5.1 Stand der Technik nach Art. 54 (3)
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Eine revidierte Fassung dieser Publikation ist in Kraft getreten. |
Zum Stand der Technik gehört auch der Inhalt europäischer Patentanmeldungen, die vor dem Anmeldetag oder dem wirksamen Prioritätstag der zu prüfenden Patentanmeldung eingereicht wurden oder eine vor dem betreffenden Tag liegende Priorität wirksam beanspruchen, aber gemäß Art. 93 an oder nach diesem Tag veröffentlicht worden sind. Sowohl für die zu prüfende europäische Anmeldung als auch für kollidierende europäische Anmeldungen nach Art. 54 (3) gilt der Prioritätstag als Anmeldetag, sofern die entsprechende Prioriät wirksam ist (Art. 89). Derartige frühere Anmeldungen gehören jedoch nur insoweit zum Stand der Technik, als es die Neuheit betrifft, und bleiben bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht. Auch hier ist der "Anmeldetag" im Sinne des Art. 54 (2) und (3) daher gegebenenfalls der Prioritätstag (siehe F‑VI, 1.2). Unter dem "Inhalt" einer europäischen Anmeldung ist die gesamte Offenbarung zu verstehen, also die Beschreibung, die Zeichnungen und die Patentansprüche, einschließlich
i)etwaiger Merkmale, auf die ausdrücklich verzichtet worden ist (mit Ausnahme von Disclaimern für nicht ausführbare Ausführungsformen),
ii)etwaiger Merkmale, für die in zulässiger Weise auf andere Dokumente verwiesen wird (siehe F‑III, 8, vorletzter Absatz), und
iii)des Stands der Technik, soweit er eigens beschrieben ist.
Jedoch schließt der "Inhalt" weder irgendwelche Prioritätsunterlagen (durch solche Unterlagen soll lediglich bestimmt werden, inwieweit der Prioritätstag für die Offenbarung der europäischen Patentanmeldung wirksam ist (siehe F‑VI, 1.2)) noch – in Anbetracht des Art. 85 – die Zusammenfassung (siehe F‑II, 2) ein.
Es ist darauf hinzuweisen, dass bei Anwendung des Art. 54 (3) der Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in Betracht zu ziehen ist. Wird eine Anmeldung in einer Sprache eingereicht, die nicht Amtssprache ist, was nach Art. 14 (2) möglich ist (siehe A‑VII, 1.1), so kann der Fall eintreten, dass Sachverhalte versehentlich nicht mit in die Verfahrenssprache übersetzt und nicht nach Art. 93 in dieser Sprache veröffentlicht werden. Selbst in diesem Fall ist für Zwecke des Art. 54 (3) der Inhalt des ursprünglichen Texts maßgebend.