EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 25. Januar 2024 über gebührenbezogene Unterstützungsmaßnahmen für kleinere Einheiten
I. Einführung
1. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2023 (CA/D 16/23) hat der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation Regel 6 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) und Artikel 14 der Gebührenordnung (GebO) geändert und die neuen Regeln 7a und 7b EPÜ genehmigt. Mit diesen Änderungen wird ein neues System der Gebührenermäßigungen speziell für Kleinsteinheiten eingeführt. Die Änderungen treten am 1. April 2024 in Kraft und gelten für Gebührenzahlungen, die am oder nach diesem Datum für europäische Patentanmeldungen und in die europäische Phase eingetretene Euro-PCT-Anmeldungen geleistet werden, und zwar unabhängig vom Anmeldetag.
2. Das neue System zielt darauf ab, das Wachstum und die Entwicklung kleinerer und weniger erfahrener Einheiten in Europa zu unterstützen, indem es ihnen den Zugang zum europäischen Patentsystem erleichtert. Es ergänzt die bestehenden Unterstützungsmaßnahmen für kleinere Einheiten und insbesondere die sprachenabhängigen Gebührenermäßigungen. Die beiden gebührenbezogenen Systeme wurden in den Regeln 7a und 7b EPÜ und in Artikel 14 GebO zusammengefasst.
3. Die vorliegende Mitteilung enthält ausführliche Informationen über die Beantragung von Gebührenermäßigungen nach diesen Systemen und insbesondere nach dem neuen System für Kleinsteinheiten. Sie ersetzt die Mitteilung des EPA vom 10. Januar 2014 über die Änderung von Regel 6 EPÜ und Artikel 14 (1) GebO (ABl. EPA 2014, A23).
II. Umfang der Systeme und Definitionen
4. Die Anspruchskriterien für sprachenabhängige Gebührenermäßigungen, die nun in Artikel 14 (4) und Regel 7a (1) und (2) EPÜ (zuvor Regel 6 (3) und (4) EPÜ) festgelegt sind, haben sich nicht geändert. Eine Gebührenermäßigung beantragen können kleinere Einheiten, die ihren Wohnsitz oder Sitz in einem EPÜ-Vertragsstaat haben und eine europäische Patentanmeldung oder einen Prüfungsantrag in einer Amtssprache dieses Staats einreichen, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch ist.1
5. Die sprachenabhängigen Gebührenermäßigungen nach Regel 7a (1) EPÜ können kleineren Einheiten gewährt werden. Dazu zählen:
- Kleinstunternehmen,
- kleine und mittlere Unternehmen (KMU),
- natürliche Personen sowie
- Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht, Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen.
6. Das neue Gebührenermäßigungssystem nach Regel 7a (3) EPÜ hingegen gilt nur für Kleinsteinheiten, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Sitz. Dazu gehören die vorstehend genannten kleineren Einheiten mit Ausnahme von KMU, die größer als Kleinsteinheiten sind.
7. Für das sprachenabhängige und Kleinsteinheiten betreffende Gebührenermäßigungssystem (Regel 7a (2) und (3) EPÜ) gelten die Definitionen von KMU und Kleinstunternehmen gemäß Artikel 2 der Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003 in der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Fassung (L 124 vom 20. Mai 2003, S. 36; s. Anlage 2 zu dieser Mitteilung).
8. Die anderen in Regel 7a (2) und (3) EPÜ genannten Einheiten, die Anspruch auf die sprachenabhängigen und/oder die Kleinsteinheiten betreffenden Gebührenermäßigungen haben, werden wie folgt definiert:
i) "Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht" sind Organisationen, denen es aufgrund ihrer Rechtsform oder ihrer Satzung nach den einschlägigen Rechtsvorschriften untersagt ist, Einnahmen, Gewinne oder andere finanzielle Vorteile für ihre Eigentümer zu erwirtschaften, oder die, falls eine Gewinnerzielung zulässig ist, einer statutären/gesetzlichen Verpflichtung unterliegen, diese Gewinne im Interesse der Organisation zu reinvestieren.
ii) "Hochschulen" sind "klassische" Hochschulen, d. h. akademische Bildungs- und Forschungseinrichtungen nach den einschlägigen Rechtsvorschriften. Dabei gelten vergleichbare Einheiten wie etwa Sekundar- und Hochschuleinrichtungen als Hochschulen.
iii) "Öffentliche Forschungseinrichtungen" sind öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie Hochschulen oder Forschungsinstitute unabhängig von ihrer Finanzierungsweise, deren Hauptaufgabe in Grundlagenforschung, industrieller Forschung oder experimenteller Entwicklung besteht und die deren Ergebnisse durch Lehre, Veröffentlichung und Technologietransfer verbreiten. Sämtliche Einnahmen werden in die Forschung, die Verbreitung von Forschungsergebnissen oder die Lehre reinvestiert.
III. Betroffene Gebühren
9. Die Gebührenermäßigung nach dem sprachenabhängigen und dem Kleinsteinheiten betreffenden Unterstützungssystem (Regel 7a (1) und (3) EPÜ) beträgt 30 % der betreffenden Gebühr.
10. Die sprachenabhängige Ermäßigung für kleinere Anmelder gemäß Regel 7a (1) EPÜ gilt für die Anmeldegebühr einschließlich etwaiger darin enthaltener Zusatzgebühren sowie für die Prüfungsgebühr.
11. Die Ermäßigung für Kleinsteinheiten gemäß Regel 7a (3) EPÜ gilt für:
- die Anmeldegebühr einschließlich etwaiger darin enthaltener Zusatzgebühren;
- die Gebühr für eine europäische Recherche oder die Gebühr für eine ergänzende europäische Recherche im Falle einer Euro-PCT-Anmeldung, bei der eine andere Internationale Recherchenbehörde (ISA) als das EPA die Recherche durchgeführt hat;
- die Prüfungsgebühr und gegebenenfalls die zuvor entrichtete internationale Recherchengebühr, wenn das EPA als ISA tätig war;
- die Benennungsgebühr;
- die Erteilungsgebühr;
- die Jahresgebühren für europäische Patentanmeldungen.
12. Für eine Euro-PCT-Anmeldung, bei der das EPA als ISA die Recherche durchgeführt hat:
- Die Prüfungsgebühr kann gemäß dem Kleinsteinheiten betreffenden Unterstützungssystem nach Regel 7a (3) EPÜ zweimal ermäßigt werden: einmal durch eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr, und dann zusätzlich durch eine Ermäßigung der tatsächlich gezahlten internationalen Recherchengebühr, d. h. der Recherchengebühr abzüglich potenzieller Erstattungen oder Ermäßigungen. (Zum Beispiel kann die internationale Recherchengebühr vollständig oder teilweise rückerstattet worden sein, weil ein früherer, vom EPA als ISA erstellter Recherchenbericht zu einer Anmeldung, deren Priorität beansprucht wird, wiederverwendet wird; siehe ABl. EPA 2019, A5).
- Die Ermäßigung der internationalen Recherchengebühr gilt, sofern die Prüfungsgebühr am oder nach dem 1. April 2024 entrichtet wird, auch wenn die internationale Recherchengebühr vor diesem Datum entrichtet wurde.
IV. Erklärungspflicht
13. Anmelder, die die sprachenabhängigen und/oder die Kleinsteinheiten betreffenden Gebührenermäßigungen (Regel 7a (1) bzw. (3) EPÜ) in Anspruch nehmen möchten, müssen eine ausdrückliche Erklärung über ihren Status abgeben, wonach sie ein Kleinstunternehmen, ein KMU, eine natürliche Person oder eine Organisation ohne Gewinnerzielungsabsicht, eine Hochschule oder eine öffentliche Forschungseinrichtung im Sinne von Regel 7a (2) und/oder (3) EPÜ sind.
14. Diese Erklärung kann erfolgen, indem das entsprechende Kästchen im Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents (EPA Form 1001) bzw. im Antrag auf Eintritt in die europäische Phase (EPA Form 1200) angekreuzt wird. Anmelder, die die Erklärung separat einreichen möchten, können auch EPA Form 1011 verwenden, das im PDF-Format auf der EPA-Website verfügbar ist. In diesem Fall muss die Erklärung spätestens bei Entrichtung der betreffenden Gebühr eingereicht werden.
15. Gemäß Regel 7a (5) EPÜ muss bei mehreren Anmeldern jeder von ihnen eine Einheit im Sinne der Regel 7a (2) oder (3) EPÜ sein, damit die Gebührenermäßigung nach dem sprachenabhängigen bzw. dem Kleinsteinheiten betreffenden Unterstützungssystem zur Anwendung kommt.
16. Jede Änderung des Status einer Einheit nach Regel 7a (2) und/oder (3) EPÜ, die eine Gebührenermäßigung beantragt hat, ist dem EPA mitzuteilen. Änderungen im Status einer Einheit, die nach der Einreichung der Erklärung erfolgen, gelten nur für die Zukunft und haben keine Auswirkungen auf bereits entrichtete ermäßigte Gebühren. Im Falle einer Übertragung der Patentanmeldung findet die Gebührenermäßigung nur dann weiterhin Anwendung, wenn auch der neue Anmelder nach Regel 7a (2) und/oder (3) EPÜ anspruchsberechtigt in Bezug auf sprachenabhängige bzw. Kleinsteinheiten betreffende Unterstützung ist. Der neue Anmelder muss eine neue Erklärung einreichen.
17. Das EPA führt im Erteilungsverfahren Stichprobenkontrollen zum Status der Anmelder durch. Ergeben sich aufgrund dieser Kontrollen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit einer Erklärung, kann das EPA entsprechende Nachweise verlangen.
V. Fehlende oder falsche Erklärung und anwendbare Rechtsmittel
18. Reicht der Anmelder die entsprechende Erklärung nicht zum Zahlungszeitpunkt ein, kommen keine Ermäßigungen zur Anwendung. Ein Anmelder kann die fehlende Erklärung jederzeit später einreichen. Die Ermäßigungen gelten allerdings nur für Gebühren, die nach dem Tag der Einreichung der Erklärung entrichtet werden.
19. Wenn eine Erklärung zum Status des Anmelders falsch ist, d. h. der Anmelder fälschlich erklärt hat, eine Einheit im Sinne des sprachenabhängigen bzw. Kleinsteinheiten betreffenden Unterstützungssystems (Regel 7a (2) und/oder (3) EPÜ) zu sein, gilt eine zu Unrecht ermäßigte Gebühr als nicht wirksam entrichtet und die Anmeldung gilt nach Artikel 78 (2), 86 (1) und 94 (2) EPÜ sowie Regel 39 (2) und 71 (7) EPÜ als zurückgenommen. Bei Jahresgebühren für europäische Patentanmeldungen gilt jedoch die übliche sechsmonatige Nachfrist nach Regel 51 (2) EPÜ, sodass der Fehlbetrag einschließlich der Zuschlagsgebühr noch innerhalb dieser Frist entrichtet werden kann. Dasselbe gilt, wenn keine Erklärung eingereicht wurde, aber der Anmelder eine ermäßigte Gebühr entrichtet hat.
20. Der aus einer falschen Erklärung zum Status des Anmelders erwachsende Rechtsverlust kann gegebenenfalls mit einem der verfügbaren Rechtsmittel (nach Artikel 121 und Regel 135 EPÜ oder Artikel 122 und Regel 136 EPÜ) abgewendet werden, sofern der Fehlbetrag und die entsprechende Gebühr entrichtet werden. Der Anmelder kann ansonsten eine Entscheidung nach Regel 112 (2) EPÜ beantragen.
VI. Obergrenze für Anmeldungen mit Anspruch auf Gebührenermäßigungen nach dem Unterstützungssystem für Kleinsteinheiten
21. Die Gebührenermäßigungen für Kleinsteinheiten nach Regel 7a (3) EPÜ gelten bei Zahlungen für europäische Patentanmeldungen oder in die europäische Phase eingetretene internationale Anmeldungen (Euro-PCT-Anmeldungen) nur dann, wenn die Kleinsteinheit weniger als fünf Anmeldungen mit einem maßgeblichen Zeitpunkt in den fünf Jahren vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung eingereicht hat, für die die Gebührenermäßigung beantragt wird (siehe Beispiele in Anlage 1).
22. Der maßgebliche Zeitpunkt ist der Anmeldetag der betreffenden europäischen Patentanmeldung oder der Tag des Eintritts der betreffenden Euro-PCT-Anmeldung in die europäische Phase. Für die Zwecke von Regel 7a (4) EPÜ ist der maßgebliche Zeitpunkt einer Teilanmeldung das Eingangsdatum dieser Anmeldung.
23. Bei einer Anmeldung mit fünf oder mehr früheren Anmeldungen innerhalb des Fünfjahreszeitraums ("Obergrenze") hat die Kleinsteinheit keinen Anspruch auf eine Gebührenermäßigung. Dies gilt unabhängig davon, ob für die früheren Anmeldungen Gebühren ermäßigt wurden, und unabhängig von ihrem aktuellen Status (anhängig, zurückgenommen, als zurückgenommen geltend, zurückgewiesen oder Patent erteilt). Mit dieser Obergrenze soll sichergestellt werden, dass die Unterstützungsmaßnahmen nur solchen Anmeldern zugutekommen, die geringe oder gar keine Erfahrung mit dem europäischen Patentsystem haben. In dem Fall, dass ein Anmelder mehrere Anmeldungen mit demselben maßgeblichen Zeitpunkt einreicht, wird die Reihenfolge für die Zwecke der Obergrenze durch die Anmeldenummern festgelegt.
24. Bei einem Rechtsübergang für eine Anmeldung wird für künftige Zahlungen und für die Berechnung der Obergrenze der neue Anmelder berücksichtigt. Ab dem Datum, an dem die Eintragung des Rechtsübergangs im Europäischen Patentregister rechtswirksam wird, kann dies Auswirkungen auf die Anspruchsberechtigung der übrigen anhängigen Anmeldungen des Anmelders haben. Keine Auswirkungen hat der Rechtsübergang für Zahlungen, die geleistet wurden, bevor die Eintragung des Rechtsübergangs rechtswirksam wird. Handelt es sich bei dem neuen Anmelder um eine Kleinsteinheit, ist eine Erklärung für die Unterstützung von Kleinsteinheiten erforderlich.
25. Die Obergrenze für anspruchsberechtigte Anmeldungen pro Anmelder wird vom EPA systematisch überprüft, wenn die Berechtigung geltend gemacht wird.
26. Wenn eine ermäßigte Gebühr entrichtet, aber die Obergrenze überschritten wurde, wird der Anmelder aufgefordert, den Fehlbetrag innerhalb von zwei Monaten ab dem Datum der Aufforderung zu entrichten. Bei Jahresgebühren für europäische Patentanmeldungen gilt jedoch die übliche sechsmonatige Nachfrist nach Regel 51 (2) EPÜ (siehe Nr. 19).
VII. Kombination des sprachenabhängigen und des Kleinsteinheiten betreffenden Gebührenermäßigungssystems
27. Die verschiedenen Gebührenermäßigungssysteme des EPA können kombiniert werden. So kann ein Anmelder zum Beispiel Anspruch auf Gebührenermäßigungen sowohl nach Regel 7a (1) als auch nach Regel 7a (3) EPÜ haben.
28. Wird zum Beispiel eine Gebühr von 1 000 EUR gemäß Regel 7a (1) EPÜ um 30 % auf 700 EUR ermäßigt und wird gemäß Regel 7a (3) EPÜ eine weitere Ermäßigung um 30 % angewendet, so wird die zweite Ermäßigung auf der Grundlage von 700 EUR berechnet, was 490 EUR ergibt. Das heißt, dass beide Ermäßigungen zusammen zu einer Ermäßigung um 51 % führen, nämlich von 1 000 EUR auf 490 EUR.
Anlage 1 – Berechnungsbeispiele zur Obergrenze für Anmeldungen mit Anspruch auf Gebührenermäßigungen für Kleinsteinheiten (Regel 7a (3) EPÜ)
Anlage 2 – Empfehlung der Europäischen Kommission 2003/361/EG vom 6. Mai 2003
Abrufbar unter:
eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2003:124:0036:0041:DE:PDF
1 Richtlinien für die Prüfung im EPA, A-X, 9.2.1.