3.5 Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten
Eine revidierte Fassung dieser Publikation ist in Kraft getreten. |
Das Patentierungsverbot für Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten nach Art. 52 (2) c) betrifft Anleitungen an den menschlichen Geist, kognitive, konzeptuelle oder intellektuelle Prozesse durchzuführen, wie etwa die Anleitung zum Erlernen einer Sprache. Das Verbot gilt nur, wenn diese Pläne, Regeln und Verfahren als solche beansprucht werden (Art. 52 (3)).
Wenn ein Verfahrensanspruch eine rein gedankliche Umsetzung aller Verfahrensschritte umfasst, fällt er unter die Kategorie der Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solche (Art. 52 (2) c) und Art. 52 (3)). Dies gilt unabhängig davon, ob der Anspruch auch technische Ausführungsformen umfasst und ob das Verfahren auf technischen Überlegungen beruht (T 914/02, T 471/05, G 3/08).
Ein Beispiel wäre ein Anspruch, der ein Verfahren zum Konzipieren einer Anordnung definiert, bei der Kernreaktor-Brennstoffbündel in einen Reaktorkern geladen werden, um die Menge der erzeugten Energie zu maximieren, bevor der Reaktorbrennstoff erneuert werden muss. Das Verfahren umfasst die Ermittlung der optimalen Werte für spezifische technische Parameter der Anordnung, indem mit Basiswerten begonnen wird, auf der Grundlage dieser Werte Simulationen durchgeführt und die Werte aufgrund der Simulationsergebnisse wiederholt geändert werden, bis ein Abbruchkriterium erfüllt ist. Ein solches Verfahren beruht auf technischen Überlegungen in Bezug auf das technische Gebiet der Kernreaktoren. Solange der Anspruch jedoch nicht ausschließt, dass alle Verfahrensschritte gedanklich ausgeführt werden können, ist der beanspruchte Gegenstand von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Dieser Einwand gilt auch, wenn die Simulation mithilfe einer technischen Messung erhaltene reale Werte umfasst, sofern der Anspruch nicht einen Schritt der Durchführung der technischen Messungen oder einen Schritt des Empfangens der gemessenen realen Werte mit technischen Mitteln enthält.
Die Komplexität eines Verfahrens kann dieses generell nicht als Verfahren zur Durchführung gedanklicher Tätigkeiten als solcher disqualifizieren. Wenn technische Mittel (z. B. ein Computer) zur Durchführung des Verfahrens erforderlich sind, sind sie als wesentliches Merkmal im Anspruch enthalten (Art. 84, F‑IV, 4.5). Zu Aspekten in Bezug auf algorithmische Effizienz siehe auch G‑II, 3.3.
Ein beanspruchtes Verfahren ist kein Verfahren zur Durchführung gedanklicher Tätigkeiten als solcher, wenn es die Verwendung technischer Mittel erfordert (z. B. eines Computers, einer Messvorrichtung usw.), um zumindest einen seiner Schritte auszuführen, oder wenn als Erzeugnis aus dem Verfahren ein Gegenstand resultiert (z. B. wenn es sich um ein Verfahren zur Herstellung eines Produkts handelt, das Schritte zur Konzeption des Produkts und einen Schritt zur Herstellung des so konzipierten Produkts umfasst).
Stellt sich heraus, dass das beanspruchte Verfahren als Ganzes nicht nach Art. 52 (2) und (3) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, werden die übrigen Patentierbarkeitserfordernisse geprüft, insbesondere Neuheit und erfinderische Tätigkeit (G‑I, 1).
Wenn ein Anspruch, der ein Verfahren zur Durchführung gedanklicher Tätigkeiten als solche definiert, durch die Angabe beschränkt wird, dass das Verfahren mit einem Computer durchgeführt wird, können nicht nur die Verwendung eines Computers, sondern auch die vom Computer ausgeführten Schritte selbst einen technischen Beitrag leisten, wenn sie dann zu einer technischen Wirkung beitragen. Das Vorliegen technischer Überlegungen wie der Überlegungen in Bezug auf das technische Gebiet der Kernreaktoren im vorstehenden Beispiel reicht allein nicht aus, um das Vorliegen einer technischen Wirkung zu bejahen (G 1/19).
Ein Verfahren umfassend Schritte, die die Verwendung von technischen Mitteln enthalten, kann auch Schritte spezifizieren, die vom Nutzer des Verfahrens gedanklich durchzuführen sind. Diese gedanklichen Schritte tragen zum technischen Charakter des Verfahrens nur dann bei, wenn sie im Kontext der Erfindung zu einer technischen Wirkung beitragen, die einem technischen Zweck dient.
Ein Verfahren kann beispielsweise Schritte spezifizieren, die zur Auswahl eines Produkts aus einer Produktfamilie anhand verschiedener Kriterien führen, sowie den Schritt der Herstellung des ausgewählten Produkts. Wenn diese Auswahlschritte gedanklich ausgeführt werden, tragen sie nur insofern zum technischen Charakter des Verfahrens bei, als von den Merkmalen, die die Unterfamilie der ausgewählten Produkte gegenüber der übergeordneten Familie der geeigneten Produkte kennzeichnen, eine technische Wirkung abgeleitet werden kann (T 619/02). Beruhen die Auswahlschritte auf rein ästhetischen Kriterien, führen sie zu einer nichttechnischen Auswahl und tragen somit nicht zum technischen Charakter des Verfahrens bei. Ein weiteres Beispiel ist ein Verfahren zur Befestigung eines Treibers an einem Coriolisdurchflussmesser; Schritte mit der Angabe, wie die Position des Treibers so zu wählen ist, dass die Leistung des Durchflussmessers maximiert wird, leisten hier insoweit einen technischen Beitrag, als sie diese konkrete Position definieren (T 1063/05).
Zusätzliche Informationen über Verfahren der Simulation, der Konstruktion und der Modellierung sind in G‑II, 3.3.2 zu finden. Näheres zu Verfahren der Informationsmodellierung und der Tätigkeit der Computerprogrammierung siehe G‑II, 3.6.2.