5.4.2 Beispiele zur Anwendung des COMVIK-Ansatzes
Eine revidierte Fassung dieser Publikation ist in Kraft getreten. |
Dieses Beispiel veranschaulicht die in G‑VII, 5.4 beschriebene zweistufige Analyse des technischen Charakters.
Anspruch 1:
System für die Übertragung eines Rundfunk-Medienkanals an einen Remote-Client über eine Datenverbindung, das Folgendes beinhaltet:
a)Mittel zur Speicherung einer Kennung des Remote-Clients und einer Angabe zur verfügbaren Datenrate der Datenverbindung zum Remote-Client, wobei diese Datenrate niedriger ist als die maximale Datenrate der Datenverbindung zum Remote-Client,
b)Mittel zur Bestimmung einer Rate, mit der Daten übertragen werden sollen, auf der Grundlage der Angabe zur verfügbaren Datenrate der Datenverbindung,
c)Mittel zur Übertragung von Daten mit der bestimmten Rate an den Remote-Client.
Anwendung der Schritte des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes gemäß G‑VII, 5.4:
Schritt i): Prima facie tragen alle Merkmale zum technischen Charakter der Erfindung bei.
Schritt ii): Als nächstliegender Stand der Technik gilt Dokument D1, in dem ein System für die Übertragung von Videodaten über eine xDSL‑Verbindung an Empfangsgeräte von Abonnenten offenbart ist. Das System umfasst eine Datenbank, in der Kennungen der Computer der Abonnenten und damit verbundene Angaben zur maximalen Datenrate für die Datenverbindung zum Computer jedes Abonnenten gespeichert sind. Außerdem umfasst das System Mittel zur Übertragung der Videodaten an die Computer der Abonnenten mit der maximalen Datenrate, die für den jeweiligen Computer gespeichert ist.
Schritt iii): Unterschiede zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und D1:
1) Speicherung einer Angabe zur verfügbaren Datenrate der Datenverbindung zum Remote-Client, wobei die Datenrate niedriger ist als die maximale Datenrate der Datenverbindung zum Remote-Client,
2) Verwendung der verfügbaren Datenrate zur Bestimmung der Rate, mit der die Daten an den Remote-Client übertragen werden sollen (anstatt – wie in D1 – der Übertragung der Daten mit der maximalen Datenrate, die für den betreffenden Remote-Client gespeichert ist).
Aus dem Anspruch ist nicht ersichtlich, was mit der Verwendung einer "verfügbaren Datenrate" bezweckt werden soll, die niedriger ist als die maximale Datenrate der Datenverbindung zum Remote-Client. Deshalb ist die betreffende Offenbarung in der Beschreibung heranzuziehen. In der Beschreibung wird erläutert, dass ein Preismodell bereitgestellt wird, das es Kunden ermöglicht, zwischen mehreren Leistungsstufen zu wählen, wobei jede Leistungsstufe einer verfügbaren Datenrate mit einem bestimmten Preis entspricht. Ein Kunde kann sich also dafür entscheiden, eine Datenrate zu wählen, die niedriger ist als die maximale Datenrate seiner Datenverbindung, um weniger zahlen zu müssen. Mit der Verwendung einer verfügbaren Datenrate, die niedriger ist als die maximale Datenrate der Datenverbindung zum Remote-Client, soll es also dem Kunden ermöglicht werden, eine Datenratenleistung entsprechend eines Preismodells auszuwählen. Der Zweck ist daher nicht technischer, sondern finanzieller, administrativer oder geschäftlicher Natur und fällt damit unter das Patentierungsverbot für Pläne, Regeln und Geschäftsmethoden in Art. 52 (2) c). Er kann bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe als zu erfüllende Vorgabe aufgegriffen werden.
Die Merkmale der Speicherung der verfügbaren Datenrate und der Verwendung zur Bestimmung der Rate, mit der die Daten übertragen werden, haben die technische Wirkung, das nichttechnische Ziel umzusetzen.
Schritt iii) c): Die objektive technische Aufgabe besteht also darin, im System von D1 ein Preismodell umzusetzen, das es den Kunden ermöglicht, eine Leistungsstufe für die Datenrate auszuwählen.
Naheliegen: Angesichts der Aufgabe, diese Auswahl der Leistungsstufe für die Datenrate entsprechend einem Preismodell umzusetzen, wäre es für den Fachmann naheliegend, dass die Datenrate, die ein Abonnent erworben hat (d. h. die "verfügbare Datenrate" in Anspruch 1) – die nur niedriger als oder ebenso hoch wie die maximale Datenrate der Datenverbindung zum Computer des Abonnenten (d. h. zum "Remote-Client" in Anspruch 1) sein kann -, für jeden Abonnenten gespeichert und vom System verwendet werden müsste, um die Rate zu bestimmen, mit der die Daten an den Abonnenten übermittelt werden sollen. Damit liegt keine erfinderische Tätigkeit im Sinne der Art. 52 (1) und Art. 56 vor.
Anmerkungen: Das Beispiel umfasst einen Anspruch mit einer komplexen Mischung aus technischen und nichttechnischen Merkmalen. Prima facie ergibt sich in Schritt i), dass alle Merkmale scheinbar zum technischen Charakter der Erfindung beitragen. Nach einem Vergleich mit D1 ist in Schritt iii) eine eingehende Analyse des technischen Charakters bzw. des Beitrags der Erfindung zum Stand der Technik gegenüber D1 möglich. Diese eingehende Analyse ergibt, dass die Unterscheidungsmerkmale einem nichttechnischen Zweck dienen. Der nichttechnische Zweck kann bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe aufgegriffen werden (T 641/00).