Kapitel 5 – Das europäische Patenterteilungsverfahren
Eine revidierte Fassung dieser Publikation ist in Kraft getreten. |
5.6.001Der Patentinhaber kann den Widerruf oder die Beschränkung seines eigenen Patents beantragen. Der Antrag kann jederzeit nach der Erteilung, nach dem Einspruchsverfahren oder sogar nach dem Erlöschen des Patents gestellt werden. Wird er jedoch gestellt, während ein Einspruchsverfahren in Bezug auf das europäische Patent anhängig ist, so gilt er als nicht gestellt, weil das Einspruchsverfahren Vorrang hat. Bei Widerruf wird der Antragsteller darüber unterrichtet, dass der Antrag im anhängigen Einspruchsverfahren bearbeitet wird, ohne dass eine Gebühr zu entrichten ist. Das Verfahren nach Artikel 105a wird anschließend eingestellt. Wird Einspruch eingelegt, während ein Widerrufsantrag anhängig ist, so wird das Widerrufsverfahren aus Gründen der Verfahrenseffizienz fortgesetzt. Wird Einspruch eingelegt, während bereits ein Beschränkungsverfahren anhängig ist, so wird das Beschränkungsverfahren eingestellt und die Beschränkungsgebühr zurückgezahlt. Das Einspruchsverfahren wird fortgesetzt.
5.6.002Der Antrag ist unmittelbar beim EPA zu stellen. Er kann elektronisch mit der Software für die Online-Einreichung des EPA oder der Online-Einreichung 2.0 des EPA, nicht jedoch mit dem Dienst für die Web-Einreichung des EPA eingereicht werden (vgl. 4.4.001 - 4.4.006). Die Einreichung per Post oder durch unmittelbare Übergabe ist ebenfalls möglich. Die Verwendung des entsprechenden EPA Form 2380 ist zwar nicht vorgeschrieben, wird aber empfohlen; es kann kostenlos von der Website des EPA (epo.org) heruntergeladen werden. Dabei gelten die allgemeinen Vorschriften für die Einreichung der europäischen Patentanmeldung (R. 35 ff.) und das Vertretungserfordernis für Patentinhaber ohne Sitz in einem Vertragsstaat (vgl. 4.1.023 und 4.1.024). Der Antrag gilt erst als gestellt, wenn die Beschränkungs- oder Widerrufsgebühr entrichtet worden ist.
5.6.003Gegenstand des Beschränkungs- oder Widerrufsverfahrens ist das europäische Patent in der erteilten bzw. im Einspruchs- oder (früheren) Beschränkungsverfahren geänderten Fassung. Da die Beschränkung des Patents durch eine Änderung der Ansprüche erfolgt, muss der Antrag eine vollständige Fassung der geänderten Patentansprüche (und gegebenenfalls der Beschreibung und der Zeichnungen in der geänderten Fassung) enthalten. Kommt der Patentinhaber diesem oder den allgemeinen die Sprache und die Vertretung betreffenden Erfordernissen (vgl. 4.1.006 - 4.1.010 und 4.1.023 - 4.1.031) nicht nach, so fordert ihn das EPA auf, diese Mängel innerhalb einer von ihm bestimmten Frist (in der Regel zwei Monate) zu beseitigen. Werden die Mängel nicht rechtzeitig behoben, wird der Antrag als unzulässig verworfen. Es besteht jedoch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, und die Entscheidung über die Zurückweisung des Antrags kann mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Entscheidung wird an dem Tag wirksam, an dem sie im Europäischen Patentblatt bekannt gemacht wird. Sie bewirkt, dass das Patent als von Anfang an widerrufen gilt, und zwar für alle Vertragsstaaten, für die es erteilt worden ist. Es ist nicht möglich, das Patent nur in einigen Vertragsstaaten zu widerrufen und in anderen nicht.
5.6.005Wird die Beschränkung des Patents beantragt und ist der Antrag zulässig, so setzt die Prüfungsabteilung die Prüfung des Antrags fort. Grundlage der Prüfung ist das Patent in der erteilten bzw. im Einspruchs- oder Beschränkungsverfahren geänderten Fassung. In Fällen, in denen bereits sowohl ein Einspruchs- als auch ein Beschränkungsverfahren stattgefunden haben, wird das Patent in der im letzten dieser Verfahren geänderten Fassung geprüft. Die Prüfungsabteilung prüft nur, ob die geänderten Patentansprüche des Antrags gegenüber den Ansprüchen in der erteilten oder geänderten Fassung eine Beschränkung darstellen und ob sie deutlich und knapp gefasst sind, durch die Beschreibung gestützt werden und keinen Gegenstand enthalten, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
5.6.006"Beschränkung" bedeutet, dass der Schutzbereich der Patentansprüche verkleinert wird. Bloße Klarstellungen oder Änderungen, die dem Schutz eines anderen Gegenstands dienen, können nicht als Beschränkungen gelten. Stellt die Prüfungsabteilung Mängel fest, so fordert sie den Antragsteller auf, diese innerhalb einer von ihr bestimmten Frist (in der Regel zwei Monate) zu beseitigen.
5.6.007Ist dem Antrag auf Beschränkung stattzugeben, so teilt die Prüfungsabteilung dies dem Antragsteller mit und fordert ihn auf, innerhalb einer nicht verlängerbaren Frist von drei Monaten die vorgeschriebene Gebühr für die Veröffentlichung einer geänderten Patentschrift zu entrichten und eine Übersetzung der geänderten beschränkten Patentansprüche in den anderen beiden Amtssprachen einzureichen. Wenn dies für notwendig erachtet wird, müssen die Beschreibung und die Zeichnungen entsprechend angepasst werden. Werden die erforderlichen Handlungen nicht rechtzeitig vorgenommen, so können sie noch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung einer Mitteilung, in der auf die Fristversäumung hingewiesen wird, wirksam nachgeholt werden, sofern innerhalb dieser Frist eine Zuschlagsgebühr entrichtet wird.
Die Vorgehensweise ist dieselbe wie im Einspruchsverfahren. Wenn der Antragsteller rechtzeitig die Gebühr entrichtet und die erforderlichen Übersetzungen einreicht, beschränkt die Prüfungsabteilung das Patent. Anschließend wird die geänderte Patentschrift in der beschränkten Fassung veröffentlicht und eine neue Urkunde ausgestellt. Andernfalls wird der Antrag zurückgewiesen.