9.3 Ermäßigung aufgrund der Sprachenregelung
9.3.1 9.2.1 Voraussetzungen
Europäische Patentanmeldungen können in jeder beliebigen Sprache eingereicht werden. Bei Einreichungen in einer Nichtamtssprache muss eine Übersetzung vorgelegt werden. Die Sprachen, in denen eine europäische Patentanmeldung abgefasst werden kann, gliedern sich demnach in drei Kategorien:
b)Amtssprachen von Vertragsstaaten, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch sind, wie z. B. Niederländisch, Italienisch oder Spanisch ("zugelassene Nichtamtssprachen")
c)alle übrigen Sprachen wie z. B. Chinesisch, Japanisch oder Koreanisch
Außerdem können auch fristgebundene Schriftstücke in einer "zugelassenen Nichtamtssprache" eingereicht werden, wenn diese die Amtssprache eines Vertragsstaats ist, in dessen Hoheitsgebiet der Anmelder seinen Wohnsitz oder Sitz hat oder wenn der Anmelder Angehöriger eines solchen Staats ist (siehe A‑VII, 1.1 und A-VII, 1.2).
Art. 14 (4)
Bei ab dem 1. April 2014 eingereichten europäischen Patentanmeldungen gilt für bestimmte Anmelderkategorien Es gilt eine 30%ige Ermäßigung der Anmelde- und/oder Prüfungsgebühr für Anmelder mit Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines EPÜ-Vertragsstaats, in dem die betreffende Sprache Amtssprache ist, oder die die Staatsangehörigkeit dieses Vertragsstaats haben. Bei internationalen Anmeldungen, die ab dem 1. April 2014 in die europäische Phase eintreten, gilt eine 30%ige Ermäßigung der Prüfungsgebühr (siehe Mitteilung des EPA vom 10. Januar 2014, ABl. EPA 2014, A23 25. Januar 2024, ABl. EPA 2024, A8). Die Gebühr wird jedoch nur ermäßigt, wenn die ursprünglich eingereichte Fassung der Anmeldung und/oder der Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache eingereicht wird/werden und die Übersetzung frühestens zum selben Zeitpunkt wie der Antrag vorgelegt wird (siehe G 6/91 und A‑X, 9.3.2).
Anspruch auf die Gebührenermäßigung haben folgende Kategorien von Anmeldern:
‒Kleinstunternehmen
‒ kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
‒ natürliche Personen
‒ Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht, Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen
mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat des EPÜ, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist, sowie die Angehörigen dieses Staats mit Wohnsitz im Ausland.
Regel 6 (4)
Die Definition Definitionen von KMU und Kleinstunternehmen richtet richten sich nach der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 in der Fassung, in der sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde (siehe Mitteilung des EPA vom 25. Januar 2024, ABl. EPA 2024, A8). Als Unternehmen gilt nach dieser Empfehlung jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Die Größenklasse der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) setzt sich aus Unternehmen zusammen, die weniger als 250 Personen beschäftigen, die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. EUR beläuft, und deren Kapital zu maximal 25 % direkt oder indirekt von einem anderen Unternehmen gehalten wird, das selbst kein KMU ist. In der Kategorie KMU gilt ein Unternehmen als Kleinstunternehmen, wenn es weniger als 10 Personen beschäftigt und entweder einen Jahresumsatz und/oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Mio. EUR erzielt. Finanz- und Mitarbeiterschwellenwerte werden in Übereinstimmung mit der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG berechnet. Die wirtschaftliche Autonomie des betreffenden Unternehmens kann also Auswirkungen auf seine Einstufung als kleines und mittleres oder Kleinstunternehmen haben (siehe Art. 3 und 6 der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG). Näheres und Beispiele für die Berechnung von Finanz- und Mitarbeiterschwellenwerten sind dem "Benutzerleitfaden zur Definition von KMU" der Europäischen Kommission unter data.europa.eu/doi/10.2873/255862 zu entnehmen.
In Bezug auf die Anspruchsberechtigung der anderen in Regel 6 (4) Regel 7a (2) genannten Einheiten gelten folgende Definitionen:
i)"Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht" sind Organisationen, denen es aufgrund ihrer Rechtsform oder ihrer Satzung nach den einschlägigen Rechtsvorschriften untersagt ist, Einnahmen, Gewinne oder andere finanzielle Vorteile für ihre Eigentümer zu erwirtschaften, oder die, falls eine Gewinnerzielung zulässig ist, einer statutären/gesetzlichen Verpflichtung unterliegen, diese Gewinne im Interesse der Organisation zu reinvestieren.
ii)Unter "Hochschulen" sind "klassische" Hochschulen zu verstehen, d. h. akademische Bildungs- und Forschungseinrichtungen nach den einschlägigen Rechtsvorschriften. Dabei gelten vergleichbare Einheiten Einrichtungen wie etwa Sekundar- und Hochschuleinrichtungen als Hochschulen.
iii)"Öffentliche Forschungseinrichtungen" sind öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie Hochschulen oder Forschungsinstitute unabhängig von ihrer Finanzierungsweise, deren Hauptaufgabe in Grundlagenforschung, industrieller Forschung oder experimenteller Entwicklung besteht und die deren Ergebnisse durch Lehre, Veröffentlichung und Technologietransfer verbreiten. Sämtliche Einnahmen werden in die Forschung, die Verbreitung von Forschungsergebnissen oder die Lehre reinvestiert.
Regel 6 (5)
Falls es mehrere Anmelder gibt, wird die Ermäßigung nur gewährt, wenn jeder Anmelder eine natürliche oder juristische Person im Sinne von Regel 6 (4) Regel 7a (2) ist; es ist jedoch ausreichend, wenn nur einer von ihnen berechtigt ist, eine zulässige Nichtamtssprache zu verwenden (Art. 14 (4), Regel 6 (3) Regel 7a (1)).
Regel 6 (7)
Ein Anmelder, der die Ermäßigung der Anmelde- oder Prüfungsgebühr nach Art. 14 (1) GebO in Anspruch nehmen möchte, muss erklären, dass er eine natürliche oder juristische Person im Sinne von Regel 6 (4) Regel 7a (2) ist. Diese Erklärung kann erfolgen, indem das entsprechende Kästchen entweder bei der Einreichung der Anmeldung auf dem Formblatt für den Erteilungsantrag (EPA Form 1001) oder bei Einreichung des Antrags auf Eintritt in die europäische Phase auf dem Formblatt EPA Form 1200 ausgewählt wird. Ein Anmelder, der die Erklärung nachreichen möchte, kann auch das nicht obligatorische Formblatt EPA Form 1011 verwenden, das in der Online-Einreichung und der Online-Einreichung 2.0 zur Verfügung steht oder auf der Website des EPA (epo.org) heruntergeladen werden kann. Zu Euro-PCT-Anmeldungen siehe E‑IX, 2.1.4.
Regel 6 (6)
Spätestens am Zahlungstag der betreffenden Gebühr müssen die Anspruchserklärungen erfüllt sein und ist die Erklärung einzureichen. Ändert sich der Status einer Einheit nach Regel 6 (4), nachdem die Erklärung eingereicht wurde, so gilt diese Änderung nur für die Zukunft und hat dies keine Rückwirkung keine Auswirkungen auf bereits gewährte Gebührenermäßigungen, die zum Zeitpunkt ihrer Gewährung berechtigt waren entrichtete ermäßigte Gebühren (ABl. EPA 2024, A8).
Das EPA führt Stichprobenkontrollen im Hinblick auf die Einhaltung der Anspruchskriterien nach Regel 6 (3) und (7) durch. Ergeben sich aufgrund dieser Kontrollen im Erteilungsverfahren berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung des Anmelders, kann das EPA entsprechende Nachweise verlangen.
Sollte sich herausstellen, dass die Erklärung des Anmelders falsch ist, so gilt die Gebühr als nicht entrichtet, da sie zu Unrecht ermäßigt wurde, und die Anmeldung kann gemäß Art. 78 (2) und/oder Art. 94 (2) als zurückgenommen gelten. Dasselbe gilt, wenn keine Erklärung eingereicht wird. Der gegebenenfalls aus einer falschen oder fehlenden Erklärung erwachsende Rechtsverlust kann durch einen Antrag auf Weiterbehandlung nach Art. 121 und Regel 135 – sofern jeder etwaige Fehlbetrag und die Gebühr für die Weiterbehandlung entrichtet werden (siehe E‑VIII, 2) – oder durch einen Antrag auf eine Entscheidung nach Regel 112 (2) (siehe E‑VIII, 1.9.3) überwunden werden.
Auf europäische Patentanmeldungen, die vor dem 1. April 2014 eingereicht wurden, auf internationale Anmeldungen, die vor diesem Tag in die europäische Phase eingetreten sind, auf Einsprüche und Beschwerden, die vor diesem Tag eingelegt wurden, sowie auf Überprüfungsanträge und Anträge auf Beschränkung oder Widerruf, die vor diesem Datum gestellt wurden, wurde die bis dahin geltende Gebührenermäßigung angewendet.