1. Prioritätsanspruch
Die Priorität einer früheren Anmeldung beanspruchen kann nur der Anmelder, der sie eingereicht hat, oder sein Rechtsnachfolger in Bezug auf das Prioritätsrecht. Ob der Anmelder tatsächlich berechtigt ist, die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch zu nehmen, wird in der internationalen Phase nicht geprüft.
In Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt ist die Übertragung des Prioritätsrechts unabhängig von den nationalen Rechtsvorschriften nach dem EPÜ zu beurteilen. Das EPÜ sieht keine Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts vor (siehe G 1/22 und G 2/22). Einzelheiten zum Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt enthält RL/EPA, A‑III, 6.1.
Der Nachweis für die am internationalen Anmeldedatum bestehende Berechtigung muss (nur) dann im Verfahren vor dem EPA vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit des beanspruchten Prioritätsrechts relevant wird. Damit ein Rechtsnachfolger aber ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA beanspruchen kann, muss die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung übertragen worden sein (Feld VIII iii) im PCT-Antrag), und die Übertragung muss nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften wirksam sein. Danach und insbesondere in der europäischen Phase können keine Mängel mehr behoben werden.
Anmeldern, die die Priorität einer früheren Anmeldung beanspruchen und in die europäische Phase eintreten möchten, wird daher nachdrücklich empfohlen sicherzustellen, dass am internationalen Anmeldedatum alle Anmelder, die die frühere Anmeldung eingereicht haben, entweder als Anmelder der internationalen Anmeldung angegeben sind oder ihre Rechte wirksam an den Anmelder bzw. einen der Anmelder der internationalen Anmeldung übertragen haben. Beispiel:
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, ist X als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung ist die Firma A als Anmelder angegeben. Damit A ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt beanspruchen kann, muss X die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wirksam an A übertragen haben.
Reichen gemeinsame Anmelder eine internationale Anmeldung ein und nehmen dabei die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch, genügt es, dass es sich bei einem von ihnen um den Anmelder der früheren Anmeldung oder um dessen Rechtsnachfolger handelt. Da die internationale Anmeldung gemeinsam eingereicht wurde und die Zustimmung des Anmelders der früheren Anmeldung damit nachgewiesen ist, ist ein besonderer Übergang des Prioritätsrechts an den oder die anderen (zusätzlichen) Anmelder nicht erforderlich. Beispiele:
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, ist X als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung sind X und die Firma A als Anmelder angegeben. Ein Übergang des Prioritätsrechts von X an A ist nicht erforderlich, damit A ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt beanspruchen kann.
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, ist X als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung sind die Firmen A und B als Anmelder angegeben. Damit A und B ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt beanspruchen können, muss X die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wirksam an A oder B übertragen haben. Ein Rechtsübergang an A und B ist nicht erforderlich, würde aber auch den Erfordernissen für die Beanspruchung der Priorität in der europäischen Phase entsprechen.
Wurde die frühere Anmeldung von mehreren Anmeldern eingereicht, müssen alle auch Anmelder der internationalen Anmeldung sein oder ihre Rechte an den Anmelder bzw. einen der Anmelder der internationalen Anmeldung übertragen haben. Es reicht nicht aus, wenn einer von mehreren Anmeldern der früheren Anmeldung als Anmelder der internationalen Anmeldung genannt ist. Beispiele:
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, sind X, Y und Z als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung ist die Firma A als Anmelder angegeben. X, Y und Z haben ihre Rechte nicht übertragen, sind aber alle – zusammen mit Firma A – als Anmelder im PCT-Antragsformblatt (Felder II und III) angegeben. In diesem Fall sind keine weiteren Schritte erforderlich, damit A ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt beanspruchen kann.
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, sind X, Y und Z als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung sind die Firma A sowie X als Anmelder angegeben. Damit A und X ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt beanspruchen können, müssen Y und Z ihre Rechte an der früheren Anmeldung vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wirksam an A oder X übertragen haben.
Art. 8 (2) a)
Art. 4A (1) Pariser Verbandsübereinkunft
PCT LF Nationale Phase – Nationales Kapitel – EP.29