5.4. Kriterien für die Zustimmung zu Änderungen nach R. 137 (5) EPÜ
5.4.1 Änderungen, die die Einheitlichkeit der Erfindung nicht beeinträchtigen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Ein Anspruch kann durch die Aufnahme zusätzlicher Merkmale beschränkt werden, sofern die daraus resultierende Kombination in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung – explizit oder implizit – unmittelbar und eindeutig offenbart war und sich nicht auf eine Erfindung bezieht, die nicht recherchiert wurde (Richtlinien H‑V, 3.2 – Stand November 2018).
In T 708/00 (ABl. 2004, 160) dürften nach R. 86 (4) EPÜ 1973 geänderte Ansprüche nur dann zurückgewiesen werden, wenn der Gegenstand der ursprünglich eingereichten Ansprüche und derjenige der geänderten Ansprüche so geartet seien, dass im hypothetischen Fall der ursprünglich gleichzeitigen Einreichung all dieser Ansprüche neben einer Recherchengebühr für die ursprünglich tatsächlich eingereichten Ansprüche auch eine weitere Recherchengebühr für die geänderten Ansprüche, die einer weiteren Erfindung im Sinne der R. 46 (1) EPÜ 1973 entsprochen hätten, zu entrichten gewesen wäre (s. auch T 319/96; T 631/97, ABl. 2001, 13). Die Kammer vertrat die Auffassung, dass "eine Änderung, mit der der Gegenstand des Hauptanspruchs durch zusätzliche, in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarte Merkmale nachträglich beschränkt werden solle, generell weder nach R. 86 (4) EPÜ 1973 noch nach R. 46 (1) EPÜ 1973 die Einheitlichkeit der Erfindung beeinträchtige" und dass "eine derartige Änderung eine normale Reaktion des Anmelders auf einen Einwand gegen die Patentierbarkeit desselben, nicht beschränkten Gegenstands darstelle". S. auch T 2334/11.
In T 274/03 wurde allerdings klargestellt, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Änderung die Einheitlichkeit der Erfindung nicht grundsätzlich beeinträchtigt. Die Einheitlichkeit ist demnach nicht beeinträchtigt, und die Änderung geht nicht mit einem Wechsel des Gegenstands nach der Recherche einher, wenn beispielsweise Merkmale aus der Beschreibung hinzugefügt werden, um etwas genauer zu definieren, das bereits ein Merkmal des ursprünglichen Hauptanspruchs war. S. T 1394/04.
In T 2334/11 stellte die Kammer fest, dass bei der Änderung eines ursprünglichen Anspruchs durch das Hinzufügen eines Merkmals bei Anwendung der R. 137 (5) EPÜ grundsätzlich zu untersuchen ist, ob sich das hinzugefügte Merkmal der ursprünglichen allgemeinen erfinderischen Idee, so wie diese aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen und der Beschreibung hervorgeht, unterordnen lässt (s. T 1640/07), und nicht, ob der ursprünglich beanspruchte Gegenstand und der in dem geänderten Anspruch definierte Gegenstand einer a posteriori vorgenommenen Beurteilung der Einheitlichkeit der Erfindung standhalten. Die Kammer betonte, dass die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der R. 137 (5) EPÜ sich u. a. daran orientiert, dass während Änderungen eines beanspruchten Gegenstands, die das Wesen oder die Natur der Erfindung – insbesondere durch das Ersetzen bzw. das Weglassen von Merkmalen in einem Anspruch, s. T 442/95, T 274/07 – erheblich verändern, Anlass zu einer Beanstandung nach R. 137 (5) EPÜ geben können, die bloße Einschränkung bzw. die Konkretisierung oder Ergänzung eines Anspruchs durch Aufnahme eines in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarten Merkmals – um z. B. einem Einwand fehlender Klarheit bzw. mangelnder Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit zu begegnen – in der Regel nicht zu einem Mangel an Einheitlichkeit im Sinne von R. 137 (5) EPÜ führt. S. auch T 1503/13.
In T 1394/04 wies die Kammer darauf hin, dass die Eigenart des hinzugefügten Merkmals sorgfältig zu prüfen ist, um zu ermitteln, ob sich aufgrund der Änderung das Problem der mangelnden Einheitlichkeit der erfinderischen Idee des ursprünglichen Hauptanspruchs einerseits und des später beanspruchten Gegenstands andererseits stellt. Dies würde im vorliegenden Fall notwendigerweise die „a posteriori“ zu treffende implizite Feststellung mangelnder Einheitlichkeit nach sich ziehen (unter Verweis auf T 274/03); den Richtlinien zufolge sollte ein derartiger Einwand mangelnder Einheitlichkeit die Ausnahme bleiben. Die Kammer stellte weiter fest, dass nicht auszuschließen ist, dass sich eine solche Situation aufgrund von späteren, allein von der Beschreibung gestützten Änderungen ergibt. Tatsächlich kann es vorkommen, dass die Beschreibung der Anmeldung eine weitere allgemeine erfinderische Idee enthält, die von derjenigen verschieden ist, die dem Hauptanspruch sowie ggf. den von diesem abhängigen Ansprüchen zugrunde liegt, die aber in der Beschreibung nicht klar identifiziert bzw. angegeben worden ist. Muss in einem solchen Fall der Gegenstand des Hauptanspruchs, dem die erste erfinderische Idee zugrunde liegt, aufgrund seines zu weit gefassten Wortlauts wegen fehlender Neuheit geändert werden, so kann jede Anspruchsänderung, die sich ausschließlich auf die weitere erfinderische Idee bezieht, einen „a posteriori“ Einwand mangelnder Einheitlichkeit rechtfertigen. Dieses Beispiel zeigt, dass es Fälle geben kann, in denen die Einheitlichkeit der Erfindung beeinträchtigt wird, wenn der Hauptanspruch, dessen Gegenstand nicht neu, anhand von Merkmalen geändert wird, die eine Stütze ausschließlich in der Beschreibung finden. Obwohl dies in der Praxis nur sehr selten vorkommt, ist in einem solchen Fall wie gesagt R. 86 (4) EPÜ 1973 anzuwenden, um eine mögliche Umgehung von Art. 82 EPÜ 1973 zu vermeiden. Im vorliegenden Fall war jedoch klar, dass mit dem im Rahmen der Änderung eingefügten Merkmal ähnlich wie in T 274/03 einfach nur ursprüngliche, für die Erfindung wesentliche Merkmale des Anspruchs näher spezifiziert wurden, die einen wesentlichen Aspekt der Erfindung ausmachten. Daher lag keine fehlende Einheitlichkeit nach R. 86 (4) EPÜ 1973 in Verbindung mit Art. 82 EPÜ 1973 vor.