3. Aussetzung des Verfahrens nach Regel 14 (1) EPÜ
In J 4/17 stellte die Kammer fest, dass der Gesetzgeber es der Praxis und der Rechtsprechung überlassen hat zu definieren, unter welchen Umständen eine Ermessensentscheidung zur Festsetzung eines Zeitpunkts für die Verfahrensfortsetzung gerechtfertigt ist. Die Fortsetzung des Verfahrens beschränkt sich nicht auf Fälle von Verfahrensmissbrauch oder Verzögerungstaktiken. Die Möglichkeit, dass das EPA bei einer Aussetzung des Erteilungsverfahrens einen Zeitpunkt für dessen Fortsetzung festsetzt, deutet auf eine breitere Auslegung hin. Ein Anmelder kann seinen Antrag auf Fortsetzung jedoch nicht auf die Dauer des Vindikationsverfahrens stützen, wenn dieses maßgeblich durch sein Verhalten in die Länge gezogen wurde.
3.2. Regel 14 (3) EPÜ
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Gemäß R. 14 (3) EPÜ (R. 13 (3) EPÜ 1973) kann das EPA bei der Aussetzung des Erteilungsverfahrens einen Zeitpunkt festsetzen, zu dem es beabsichtigt, das Erteilungsverfahren ohne Rücksicht auf den Stand des nach R. 14 (1) EPÜ eingeleiteten nationalen Verfahrens fortzusetzen. Ausweislich des Wortlauts der R. 14 (3) EPÜ handelt es sich dabei um eine Ermessensentscheidung (J 33/03).
In Ausübung ihres Ermessens nach R. 13 (3) EPÜ 1973 trug die Kammer in J 10/02 zum einen der Tatsache Rechnung, dass das Vindikationsverfahren nur einen Teil der Erfindung betraf, und zum anderen der Dauer der Aussetzung des Verfahrens.
In den beiden parallel ergangenen Entscheidungen J 6/10 und J 7/10 entschied die Juristische Beschwerdekammer, dass bei der Ausübung des Ermessens nach R. 14 (3) EPÜ u. a. folgende Aspekte zu beachten sind: i) wie lange Verfahren vor nationalen Gerichten/Behörden anhängig sind (wobei die Meinung vertreten wurde, dass ein Zeitraum von mehr als vier Jahren sowohl bei deshalb ausgesetzten Erteilungsverfahren als auch bei deshalb vor der ersten Instanz anhängigen Vindikationsverfahren beträchtlich sei), ii) die Dauer der Aussetzung von Erteilungsverfahren und iii) Anträge auf Aussetzung des Erteilungsverfahrens wurden in einem späten Stadium eingereicht.
In J 15/13 befand die Kammer Folgendes: Dass ein Antrag nach R. 14 (1) EPÜ im letztmöglichen Moment gestellt wurde, kann nur dann als Argument für die Wiederaufnahme des Erteilungsverfahrens herangezogen werden, wenn der Beschwerdegegner durch diese Vorgehensweise offenbar missbräuchlich von seinem Recht auf Aussetzung des Erteilungsverfahrens Gebrauch macht.
In J 4/17 stellte die Kammer fest, dass der Gesetzgeber es der Praxis und der Rechtsprechung überlassen hat zu definieren, unter welchen Umständen eine Ermessensentscheidung zur Festsetzung eines Zeitpunkts für die Verfahrensfortsetzung gerechtfertigt ist. Die Fortsetzung des Verfahrens beschränkt sich nicht auf Fälle von Verfahrensmissbrauch oder Verzögerungstaktiken. Die Möglichkeit, dass das EPA bei einer Aussetzung des Erteilungsverfahrens einen Zeitpunkt für dessen Fortsetzung festsetzt, deutet auf eine breitere Auslegung hin. Ein Anmelder kann seinen Antrag auf Fortsetzung jedoch nicht auf die Dauer des Vindikationsverfahrens stützen, wenn dieses maßgeblich durch sein Verhalten in die Länge gezogen wurde.
In J 13/12 entschied die Kammer im Hinblick auf J 33/03, dass es im Gegensatz zu R. 14 (1) EPÜ, nach R. 14 (3) EPÜ im Ermessen des EPA liegt zu entscheiden, ob das Verfahren fortgesetzt werden soll. Bei der Ausübung des Ermessens im Rahmen von R. 14 (3) EPÜ ist eine Abwägung der Interessen des Anmelders einerseits und des Dritten, der das nationale Vindikationsverfahren gegen den Anmelder angestrengt hat, andererseits erforderlich. Die Prüfungsrichtlinien als interne Verwaltungsrichtlinien können ergänzend herangezogen werden. Es lässt sich aus den Prüfungsrichtlinien aber nicht ableiten, dass vor der Festsetzung eines Zeitpunktes für die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens, jedenfalls aber vor der tatsächlichen Fortsetzung des Verfahrens der rechtskräftige Abschluss des Vindikationsverfahrens gegebenenfalls nach Durchlaufen aller Rechtsmittelzüge abgewartet werden müsste.
In J 1/16 erklärte die Kammer: Hat die Rechtsabteilung bei einer Entscheidung über die Fortsetzung der Aussetzung den ihr eingeräumten Ermessensspielraum erkannt und ausgeschöpft, die bei der Abwägung einzubeziehenden Aspekte umfassend herangezogen, keine sachfremden Erwägungen einfließen lassen und bei der Würdigung der Umstände keine gedanklichen Fehler erkennen lassen, so ist es der Kammer verwehrt, ihr eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Rechtsabteilung zu setzen. Der Eintritt veränderter Umstände, hier eine Entscheidung des Berufungsgerichts im nationalen Vindikationsverfahren, kann jedoch Anlass sein, die im Grunde zu bestätigende Entscheidung anzupassen.
In T 146/82 date: 1985-05-29 (ABl. 1985, 267) entschied die Kammer wie folgt: Setzt das EPA gemäß R. 13 (3) EPÜ 1973 einen Zeitpunkt fest, zu dem es das europäische Patenterteilungsverfahren fortzusetzen beabsichtigt, so kann auf späteren Antrag des Anmelders oder des Dritten, der die Aussetzung beantragt hat, der Zeitpunkt geändert oder die Aussetzung des Verfahrens aufgehoben werden.
- Rechtsprechung 2019