der Vertragsstaaten zuständig sind, über Klagen auf Zuerkennung des Anspruchs auf Erteilung eines europäischen Patents zu entscheiden. Das EPA hat weder die Möglichkeit noch die Aufgabe, bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß R. 13 EPÜ 1973 zu prüfen, ob der Gegenstand einer europäischen Patentanmeldung, für die die Aussetzung beantragt wird, der Offenbarung einer anderen Anmeldung entspricht, deren Inhaberschaft vor einem nationalen Gericht angefochten wird.
Laut J 15/13 darf eine Kammer nach ständiger Rechtsprechung einen nationalen Vindikationsfall zwar nicht inhaltlich und sachlich prüfen, die Prüfungsbefugnis der Kammer lässt sich aber nicht auf die bloße Feststellung beschränken, ob der Antrag im Rahmen der Vindikationsklage den Rechtsübergang der Anmeldung zum Gegenstand hat, sondern es ist – bis zu einem gewissen Grad – erlaubt und vielleicht sogar geboten, die Begründung der Vindikationsklage zu berücksichtigen. Die Kammer muss prüfen, ob das nationale Verfahren mit R. 14 (1) EPÜ in Einklang steht, denn ein Antrag auf Aussetzung des Erteilungsverfahrens ist eine scharfe Waffe, die missbräuchlich eingesetzt werden kann.