3. Keine sinnvolle Recherche möglich
Übersicht
3. Keine sinnvolle Recherche möglich
Eine revidierte Fassung dieser Publikation ist in Kraft getreten. |
Zusätzlich zu den unter B‑VIII, 1 genannten Gründen kann sich eine Aufforderung nach Regel 63 (1) und spätere Einschränkung der Recherche nach Regel 63 (2) auch ergeben, wenn die Anmeldung den einschlägigen Erfordernissen des EPÜ so wenig entspricht, dass eine sinnvolle Recherche aller oder einiger Ansprüche bzw. eines Teils eines Anspruchs unmöglich ist. In solchen Fällen wendet die Recherchenabteilung das Verfahren nach Regel 63 an (siehe B‑VIII, 3.1 bis B‑VIII, 3.4 und ABl. EPA 2009, 533).
Regel 63 bezieht sich ausschließlich auf die Durchführbarkeit einer Recherche und nicht auf die mögliche Relevanz ihres Ergebnisses bei der Verwendung für die später vorzunehmende Prüfung. Auch wenn eine Recherche nicht zu einem Ergebnis führt, das im Prüfungsverfahren verwendet werden kann, kann sie nicht mit dem Hinweis auf Regel 63 verweigert werden (siehe T 1242/04).
Was "sinnvoll" ist oder nicht, ist eine Tatfrage, die die Recherchenabteilung entscheiden muss. Sie kann ihre Entscheidung im Lichte einer etwaigen Erwiderung des Anmelders auf die Aufforderung nach Regel 63 (1) ändern (siehe B‑VIII, 3.2). Wie die Recherchenabteilung ihr Ermessen ausübt, hängt von der Sachlage im Einzelfall ab. Eine Einschränkung der Recherche muss sorgfältig erwogen werden. Es gibt Fälle, in denen eine Recherche praktisch unmöglich ist, weil den vorgeschriebenen Erfordernissen des EPÜ nicht entsprochen wird, beispielsweise bei fundamentalen Klarheitsmängeln oder bei Fehlen jedweden technischen Charakters. Der Begriff "sinnvoll" muss in vernünftiger Weise ausgelegt werden. Er darf nicht so ausgelegt werden, dass Regel 63 nur deshalb geltend gemacht wird, weil eine Recherche schwierig ist oder nicht zu Ergebnissen führt, die für das spätere Prüfungsverfahren von Bedeutung sind.
Da es keine Rechtsvorschrift gibt, wonach der Anmelder seine Anmeldung so abzufassen hat, dass eine wirtschaftliche Recherche möglich ist, kann die Erstellung eines unvollständigen Recherchenberichts weder ganz noch teilweise mit "Wirtschaftlichkeitsgründen" gerechtfertigt werden (siehe auch T 1020/98).
Eine – nicht erschöpfende – Reihe von Beispielen soll veranschaulichen, wann Regel 63 Anwendung finden kann:
i)Ansprüche nicht gestützt; unzureichende Offenbarung
Ein Beispiel wäre ein Anspruch, der so breit formuliert ist, dass der Umfang zumindest in gewissem Maße spekulativ ist, d. h. nicht von der Offenbarung der Anmeldung gestützt wird. In diesem Fall macht möglicherweise die Anspruchsbreite eine sinnvolle Recherche des Anspruchs in seiner Gesamtheit unmöglich, und eine sinnvolle Recherche kann nur auf der Grundlage der engeren, offenbarten Erfindung durchgeführt werden: im Extremfall kann dies bedeuten, dass nur eines oder mehrere der in der Beschreibung offenbarten spezifischen Beispiele recherchiert werden. Dementsprechend kann das Verfahren nach Regel 63 (1) angewendet werden (siehe B‑VIII, 3.1 bis B‑VIII, 3.4). Die Erfordernisse, die der Anwendung der Regel 63 zugrunde liegen, wären hier die ausreichende Offenbarung und die Stützung nach den Art. 83 und Art. 84 (siehe F‑III, 1 und F‑III, 2 und F‑IV, 6). Es ist jedoch zu beachten, dass diese Erfordernisse stets aus der Sicht des Fachmanns zu beurteilen sind.
ii)Ansprüche nicht knapp gefasst
Ein Beispiel wäre der Fall, in dem so viele Ansprüche oder so viele unter einen Anspruch fallende Möglichkeiten vorliegen, dass die Ermittlung des Gegenstands, für den Schutz begehrt wird, über Gebühr erschwert wird (siehe jedoch B‑VIII, 4 zu Fällen, in denen eine Anmeldung mehrere unabhängige Ansprüche in der gleichen Kategorie enthält). Eine Recherche, insbesondere eine vollständige Recherche, kann de facto unmöglich sein. Auch hier kann die Anwendung der Regel 63 und die anschließende Erstellung eines unvollständigen Recherchenberichts (gemäß den in B‑VIII, 3.1 bis B‑VIII, 3.3 beschriebenen Verfahren) oder eine Erklärung, dass keine Recherche durchgeführt wurde, zweckmäßig sein, da die Ansprüche so wenig prägnant formuliert sind, dass sie eine sinnvolle Recherche unmöglich machen (siehe Art. 84, F‑IV, 5).
Ein Beispiel wäre der Fall, dass der vom Anmelder zur Definition seiner Erfindung gewählte Parameter einen sinnvollen Vergleich mit dem Stand der Technik unmöglich macht, weil vielleicht im Stand der Technik nicht derselbe oder überhaupt kein Parameter verwendet wurde. In einem solchen Fall kann der vom Anmelder gewählte Parameter unklar sein (siehe Art. 84, F‑IV, 4.11). Der Parameter kann so unklar sein, dass er eine sinnvolle Recherche der Ansprüche bzw. eines Anspruchs oder eines Teils eines Anspruchs unmöglich macht, weil die Wahl des Parameters einen vernünftigen Vergleich der beanspruchten Erfindung mit dem Stand der Technik unmöglich macht. In diesem Fall kann die Anwendung der Regel 63 und die anschließende Erstellung eines unvollständigen Recherchenberichts (oder in Ausnahmefällen einer Erklärung, dass keine Recherche durchgeführt werden kann) nach Regel 63 (2) (gemäß den in B‑VIII, 3.1 bis B‑VIII, 3.3 beschriebenen Verfahren) zweckmäßig sein, wobei die Recherche möglicherweise auf die Ausführungsbeispiele beschränkt wird, soweit sie verständlich sind, oder auf die Art und Weise, wie der gewünschte Parameter erhalten wird (eine etwaige Erwiderung des Anmelders auf die Aufforderung nach Regel 63 (1) wird bei der Bestimmung des zu recherchierenden Gegenstands in dem in B‑VIII, 3.2 angegebenen Maße berücksichtigt).
iv)Ansprüche verstoßen gegen Art. 76 oder Art. 123 (2)
Regel 63 kann auch in den folgenden Fällen in Bezug auf Ansprüche Anwendung finden, die hinzugefügte Gegenstände enthalten (siehe B‑VIII, 6):
– Ansprüche in Teilanmeldungen, die gegen Art. 76 verstoßen;
– Anmeldungen, bei denen die Ansprüche nach dem Anmeldetag eingereicht wurden und die gegen Art. 123 (2) verstoßen; oder
– Euro-PCT-Anmeldungen, für die geänderte Ansprüche als Grundlage für die ergänzende europäische Recherche eingereicht wurden, und die gegen Art. 123 (2) verstoßen.
Diese Beispiele sind nicht erschöpfend (siehe auch B‑VIII, 6). Das Grundprinzip lautet, dass sowohl für den Anmelder als auch für Dritte klar ersichtlich sein muss, was recherchiert und was nicht recherchiert worden ist.
Wie solche Fälle, in denen Regel 63 Anwendung findet, im späteren Prüfungsverfahren behandelt werden, ist in H‑II, 5 und 6.1 H‑IV, 4.1.1 beschrieben.