1.2. Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung: Teile der Anmeldung, die für die Offenbarung der Erfindung maßgebend sind
1.2.3 Sprachenfragen
Dies ist die 9. Ausgabe (2019) dieser Publikation; für die 10. Ausgabe (2022) siehe hier |
Vor Inkrafttreten des EPÜ 2000 konnte eine europäische Patentanmeldung nur in einer Amtssprache des EPA eingereicht werden (Art. 14 (1) EPÜ 1973) bzw. – von Personen, für die das "Sprachenprivileg" galt, – in einer Amtssprache eines Vertragsstaats ("zugelassene Nichtamtssprache"), wobei zusätzlich eine Übersetzung in einer der Amtssprachen nachzureichen war (Art. 14 (2) EPÜ 1973). Im Einklang mit Art. 5 PLT sieht Art. 14 (2) EPÜ jetzt vor, dass eine Anmeldung in einer der Amtssprachen oder in "einer anderen Sprache" eingereicht werden kann. Im letzteren Fall ist außerdem eine Übersetzung einzureichen (s. Kapitel III.F.1. "Sprache der Einreichung und Anmeldetag einer europäischen Patentanmeldung").
In T 382/94 (ABl. 1998, 24) stellte die Kammer Folgendes fest: Sind die Zeichnungen am Anmeldetag vollständig eingereicht worden, so bilden sie einen Bestandteil der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, auch wenn darin Texte in einer von der Verfahrenssprache abweichenden Amtssprache enthalten sind. In der Änderung der Anmeldung, die sich auf die englischsprachigen Textpassagen in den ursprünglich eingereichten Abbildungen stütze, sei kein Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ 1973 zu sehen.
In T 605/93 entschied die Kammer, dass in den Fällen, in denen es sich bei den Anmeldeunterlagen der europäischen Patentanmeldung in der eingereichten Fassung um die Übersetzung einer internationalen Anmeldung in der eingereichten Fassung handle, der Inhalt der "Anmeldung in der eingereichten Fassung" derjenige der internationalen Anmeldung in der eingereichten Fassung sei (s. auch T 1402/09, T 923/13 and T 1981/15). In aller Regel sei jedoch davon auszugehen, dass die veröffentlichte europäische Patentanmeldung inhaltlich mit der veröffentlichten internationalen Anmeldung identisch sei (T 605/93, s. auch T 549/09). Nur sofern begründete Zweifel vorliegen, dass diese Annahme in einem bestimmten Fall nicht zutrifft, muss auf diese Frage, gegebenenfalls durch Vorlage von Beweisen, eingegangen werden (T 1010/07, T 1981/15).
In T 287/98 enthielt die auf Niederländisch verfasste ursprüngliche Anmeldung das Wort "schroot", welches mehreren vom Beschwerdeführer vorgelegten Wörterbüchern zufolge für Schrott oder Abwrackmetall ("scrap metal") steht. Nach Meinung der Beschwerdekammer war dieses Wort durch den Begriff "scrap" nicht korrekt ins Englische übersetzt worden, und in der ursprünglich eingereichten Fassung war nichts anderes als "scrap metal" gemeint. Die Kammer entschied, dass es nach Art. 123 (2) EPÜ 1973 zulässig sei, das Wort "scrap" durch "scrap metal" zu ersetzen, da nach Art. 70 (2) EPÜ 1973 vorgesehen ist, dass in dem in Art. 14 (2) EPÜ 1973 genannten Fall, in welchem nämlich eine europäische Patentanmeldung in der Sprache eines Vertragsstaates eingereicht wurde, die nicht Englisch, Französisch oder Deutsch ist, der ursprüngliche Wortlaut heranzuziehen sei, wenn es darum geht, festzustellen, ob der Gegenstand der Anmeldung über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Für weitere Fälle betreffend Art. 14 (2) EPÜ sowie Art. 123 (2) und (3) EPÜ, s. z. B. T 516/12 und T 1585/12.