Kapitel 2 – Das EPA als PCT-Anmeldeamt
2.15.001Eine Erklärung in der internationalen Anmeldung, mit der die Priorität einer oder mehrerer früherer Anmeldungen beansprucht wird, die in einem oder für einen Mitgliedstaat der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums ("Pariser Verbandsübereinkunft") oder in einem oder mit Wirkung für ein Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO), das nicht der Pariser Verbandsübereinkunft angehört, eingereicht wurden, hat grundsätzlich deren Anmeldedatum, den oder die Ländernamen und die Anmeldenummer(n) zu enthalten. Ist die frühere Anmeldung eine regionale, genügt der Name der Behörde, die nach dem regionalen Abkommen mit der Patenterteilung beauftragt ist, im Falle einer europäischen Anmeldung also "EP", anstelle der Vertragsstaaten des regionalen Abkommens (Feld Nr. VI des Formblatts für den PCT-Antrag).
Art. 2 i) PCT, Art. 8 (1) PCT
R. 2.4 PCT, R. 4.10 PCT
ABl. 2007, 692
PCT-Leitfaden der WIPO, 5.007,
5.057 - 5.071,
6.038 - 6.044
2.15.002Die Priorität einer Anmeldung, die in einem oder mit Wirkung für ein WTO-Mitglied eingereicht wurde, das nicht der Pariser Verbandsübereinkunft angehört, kann im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt nur beansprucht werden, wenn die Anmeldung ab dem 13. Dezember 2007 eingereicht wurde.
2.15.003Die Priorität einer früheren Anmeldung beanspruchen kann nur der Anmelder, der sie eingereicht hat, oder sein Rechtsnachfolger. Wurde die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht dem Anmelder übertragen, muss der Rechtsübergang vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung erfolgt sein (Feld Nr. VIII iii) des PCT-Antragsformblatts) und nach den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften wirksam sein. Beispiel:
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, ist X als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung ist die Firma A als Anmelder angegeben. X muss die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wirksam an A übertragen haben.
RL/EPA A‑III, 6.1
ABl. 2014, A33
PCT-Newsletter 1/2022, 8
2.15.004Reichen gemeinsame Anmelder eine internationale Anmeldung ein und nehmen dabei die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch, genügt es, dass es sich bei einem von ihnen um den Anmelder der früheren Anmeldung oder um dessen Rechtsnachfolger handelt. Da die internationale Anmeldung gemeinsam eingereicht wurde und die Zustimmung des Anmelders der früheren Anmeldung damit nachgewiesen ist, ist ein besonderer Übergang des Prioritätsrechts an den oder die anderen (zusätzlichen) Anmelder nicht erforderlich. Beispiele:
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, ist X als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung sind X und die Firma A als Anmelder angegeben. Ein Übergang des Prioritätsrechts von X an A ist nicht erforderlich.
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, ist X als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung sind die Firmen A und B als Anmelder angegeben. X muss die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wirksam an A oder B übertragen haben. Ein Rechtsübergang an A und B ist nicht erforderlich, würde aber auch den Formerfordernissen für die Beanspruchung der Priorität entsprechen.
2.15.005Wurde die frühere Anmeldung von mehreren Anmeldern eingereicht, müssen alle auch Anmelder der internationalen Anmeldung sein oder ihre Rechte an den Anmelder bzw. einen der Anmelder der internationalen Anmeldung übertragen haben. Es reicht nicht aus, wenn einer von mehreren Anmeldern der früheren Anmeldung als Anmelder der internationalen Anmeldung genannt ist. Beispiele:
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, sind X, Y und Z als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung ist die Firma A als Anmelder angegeben. X, Y und Z haben ihre Rechte nicht übertragen, sind aber alle – zusammen mit Firma A – als Anmelder im PCT-Antragsformblatt (PCT/RO/101) angegeben.
–In der früheren Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, sind X, Y und Z als Anmelder angegeben. In der internationalen Anmeldung sind die Firma A sowie X als Anmelder angegeben. Y und Z müssen ihre Rechte an der früheren Anmeldung vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung wirksam an A oder X übertragen haben.
2.15.006Da die formelle Berechtigung, die Priorität zu beanspruchen, in der internationalen Phase nicht geprüft wird, muss der Nachweis für die am internationalen Anmeldedatum bestehende Berechtigung (nur) dann im Verfahren vor dem EPA vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit des beanspruchten Prioritätsrechts relevant wird. Damit ein Rechtsnachfolger aber ein Prioritätsrecht im Verfahren vor dem EPA beanspruchen kann, muss die frühere Anmeldung oder das Prioritätsrecht vor dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung übertragen worden sein; danach und insbesondere in der europäischen Phase können keine Mängel mehr behoben werden. Anmeldern, die die Priorität einer früheren Anmeldung beanspruchen und in die europäische Phase eintreten möchten, wird daher nachdrücklich empfohlen sicherzustellen, dass am internationalen Anmeldedatum alle Anmelder, die die frühere Anmeldung eingereicht haben, entweder als Anmelder der internationalen Anmeldung angegeben sind oder ihre Rechte wirksam an den Anmelder bzw. einen der Anmelder der internationalen Anmeldung übertragen haben.
2.15.007Die Priorität kann nur wirksam beansprucht werden, wenn die internationale Anmeldung innerhalb der Prioritätsfrist eingereicht wird. Die "Prioritätsfrist" ist der Zeitraum von 12 Monaten ab Anmeldedatum der früheren Anmeldung, deren Priorität in der internationalen Anmeldung beansprucht wird. Das Anmeldedatum der früheren Anmeldung wird nicht in die Prioritätsfrist eingerechnet.
PCT-Leitfaden der WIPO, 5.059