Kapitel 3 – Patentierbarkeit
3.2.001Das EPÜ gibt keine Definition des Begriffs "Erfindung", enthält aber eine nicht erschöpfende Aufzählung von Gegenständen und Tätigkeiten, die nicht als Erfindungen anzusehen sind, d. h. ausdrücklich vom Patentschutz ausgeschlossen sind.
Art. 52 (2), (3), Art. 53
RL G‑II, 3
Besonders erwähnenswert sind hier die vier folgenden Bereiche:
3.2.002Der erste betrifft Programme für Datenverarbeitungsanlagen, die, soweit sie als solche beansprucht werden, nicht als Erfindungen angesehen werden. Ein Computerprogramm fällt jedoch nicht unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52, wenn es beim Ablauf auf einem Computer einen weiteren technischen Effekt bewirkt, der über die "normale" physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm (Software) und dem Computer (Hardware) hinausgeht. Dieser weitere Effekt könnte dann vorliegen, wenn z. B. das Programm zur Steuerung eines technischen Verfahrens dient oder die Arbeitsweise eines technischen Geräts bestimmt. Auch die interne Funktionsweise eines Computers selbst unter dem Einfluss des Programms könnte einen solchen Effekt bewirken.
Art. 52 (2) c), Art. 52 (3)
RL G‑II, 3.6
RL Index für computer-implementierte Erfindungen
Computerprogramme sind demnach nicht von vornherein von der Patentierung ausgenommen. Weitere Informationen zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen sind auf der Website des EPA (epo.org) zu finden.
3.2.003Der zweite Bereich betrifft Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und diagnostische Verfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden. Diese Erfindungen sind ausdrücklich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Das Patentierungsverbot gilt nicht für Erzeugnisse, Stoffe und Stoffgemische zur Anwendung in solchen Verfahren, z. B. Arzneimittel oder chirurgische Instrumente. Für Stoffe und Stoffgemische sieht das EPÜ vielmehr eine besondere Erweiterung der Patentierbarkeit in Bezug auf das Erfordernis der Neuheit vor: Auch ein bekannter Stoff oder ein bekanntes Stoffgemisch kann für eine weitere human- oder tiermedizinische Anwendung patentiert werden, vorausgesetzt diese weitere Anwendung ist neu und erfinderisch.
Nicht von der Patentierung ausgeschlossen sind andere Verfahren zur Behandlung lebender Menschen oder Tiere. Außerdem sind die Behandlung von Körpergeweben nach deren Entnahme aus dem menschlichen oder tierischen Körper und daran vorgenommene diagnostische Verfahren patentierbar, sofern das Gewebe nicht wieder demselben Körper zugeführt wird.
RL G‑II, 4.2.1
Für Pflanzensorten steht in den meisten Vertragsstaaten sowie nach dem Recht der EU der spezielle Sortenschutz zur Verfügung.
Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im Wesentlichen biologisch, wenn es auf der geschlechtlichen Kreuzung ganzer Genome und der anschließenden Selektion von Pflanzen oder Tieren basiert, auch wenn in dem Anspruch vor oder nach den Schritten der Kreuzung und Selektion andere technische Schritte zur Präparation der Pflanzen oder Tiere oder zu ihrer weiteren Behandlung vorgesehen sind.
Der Ausschluss gilt nicht für mikrobiologische Verfahren oder deren Erzeugnisse. Allgemein sind biotechnologische Erfindungen auch dann patentierbar, wenn sie biologisches Material zum Gegenstand haben, das mithilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, auch wenn es in der Natur schon vorhanden war.
RL G‑II, 5.5
3.2.005Der letzte Bereich betrifft Erfindungen, die von der Patentierbarkeit ausgenommen werden, weil ihre Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Als nicht patentierbar gelten insbesondere Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens, die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken sowie Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, und die mithilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.