4.1 Formerfordernisse
Eine revidierte Fassung dieser Publikation ist in Kraft getreten. |
4.1.017Jedermann, der in einem oder mit Wirkung für einen Vertragsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums oder ein Mitglied der Welthandelsorganisation eine Anmeldung für ein Patent, ein Gebrauchsmuster oder ein Gebrauchszertifikat vorschriftsmäßig eingereicht hat, oder sein Rechtsnachfolger kann für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach der Einreichung der ersten Anmeldung eine Priorität beanspruchen (vgl. 5.10.008 - 5.10.010).
Ist die frühere Anmeldung in einem oder mit Wirkung für einen EPÜ‑Vertragsstaat eingereicht worden, so kann dieser Vertragsstaat auch in der europäischen Nachanmeldung benannt werden. Die frühere Patentanmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird, kann auch eine europäische oder eine internationale (PCT-) Anmeldung sein (vgl. 2.4.010).
4.1.018Für eine europäische Patentanmeldung können mehrere Prioritäten in Anspruch genommen werden, selbst wenn sie aus verschiedenen Staaten stammen. Auch für einen Patentanspruch können mehrere Prioritäten in Anspruch genommen werden. Werden mehrere Prioritäten beansprucht, so richten sich Fristen, die vom Prioritätstag an laufen, nach dem frühesten Prioritätstag.
Art. 88 (2), (3)
RL F‑VI, 1.5
RL A‑III, 6.3
Außerdem muss er innerhalb von 16 Monaten nach dem Prioritätstag den Prioritätsbeleg einreichen, d. h. eine Abschrift der früheren Anmeldung, die von der Behörde, bei der diese Anmeldung eingereicht wurde, beglaubigt sein muss und der eine Bescheinigung dieser Behörde über den Tag der Einreichung beizufügen ist. Einige Patentämter stellen elektronische Prioritätsbelege aus. Sofern diese in einem akzeptierten Format vorliegen und von der ausstellenden Behörde digital signiert sind, können sie beim EPA über die Online-Einreichung oder die Online-Einreichung 2.0 eingereicht werden. In bestimmten Fällen ist der Anmelder von der Verpflichtung zur Einreichung des Prioritätsbelegs befreit: derzeit nimmt das EPA eine Abschrift der früheren Anmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird, gebührenfrei in die Akte der europäischen Patentanmeldung auf, wenn es sich bei der früheren Anmeldung um eine europäische Patentanmeldung oder eine beim EPA als Anmeldeamt eingereichte internationale Patentanmeldung handelt.
Der Anmelder kann auch beim EPA den elektronischen Abruf des Prioritätsbelegs über den digitalen Zugangsservice (DAS) der WIPO beantragen, sofern das Amt, bei dem die Erstanmeldung eingereicht wurde, an diesem Dienst teilnimmt. In seinem Antrag muss er den Zugangscode angeben, den das Amt der Erstanmeldung für ihn generiert hat. Der Abrufantrag kann direkt im Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents (EPA Form 1001; siehe 4.1.013) eingereicht werden oder durch Einreichen von EPA Form 1013, das auf der Website des EPA verfügbar ist (epo.org). Das EPA ruft dann automatisch kostenlos den vom Amt der Erstanmeldung erstellten Prioritätsbeleg ab. Weitere Informationen enthält die Website der WIPO (wipo.int).
Bei der Einreichung einer europäischen Patentanmeldung, die die Priorität einer früheren Anmeldung beansprucht, ist eine Kopie etwaiger Recherchenergebnisse zur früheren Anmeldung einzureichen. Liegen die Recherchenergebnisse bei Einreichung der europäischen Patentanmeldung noch nicht vor, so sind sie unverzüglich nach Erhalt einzureichen. Die Verpflichtung zur Einreichung der Recherchenergebnisse für die frühere Anmeldung besteht, solange die Anmeldung beim EPA anhängig ist. Stellt das EPA zum Zeitpunkt, an dem die Prüfungsabteilung zuständig wird, fest, dass die Recherchenergebnisse noch nicht eingereicht wurden, so fordert es den Anmelder auf, sie innerhalb einer nicht verlängerbaren Frist von zwei Monaten einzureichen. Unterlässt es der Anmelder, die Recherchenergebnisse einzureichen oder eine Erklärung abzugeben, dass ihm die Recherchenergebnisse nicht vorliegen, so gilt die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen.
Der Anmelder ist von der Verpflichtung befreit, eine Kopie der Recherchenergebnisse einzureichen, wenn das EPA den Recherchenbericht erstellt hat oder die prioritätsbegründende Anmeldung in China, Dänemark, Japan, der Republik Korea, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik, den USA oder dem Vereinigten Königreich eingereicht wurde. In Zukunft sollen weitere Länder in diese Liste aufgenommen werden.
Wird das Aktenzeichen oder die Abschrift der früheren Anmeldung nicht innerhalb der vorstehend genannten Frist eingereicht, so wird der Anmelder aufgefordert, den Mangel zu beseitigen. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so erlischt der Prioritätsanspruch (vgl. jedoch 5.2.006).
R. 59
RL A‑III, 6.7, 6.10, 6.11
Das EPA prüft in der Regel zunächst nur die formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts. Bei der Sachprüfung (vgl. 5.4.001 ff.) wird normalerweise geprüft, ob ein Prioritätsrecht besteht, wenn ein Stand der Technik (vgl. 3.3.001) zwischen dem Prioritätstag und dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung oder ein älteres Recht nach Artikel 54 (3) (vgl. 3.3.003) ermittelt worden ist. Der Gegenstand der Patentansprüche, für den die Priorität in Anspruch genommen wird, muss unmittelbar und eindeutig aus der gesamten Offenbarung der Erfindung in der Prioritätsunterlage hervorgehen.
Ist der Prioritätsbeleg nicht in Deutsch, Englisch oder Französisch abgefasst, so fordert das EPA den Anmelder unter Umständen auf, eine Übersetzung der früheren Anmeldung in einer Amtssprache des EPA vorzulegen. Erhält der Anmelder eine solche Aufforderung, was während des gesamten Erteilungs- oder Einspruchsverfahrens geschehen kann, so muss er die Übersetzung innerhalb der vom EPA bestimmten Frist einreichen. Wenn die europäische Patentanmeldung eine vollständige Übersetzung der früheren Anmeldung ist, genügt eine entsprechende Erklärung. Wird die Übersetzung des Prioritätsbelegs oder die Erklärung nicht rechtzeitig eingereicht, so erlischt das Prioritätsrecht für den betreffenden Prioritätsanspruch. Während des Patenterteilungsverfahrens kann jedoch, falls die Übersetzung nicht fristgerecht eingereicht wurde, ein Antrag auf Weiterbehandlung gestellt werden.