3.3. Grenzen der Pflicht zur Aufklärung bei leicht behebbaren Mängeln
3.3.2 Keine Verpflichtung zur Überprüfung eingereichter Unterlagen auf Mängel
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Der Fall J 7/97 betraf die Einreichung einer Anmeldung mittels Telefax beim Europäischen Patentamt. Dabei fehlte eine Seite der Beschreibung, während eine andere Seite doppelt übermittelt wurde. Nach Auffassung der Beschwerdekammer könne das Fehlen einer einzelnen Seite in einer umfangreichen Beschreibung, zumindest unter den Gegebenheiten des vorliegenden Falls, nicht als offensichtlicher Mangel im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden. Die Anmelder hätten nach Treu und Glauben nicht erwarten können, dass das EPA die Anmeldungsunterlagen derart kurzfristig, d. h. noch am Tag des Eingangs der Unterlagen, auf Vollständigkeit überprüfe. Eine solche Pflicht ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Präsidenten bezüglich Telefaxübermittlungen (ABl. 1992, 299). Nach Art. 3 (jetzt Art. 6, Beschluss der Präsidentin des EPA vom 12. Juli 2007, ABl. SA 3/2007, 7) des Beschlusses hat die Annahmestelle den Absender unverzüglich zu benachrichtigen, falls die durch Telefax übermittelten Unterlagen "unleserlich oder unvollständig übermittelt worden" sind. Der zweite Fall beziehe sich offensichtlich nicht auf die Vollständigkeit der Unterlagen, sondern auf die Vollständigkeit der Übermittlung.
In T 585/08 befand die Kammer, dass der Mangel im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (unzureichende Begründung und Glaubhaftmachung der Tatsachen, R. 136 (2) EPÜ) nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen war. Zum einen seien mehrere Schreiben eingereicht worden, und zum anderen wäre der Mangel nur bei aufmerksamer Prüfung dieser Schreiben aufgefallen. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich für das EPA keine Verpflichtung, mehrere Schreiben in der Akte zu prüfen, um festzustellen, ob die Begründung und der Sachverhalt zu einem Antrag auf Wiedereinsetzung fehlten. Die Kammer grenzte den Fall von T 14/89 (ABl. 1990, 432) ab, in dem die unzureichende Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags offensichtlich gewesen war.