4. Nicht recherchierte Gegenstände betreffende Änderungen
4.2 Euro-PCT-Anmeldungen
Bei Euro-PCT-Anmeldungen, für die das EPA als ISA oder als SISA tätig war, muss die Prüfungsabteilung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist, die in der Mitteilung nach Regel 161/Regel 162 gesetzt wurde, für jede nun beanspruchte, aber nicht recherchierte Erfindung, die in den der Prüfung zugrunde zu legenden ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (Beschreibung, Ansprüche und ggf. Zeichnungen) enthalten ist, eine Aufforderung nach Regel 164 (2) erlassen (siehe C‑III, 3.1).
5.Sonstige Erfordernisse des EPÜ, denen Änderungen entsprechen müssen
5.1Allgemeines
Die sonstigen Erfordernisse des EPÜ, denen Änderungen entsprechen müssen, hängen davon ab, ob die Änderungen im Prüfungs-, Einspruchs- oder Beschränkungsverfahren eingereicht werden (siehe unten).
5.2Prüfungsverfahren
Bei der Frage nach der Zulässigkeit einer Änderung geht es juristisch gesehen darum, ob die Anmeldung in der geänderten Fassung zulässig ist. Eine geänderte Anmeldung muss natürlich allen Erfordernissen des EPÜ entsprechen, insbesondere hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit und jener Punkte, die in B‑XI, 3.6 aufgeführt sind (siehe auch C‑III, 2). Jedoch darf die Prüfungsabteilung vor allem in Fällen, in denen die Patentansprüche wesentlich beschränkt worden sind, nicht außer Acht lassen, dass im Zusammenhang mit Änderungen möglicherweise folgende Fragen besonders zu berücksichtigen sind:
i)Einheitlichkeit der Erfindung
Erfüllen die geänderten Patentansprüche weiterhin die Erfordernisse des Art. 82? Scheint sich aus dem Recherchenbericht ein Mangel an Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit in Bezug auf die Idee zu ergeben, die allen Patentansprüchen gemein ist, erfordern aber die geänderten Patentansprüche keine weitere Recherchenarbeit, so erwägt die Prüfungsabteilung sorgfältig, ob der Verfahrensstand noch einen Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit rechtfertigt (siehe F‑V, 6). Fehlt den Patentansprüchen jedoch eine gemeinsame erfinderische Idee und ist eine weitere Recherche notwendig, so wird ein Einwand erhoben.
ii)Übereinstimmung zwischen Beschreibung und Patentansprüchen
Ist die Beschreibung im Falle einer Änderung der Patentansprüche entsprechend zu ändern, um schwerwiegende Widersprüche zwischen Patentansprüchen und Beschreibung auszuräumen? Werden beispielsweise alle Ausführungsformen der beschriebenen Erfindung weiterhin vom Umfang eines oder mehrerer Patentansprüche erfasst (siehe F‑IV, 4.3 und H‑V, 2.7)? Werden umgekehrt alle geänderten Patentansprüche von der Beschreibung gestützt (siehe F‑IV, 6)? Ist ferner, wenn die Kategorien der Patentansprüche geändert worden sind, die Bezeichnung entsprechend zu ändern (siehe H‑V, 8)?
5.3Einspruchsverfahren
Der Patentinhaber hat grundsätzlich anzugeben, aus welchen Stellen der ursprünglichen Anmeldeunterlagen bzw. der erteilten Patentansprüche die Änderungen herleitbar sind (Art. 100 c) und Art. 123 (2)). Darüber hinaus sollte er zur Patentfähigkeit des geänderten Patentbegehrens (bezogen auf Art. 100 a) bzw. Art. 100 b)) unter Berücksichtigung des Stands der Technik sowie der im Einspruchsschriftsatz vorgebrachten Einwendungen der Einsprechenden gegebenenfalls unter Vorlage der zur Begründung vorzubringenden Beweismittel Stellung nehmen.
Das Einspruchsverfahren stellt keineswegs eine Gelegenheit dar, das ganze Patent erneut zu prüfen; nur die in das Patent aufgenommenen Änderungen müssen daraufhin geprüft werden, ob sie dem EPÜ insgesamt entsprechen (siehe G 3/14, T 227/88 und T 301/87). Deshalb prüft die Einspruchsabteilung, ob das Patent nicht aufgrund der Änderungen selbst gegen das EPÜ (mit Ausnahme von Art. 82, siehe G 1/91 und D‑V, 2) verstößt. Zu Art. 84 siehe D‑V, 5. Zur Form der geänderten Unterlagen siehe H‑III, 2.2 bis H-III, 2.4. Insbesondere muss auch den Formerfordernissen gemäß den Regeln 30 bis 34 sowie Regel 42, Regel 43, Regel 48 und Regel 50 sowie dem Beschluss des Präsidenten des EPA vom 25. November 2022, ABl. EPA 2022, A113 entsprochen werden (siehe Regel 86).
5.4Beschränkungsverfahren
Das Beschränkungsverfahren stellt keineswegs eine Gelegenheit dar, das ganze Patent erneut zu prüfen; es muss lediglich sichergestellt werden, dass die geänderten Ansprüche den Art. 84 und Artikel 123 (2) und Artikel 123 (3) entsprechen, d. h. es muss geprüft werden, ob die beantragten Änderungen einen Mangel im Sinne dieser Bestimmungen einführen. Erteilte oder aufrechterhaltene Ansprüche werden nicht erneut geprüft.
5.4.1Art. 84
Des Weiteren ist zu prüfen, ob die geänderten Ansprüche mit Art. 84 in Einklang stehen. Wie im Beschränkungsverfahren Klarheit gemäß Art. 84 auszulegen ist, wird durch die üblichen Standards geregelt (siehe F‑IV, 4, F-IV, 5 und F-IV, 6). Zu beachten ist dabei, dass bloße Klarstellungen von Ansprüchen, insbesondere von abhängigen Ansprüchen, nicht zulässig sind, es sei denn, sie werden durch Beschränkungen notwendig, die an anderer Stelle in den Ansprüchen vorgenommen wurden.
5.4.2Prüfung der Beschreibung und/oder der Zeichnungen
Gemäß Regel 95 (2) sind im Beschränkungsverfahren nur die geänderten Patentansprüche zu prüfen. Hat der Anmelder keine Änderungen der Beschreibung eingereicht, prüft die Prüfungsabteilung aber trotzdem, ob die geänderten Ansprüche noch von der Beschreibung gestützt werden. Ist dies nicht der Fall, so wird der Patentinhaber nach Regel 95 (2) aufgefordert, die Beschreibung oder die Ansprüche zu ändern, um den Erfordernissen des Art. 84 zu entsprechen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Prüfungsabteilung die Beschreibung nicht von Amts wegen ändern kann.
Werden im Beschränkungsverfahren jedoch eine geänderte Beschreibung und/oder geänderte Zeichnungen mit den Ansprüchen vorgelegt, so sind sie zu prüfen, allerdings nur darauf hin, ob sie den Erfordernissen des Art. 123 (2) und (3) sowie des Art. 84 genügen. Unzulässig sind Änderungen der Beschreibung, die nur darauf abzielen, das Patent zu verbessern, oder kosmetische Änderungen, die nicht durch die beschränkten Ansprüche erforderlich werden.
5.4.3Nicht zu berücksichtigende Punkte
Im Beschränkungsverfahren wird nicht geprüft, warum ein Antrag auf Beschränkung gestellt wurde oder ob das Ziel der Beschränkung erreicht wurde, z. B. ob die geänderten oder beschränkten Ansprüche gegenüber einem bestimmten Dokument des Stands der Technik wirklich neu sind.
Im Allgemeinen wird auch nicht geprüft, ob die beschränkten Ansprüche gegen die Art. 52 bis 57 verstoßen. Es kann aber vorkommen, dass die Beschränkung zu prima facie erkennbaren Verstößen gegen die Patentierbarkeitskriterien führt, z. B. gegen Art. 53; in diesem Fall setzt die Prüfungsabteilung den Antragsteller von diesem Verstoß in Kenntnis.
Beispiele:
Ein auf eine generische Pflanze gerichteter erteilter Anspruch wird auf eine bestimmte Pflanzensorte beschränkt. Da der geänderte Anspruch dann auf eine Pflanzensorte an sich gerichtet ist, ist er nach Art. 53 b) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen (G 1/98).
Ein Anspruch, der bei der Erteilung auf ein Gerät gerichtet war, das einen kontrollierten Explosionsmechanismus enthält, wird so beschränkt, dass er auf eine Antipersonenmine gerichtet ist, die den kontrollierten Explosionsmechanismus enthält – damit verstößt der Anspruch gegen Art. 53 a).