5.13 Prioritätsanspruch
5.13.026Seit 1. Juli 2020 ermöglicht Regel 20.5bis d) PCT es Anmeldern, die einen Bestandteil oder Teil einer internationalen Anmeldung fälschlicherweise eingereicht haben, den richtigen Bestandteil oder Teil durch Verweis einzubeziehen, vorausgesetzt, er ist in einer am Anmeldedatum wirksam beanspruchten Prioritätsanmeldung vollständig enthalten. Das ursprünglich zuerkannte internationale Anmeldedatum wird dann aufrechterhalten, und die internationale Anmeldung umfasst sowohl die fälschlicherweise eingereichten als auch die richtigen Anmeldungsunterlagen. Am 1. November 2022 ist die neue Regel 56a EPÜ in Kraft getreten; damit wurde das EPÜ mit der Regel 20.5bis PCT in Einklang gebracht, indem fälschlicherweise eingereichte Anmeldungsunterlagen ohne Neufestsetzung des Anmeldedatums berichtigt werden können. Nach Inkrafttreten der Regel 56a EPÜ hat das EPA in seiner Eigenschaft als Anmeldeamt und als Bestimmungsamt/ausgewähltes Amt mit Wirkung vom 1. November 2022 seine Mitteilung über die Unvereinbarkeit mit Regel 20.5bis a) ii) PCT und Regel 20.5bis d) PCT zurückgenommen. Folglich sind diese PCT-Bestimmungen nun vor dem EPA für am oder nach dem 1. November 2022 eingereichte internationale Anmeldungen vollständig anwendbar. Wenn das Anmeldeamt also einem Antrag auf Einbeziehung durch Verweis nach Regel 20.5bis d) PCT stattgegeben hat, ist diese Einbeziehung auch in Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt wirksam.
5.13.027Für vor dem 1. November 2022 eingereichte internationale Anmeldungen hat die Mitteilung über die Unvereinbarkeit weiterhin Bestand. Dementsprechend sind etwaige vom Anmeldeamt nach Regel 20.5bis d) PCT zugelassene Einbeziehungen durch Verweis, d. h. ohne Verschiebung des Anmeldedatums, in Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt nicht wirksam. In solchen Fällen stellt das EPA das Anmeldedatum und die Anmeldungsunterlagen, auf deren Grundlage die Bearbeitung in diesem Verfahren erfolgt, gemäß folgendem speziellen Verfahren fest:
Das EPA betrachtet denjenigen Tag als Anmeldedatum der internationalen Anmeldung, an dem der richtige Bestandteil oder Teil eingegangen ist, und behandelt die Anmeldung so, dass als eingereichte Fassung nur die Anmeldung mit den richtigen Anmeldungsunterlagen gilt. Dies teilt das EPA dem Anmelder in einer Mitteilung nach den Regeln 20.8 c) PCT und Regel 82ter.1 c) PCT und Regel 82ter.1 d) PCT mit. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung kann der Anmelder beantragen, dass die richtigen Anmeldungsunterlagen nach Regel 82ter.1 d) PCT unberücksichtigt bleiben. Dem Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt werden dann die ursprünglichen (fälschlicherweise eingereichten) Anmeldungsunterlagen zugrunde gelegt, und das ursprüngliche Anmeldedatum wird aufrechterhalten. Das EPA erlässt eine Zwischenentscheidung, in der das ursprüngliche Anmeldedatum bestätigt und der Anmelder informiert wird, dass die richtigen Anmeldungsunterlagen nicht berücksichtigt werden. Um Zeit zu sparen, kann der Anmelder das Verfahren verkürzen, indem er bei Eintritt in die europäische Phase klar angibt, ob die fälschlicherweise eingereichten oder die richtigen Anmeldungsunterlagen dem weiteren Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltem Amt zugrunde gelegt werden sollen. In diesem Fall ergeht keine Mitteilung nach den Regeln 20.8 c) PCT und Regeln 82ter.1 c) PCT und Regeln 82ter.1 d) PCT. Stattdessen verschickt das EPA sofort eine Bestätigung, dass dem weiteren Verfahren die gewählten Anmeldungsunterlagen zugrunde gelegt werden, und teilt dem Anmelder das sich daraus ergebende Anmeldedatum mit.
5.13.028Wenn der richtige Bestandteil oder Teil vom Anmelder in der internationalen Phase eingereicht wurde, um die internationale Anmeldung zu berichtigen, und keine Einbeziehung durch Verweis beantragt wurde, ist die Entscheidung des Anmeldeamts, eine solche Berichtigung zuzulassen, auch im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt wirksam. In derartigen Fällen ist das internationale Anmeldedatum entweder der Tag, an dem alle Erfordernisse des Artikels 11 PCT erfüllt sind (wenn vor dem Eingang des richtigen Bestandteils oder Teils kein internationales Anmeldedatum zuerkannt werden konnte), oder der Tag, an dem der richtige Bestandteil oder Teil beim Anmeldeamt einging.