BESCHWERDEKAMMERN
Hinweise für die Parteien und ihre Vertreter im Beschwerdeverfahren1
(herausgegeben von den Wissenschaftlichen Diensten der Beschwerdekammern)
Vorbemerkung
Diese Hinweise sind als Hilfestellung für die Beteiligten an Beschwerdeverfahren gedacht. Sie sollen aber weder neue Rechtsvorschriften schaffen noch die geltenden einschlägigen Bestimmungen außer Kraft setzen.
Ergänzend wird auf folgende Publikationen verwiesen:
- Durchführungsvorschriften zum Europäischen Patentübereinkommen 2003 einschließlich der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 2003, 61) (VOBK)
- Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (4. Auflage 2001)
- Jahresberichte der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (jährliche Sonderausgabe zum Amtsblatt des Europäischen Patentamts)
Auskünfte erteilt der Leiter der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern, Europäisches Patentamt, Erhardtstraße 27, D-80331 München (Tel. (+49-89) 2399-3010; Fax (+49-89) 2399-4465).
1. Einlegung der Beschwerde und Erwiderung
1.1 Beschwerdefähige Entscheidungen
Mit der Beschwerde können nur Entscheidungen der Eingangsstelle, der Prüfungsabteilungen, der Einspruchsabteilungen und der Rechtsabteilung angefochten werden (Art. 106 (1) Satz 1 EPÜ).
Zwischenentscheidungen, die ein Verfahren gegenüber einem Beteiligten nicht abschließen, sind mit der Beschwerde nur anfechtbar, wenn in der Entscheidung die gesonderte Beschwerde zugelassen ist (Art. 106 (3) EPÜ).
1.2 Beschwerdeberechtigung
Die Beschwerde steht denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zu der Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind2. Die übrigen an diesem Verfahren Beteiligten sind am Beschwerdeverfahren beteiligt (Art. 107 EPÜ).
1.3 Übertragung der Parteistellung
Ein Parteiwechsel ist möglich, sofern die Rechtsnachfolge dem Europäischen Patentamt nachgewiesen wird (R. 20, R. 61, R. 66 EPÜ).
Eine Zustimmung des Verfahrensgegners zum Parteiwechsel ist nicht erforderlich. Solange der Nachweis des Rechtsübergangs nicht erbracht ist, bleibt die bisherige Partei im Verfahren berechtigt und verpflichtet3.
Die Übertragung der Parteistellung ist in jedem Stadium eines anhängigen Beschwerdeverfahrens zulässig, wenn sie zusammen mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs oder Unternehmensteils erfolgt, in dessen Interesse die Beschwerde eingelegt worden ist4.
1.4 Beschwerdefrist, Beschwerdegebühr
Die Beschwerde ist durch Einreichung einer Beschwerdeschrift innerhalb von zwei Monaten5 nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung beim EPA einzulegen6. Diese Frist ist nicht verlängerbar. Für die Fristwahrung ist das Datum des Eingangs der Beschwerdeschrift beim EPA entscheidend.
Die Beschwerde gilt nur dann als eingelegt, wenn innerhalb der zweimonatigen Beschwerdefrist auch die Beschwerdegebühr entrichtet wird (Art. 108 Satz 2 EPÜ)7.
1.5 Form der Beschwerde
Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung sind nach Artikel 108 EPÜ schriftlich einzureichen. Die Einreichung kann auch fernschriftlich, telegrafisch oder durch Telekopie (Telefax) erfolgen (R. 36 (5) EPÜ)8. Ein Bestätigungsschreiben wird von der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern angefordert, wenn die Qualität des eingereichten Schriftstücks unzureichend ist. E-Mail hat in den Verfahren nach dem EPÜ und dem PCT keine Rechtskraft und kann somit für die wirksame Vornahme von Verfahrenshandlungen und insbesondere die wirksame Einhaltung von Fristen nicht benutzt werden9.
1.6 Sprache
Die Beschwerde kann in jeder Amtssprache des EPA (Deutsch, Englisch, Französisch) eingelegt werden (R. 1 (1) Satz 1 EPÜ).
Beschwerdeführer aus Vertragsstaaten, in denen eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist, und die Angehörigen dieser Staaten mit Wohnsitz im Ausland (Art. 14 (2) Satz 1 EPÜ) haben Anspruch auf Ermäßigung der Beschwerdegebühr um 20 %, wenn sie zumindest die Beschwerdeschrift - das wesentliche Schriftstück der ersten Verfahrenshandlung im Beschwerdeverfahren - in dieser Sprache einreichen (R. 6 (3) EPÜ in Verbindung mit Art. 12 (1) GebO)10.
Die in Artikel 14 (4) EPÜ vorgeschriebene Übersetzung kann in jeder Amtssprache des EPA eingereicht werden. Die Frist für die Einreichung der Übersetzung von einem Monat verlängert sich gegebenenfalls bis zum Ablauf der Beschwerdefrist (R. 6 (2) EPÜ). Wird die Übersetzung nicht fristgemäß eingereicht, gilt die Beschwerdeschrift gemäß Artikel 14 (5) EPÜ als nicht eingegangen.
1.7 Annahmestelle, Registrierung
Beschwerden sollten im Interesse eines zügigen Verfahrens bei der Annahmestelle im Hauptgebäude des Europäischen Patentamts in D-80298 München eingereicht werden1112. Dringende Telefaxe sind ausschließlich an die Nummer (+49-89) 2399-3014 zu senden. Auf die Möglichkeit der Benutzung des Nachtbriefkastens (automatischen Briefkastens) wird hingewiesen13.
Die Geschäftsstelle vergibt für jedes anhängige Beschwerdeverfahren ein gesondertes Aktenzeichen, das im Schriftverkehr mit der Beschwerdekammer und der Geschäftsstelle während der gesamten Dauer des Beschwerdeverfahrens zu verwenden ist.
1.8 Inhalt der Beschwerdeschrift
Der Inhalt der Beschwerdeschrift nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ ist in Regel 64 EPÜ festgelegt. Die Beschwerdeschrift muß den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 26 (2) c) EPÜ und einen Antrag enthalten, der ausreichend deutlich erkennen läßt, welche Entscheidung
angefochten und in welchem Umfang ihre Änderung oder Aufhebung begehrt wird.
1.9 Beschwerdebegründung
Die Beschwerde ist innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung schriftlich zu begründen (Art. 108 Satz 3 EPÜ). Auch die Begründung kann fernschriftlich, telegrafisch oder durch Telekopie (Telefax) eingereicht werden (vgl. Ziffer 1.5).
1.10 Zwingende Fristen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Die Fristen für die Einlegung der Beschwerde (Einreichung der Beschwerdeschrift), die Zahlung der Beschwerdegebühr und die Einreichung der Beschwerdebegründung können nicht verlängert werden. Unter den Voraussetzungen des Artikels 122 EPÜ kann jedoch der Anmelder oder Inhaber eines europäischen Patents, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, eine Frist einzuhalten, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen. Der Einsprechende ist von einer Wiedereinsetzung in die zweimonatige Beschwerdefrist ausgeschlossen; jedoch ist Wiedereinsetzung nach Artikel 122 EPÜ möglich, wenn der Einsprechende die viermonatige Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt hat14.
1.11 Erwiderung
Verfahrensbeteiligte, die durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert sind oder keine Beschwerde eingelegt haben, sind gleichwohl Beteiligte des Beschwerdeverfahrens nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ; sie besitzen jedoch kein selbständiges Recht, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen.
Beteiligte nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ werden von der Geschäftsstelle befragt, ob sie auf weitere Zustellungen in der Sache verzichten. Eine solche Erklärung kann jederzeit widerrufen werden.
Im mehrseitigen Verfahren sollte jeder Beteiligte, der die Beschwerde ganz oder teilweise anfechten möchte, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Beschwerdebegründung eine Erwiderung einreichen (Art. 10a (1) b) VOBK).
1.12 Beitritt
Dritte können unter den Voraussetzungen des Artikels 105 EPÜ noch während des Beschwerdeverfahrens beitreten, solange das Beschwerdeverfahren anhängig ist.
2. Schriftliches Verfahren
Die Beteiligten sollten ihr Vorbringen schriftlich ausarbeiten und es nicht erst bei einer etwaigen mündlichen Verhandlung vortragen wollen.
2.1 Inhalt von Beschwerdebegründung und Erwiderung
Die Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung muß den vollständigen Sachvortrag des Beschwerdeführers bzw. Beschwerdegegners enthalten. Sie muß deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen die Entscheidung angefochten oder verteidigt wird, und ausdrücklich oder durch eine genaue Bezugnahme auf im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Unterlagen (z. B. Dokument, Datum, Seite und Absatz) alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel sowie alle Anträge enthalten. Sofern die Kammer aus einem besonderen Grund (z. B. Überlänge) keine Ausnahme erlaubt, sind die in Bezug genommenen Unterlagen aller Art der Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung als Anlagen beizufügen (Art. 10a (2) VOBK).
2.2 Zitate und Verweisungen
Die angefochtene Entscheidung, das Europäische Patentübereinkommen, die Ausführungsordnung, die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die Prüfungsrichtlinien, das Streitpatent oder die anhängige Patentanmeldung und andere Schriftstücke in der Verfahrensakte sollten nur insoweit zitiert werden, als dies zum Verständnis der Argumentation erforderlich ist.
Wird auf einen internationalen Vertrag (mit Ausnahme des Europäischen Patentübereinkommens, des Vertrags über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens und der Pariser Verbandsübereinkunft), ein nationales Gesetz (mit Ausnahme der Patentgesetze der Vertragsstaaten) oder die Entscheidung eines nationalen oder internationalen Gerichts verwiesen, so soll eine vollständige Kopie des Vertrages, des Gesetzes oder der Entscheidung eingereicht werden, es sei denn, die zuständige Beschwerdekammer erachtet einen Auszug für ausreichend.
2.3 Beweismittel
Werden Beweismittel vorgelegt, so ist anzugeben, über welche Tatsachen sie Auskunft geben können.
Schriftstücke, die als Beweismittel vor dem EPA verwendet werden sollen - insbesondere Veröffentlichungen - können in jeder Sprache eingereicht werden. Das Europäische Patentamt kann jedoch verlangen, daß innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist, die nicht kürzer als ein Monat sein darf, eine Übersetzung in einer seiner Amtssprachen eingereicht wird (R. 1 (3) EPÜ).
Handelt es sich bei dem Beweismaterial nicht um Schriftstücke, so sollte vor einer Einreichung der Kammer mitgeteilt werden, um welche Art von Beweismittel es sich handelt, und deren Anweisung eingeholt werden (vgl. auch Ziffer 3.7). Bei Vernehmung von Zeugen sind der Name und die genaue Anschrift der Zeugen mitzuteilen.
2.4 Vorlage von Schriftstücken, Mustern, Modellen u. ä.
Wird ein neues Schriftstück in das Verfahren eingeführt, so sollte kurz angegeben werden, zu welchem Zweck dies geschieht; eine leserliche Kopie des Schriftstücks sollte der Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung als Anlage beigefügt werden (vgl. Ziffer 2.1). Grafische Darstellungen, Diagramme, Fotografien, Tabellen und ähnliches sollten gleichfalls nicht in den Text aufgenommen, sondern als Anlage beigefügt werden. Handgeschriebenen Schriftstücken ist eine maschinenschriftliche Kopie beizufügen.
Sollen Gegenstände wie z. B. Modelle oder Muster oder auch Schriftstücke eingereicht werden, die nicht als Anlage beigefügt werden können, so erteilt die Geschäftsstelle Auskunft, wie diese Gegenstände einzureichen sind.
2.5 Weiteres schriftliches Vorbringen und Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten
Nach Eingang der Beschwerdebegründung bzw. der Erwiderung(en) sonstiger Beteiligter gibt die Kammer den Beteiligten die erforderlichen Anweisungen für deren weiteres Vorbringen (Art. 10a (1) c) VOBK).
Es steht im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten zuzulassen (Art. 10b VOBK).
Änderungen des Vorbringens werden nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn ihre Behandlung der Kammer bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Art. 10b (3) VOBK).
3. Mündliche Verhandlung
Am Ende der mündlichen Verhandlung sollte die Sache entscheidungsreif sein (Art. 11 (6) VOBK). Die Kammer kann in einer Mitteilung (die zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung oder zu jedem anderen Zeitpunkt ergeht) auf Punkte hinweisen, die von besonderer Bedeutung zu sein scheinen bzw. offenbar nicht mehr strittig sind, oder sonstige Bemerkungen vorbringen. Deshalb müssen die Beteiligten bzw. ihre Vertreter auf alle Fragen vorbereitet sein, die Gegenstand der Verhandlung sein könnten (Art. 11 (1) VOBK). Eine Entscheidung kann am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet werden.
3.1 Anberaumung der mündlichen Verhandlung
Der Antrag auf mündliche Verhandlung sollte in der Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung gestellt werden. Wird eine mündliche Verhandlung nur zu Einzelfragen gewünscht (z. B. Zulässigkeit der Beschwerde), so ist dies bei der Antragstellung deutlich zu machen. Ein Antrag auf mündliche Verhandlung, der in der Vorinstanz gestellt wurde, gilt nicht auch für das Beschwerdeverfahren; wird eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer gewünscht, bedarf es daher eines eigenen Antrags.
Zur Anberaumung der mündlichen Verhandlung wird auf die Mitteilung der Vizepräsidenten Generaldirektionen 2 und 3 vom 1. September 2000 hingewiesen (ABl. EPA 2000, 456). Zur Verlegung des Verhandlungstermins siehe diese Mitteilung sowie Artikel 11 (2) VOBK.
3.2 Sprache
In mündlichen Verhandlungen können gemäß Regel 2 EPÜ Ausnahmen von den Vorschriften über die Verfahrenssprache (Art. 14 EPÜ) getroffen werden.
Soll in der mündlichen Verhandlung eine andere Sprache als die Verfahrenssprache verwendet werden, so muß dies der Geschäftsstelle spätestens einen Monat vor dem angesetzten Termin mitgeteilt werden, wenn der Beteiligte nicht selbst für die Übersetzung in die Verfahrenssprache sorgt. Diese Mitteilungspflicht besteht im Verfahren vor den Beschwerdekammern auch dann, wenn sich der Beteiligte in einem mündlichen Verfahren vor der ersten Instanz bereits rechtmäßig einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache bedient hat15.
3.3 Ladungsfrist, Empfangsbescheinigung
Die Frist zur Ladung der Beteiligten zur mündlichen Verhandlung beträgt mindestens zwei Monate, sofern die Beteiligten nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden sind (R. 71 EPÜ).
Der Ladung zur mündlichen Verhandlung kann zusätzlich zum Rückschein eine interne Empfangsbestätigung beigefügt werden (EPA Form 2936). Diese sollte unverzüglich an die Geschäftsstelle zurückgesandt werden, um eine termingemäße Durchführung der mündlichen Verhandlung zu gewährleisten16.
3.4 Durchführung der mündlichen Verhandlung
Der Vortrag in der mündlichen Verhandlung soll kurz gehalten werden und sich auf strittige oder von der Kammer angesprochene Punkte beschränken.
3.5 Fernbleiben eines Beteiligten
Die Kammer ist nicht verpflichtet, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung aufzuschieben, wenn ein Beteiligter der mündlichen Verhandlung fernbleibt (R. 71 (2) EPÜ, Art. 11 (3) VOBK). Die Entscheidung G 4/92 (ABl. EPA 1994, 149) über in Abwesenheit eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte neue Tatsachen oder Beweismittel ist somit nicht mehr anwendbar. Allerdings unterliegt der Vortrag neuer Tatsachen wie alle Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten in der mündlichen Verhandlung der in Artikel 10b (3) VOBK dargelegten Einschränkung.
3.6 Tonaufzeichnungsgeräte
Zu einer mündlichen Verhandlung vor einer Beschwerdekammer dürfen nur Amtsangehörige Tonaufzeichnungsgeräte in den Sitzungssaal mitnehmen17.
3.7 Kosten der Beweisaufnahme
Das Europäische Patentamt kann die Beweisaufnahme davon abhängig machen, daß der Beteiligte, der sie beantragt hat, beim Europäischen Patentamt einen Vorschuß hinterlegt, dessen Höhe im Wege einer Schätzung der voraussichtlichen Kosten bestimmt wird (R. 74 EPÜ)18.
3.8 Begleitpersonen
In der mündlichen Verhandlung kann es einer Person, die den zugelassenen Vertreter eines Beteiligten begleitet, gestattet werden, außerhalb des Rahmens von Artikel 117 EPÜ und über den umfassenden Vortrag des Falls des Beteiligten durch den zugelassenen Vertreter hinaus für diesen Beteiligten mündliche Ausführungen zu konkreten rechtlichen oder technischen Fragen zu machen. Solche mündlichen Ausführungen dürfen nur mit Zustimmung der Kammer und nach ihrem Ermessen gemacht werden. Die von der Kammer bei der Ausübung ihres Ermessens zu berücksichtigenden Kriterien sind in der Entscheidung G 4/95 (ABl. EPA 1996, 412) aufgeführt.
3.9 Mobiltelefone
Mobiltelefone sind auszuschalten, da ihre Benutzung in den Sitzungssälen nicht gestattet ist.
4. Vertretung
4.1 Wenn sich ein Beteiligter des Beschwerdeverfahrens vertreten läßt (Art. 133 EPÜ), muß der Vertreter die Anforderungen gemäß Artikel 134 EPÜ erfüllen.
4.2 Zugelassene Vertreter gemäß Artikel 134 EPÜ müssen nur in bestimmten Fällen eine Vollmacht einreichen, insbesondere bei Vertreterwechsel, wenn das Erlöschen der bisherigen Vollmacht nicht mitgeteilt wird (R. 100 - 102 EPÜ)19.
5. Kosten
5.1 Im Beschwerdeverfahren trägt in der Regel jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst; allerdings kann die Kammer ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit über eine Verteilung der Kosten, die durch eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme verursacht sind, anders entscheiden (Art. 104 EPÜ).
5.2 Vorbehaltlich Artikel 104 (1) EPÜ kann eine Kammer anordnen, daß ein Beteiligter an einem mehrseitigen Beschwerdeverfahren die Kosten eines anderen Beteiligten teilweise oder ganz zu tragen hat. Nach Artikel 11a (1) VOBK gehören hierzu die Kosten, die entstanden sind durch
a) Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten,
b) Fristverlängerung,
c) eine Handlung oder Unterlassung, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigt,
d) Nichtbeachtung einer Anweisung der Kammer,
e) Verfahrensmißbrauch.
5.3 Eine Kostenverteilung erfolgt nur auf Antrag. Auch wenn Anträge in der Regel in einem möglichst frühen Stadium des Verfahrens zu stellen sind, können Kostenanträge zwangsläufig nur durch Ereignisse veranlaßt werden, die erst am Ende oder gegen Ende eines Beschwerdeverfahrens eintreten. Dennoch ist ein Antrag in jedem Fall vor dem Ende der mündlichen Verhandlung (falls eine mündliche Verhandlung stattfindet) oder vor dem Erlaß der Entscheidung (falls keine mündliche Verhandlung stattfindet) zu stellen. Bei der Antragstellung sind die Punkte, für die Kostenverteilung beantragt wird, die Gründe für die Entstehung der Kosten sowie - sofern die Kammer die Verteilung eines bestimmten Betrags anordnen soll - die Höhe der entstandenen Kosten anzuführen. Dabei hat der Antragsteller ausreichende Angaben zu machen, die es der Kammer und dem/den anderen Beteiligten ermöglichen, die Angemessenheit der entstandenen Kosten zu beurteilen und festzustellen, ob diese unter die erstattungsfähigen Kosten fallen; diese umfassen
a) Kosten, die einem Beteiligten von seinem zugelassenen Vertreter in Rechnung gestellt worden sind (z. B. für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung im Namen des Beteiligten),
b) Kosten, die einem Beteiligten selbst unabhängig davon erwachsen sind, ob er durch einen Vertreter vertreten wurde (z. B. durch eigenes Auftreten in einer mündlichen Verhandlung oder Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung mit dem Zweck, dem Vertreter Anweisungen zu erteilen),
c) Kosten für Zeugen oder Sachverständige, die ein Beteiligter getragen hat.
5.4 Die Kosten, deren Erstattung angeordnet wird, sind auf notwendige und angemessene Aufwendungen zu beschränken (Art. 11a (2) VOBK).
6. Beschleunigung des Verfahrens vor den Beschwerdekammern
6.1 Gemäß der Mitteilung des Vizepräsidenten Generaldirektion 3 vom 19. Mai 1998 (ABl. EPA 1998, 362) können Beteiligte, die ein berechtigtes Interesse an der raschen Behandlung ihrer Beschwerde haben, z. B. wenn eine Verletzungsklage erhoben wurde oder erhoben werden soll, bei den Beschwerdekammern einen entsprechenden Antrag stellen.
6.2 Der Antrag ist zu Beginn oder während des Verfahrens bei der zuständigen Kammer zu stellen. Darin ist, unter Beifügung relevanter Unterlagen, die Dringlichkeit zu begründen; besondere Formvorschriften bestehen nicht.
1 Diese von den Wissenschaftlichen Diensten der Beschwerdekammern herausgegebenen Hinweise für die Parteien und ihre Vertreter im Beschwerdeverfahren ersetzen die bisherigen Hinweise (vgl. ABl. EPA 1981, 176; 1984, 376; 1989, 395; 1996, 342).
2 Vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, VII-D, 7.3.2.
5 Zu den Fristen vgl. Regeln 83 - 85b EPÜ.
6 Vgl. Artikel 108 Satz 1 EPÜ, Regeln 77 - 82 EPÜ, Mitteilung des Präsidenten des EPA vom 11. Januar 1980 über die öffentliche Zustellung nach Regel 80 EPÜ (ABl. EPA 1980, 36).
7 Zur Gebührenzahlung vgl. GebO, insbesondere Artikel 5 und 8, in der in ABl. EPA 2002, 58 veröffentlichten Fassung, und den Hinweis für die Zahlung von Gebühren, Auslagen und Verkaufspreisen in ABl. EPA 2002, 559.
8 Einzelheiten über die schriftliche Nachreichung und sonstige Aspekte der Einreichung von Unterlagen mittels technischer Einrichtungen zur Nachrichtenübermittlung (z. B. Unterzeichnung von Schriftstücken und Feststellung des Eingangstags) sind in den Beschlüssen des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 26. Mai 1992 (ABl. EPA 1992, 299) und vom 2. Juni 1992 (ABl. EPA 1992, 306) enthalten.
9 Vgl. Mitteilungen vom 2. Juni 1999 (ABl. EPA 1999, 509) und vom 12. September 2000 (ABl. EPA 2000, 458) mit weiteren Einzelheiten zur Korrespondenz mit dem Amt via E-Mail.
10 Vgl. auch G 6/91, ABl. EPA 1992, 491.
11 Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 2. Juni 1992, ABl. EPA 1992, 306, und Mitteilung vom 18. Juni 2002, ABl. EPA 2002, 374.
12 Die Dienststelle Wien ist keine Annahmestelle im Sinne von Artikel 75 (1) a) EPÜ (Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 4. März 1992, ABl. EPA 1992, 183).
13 Hauptgebäude München, Erhardtstraße, bei der Schrankenanlage an der Corneliusstraße (vgl. Mitteilung in ABl. EPA 1987, 38); Dienstgebäude "PschorrHöfe", am Eingang Zollstraße 3 (vgl. Mitteilung in ABl. EPA 1991, 577).
14 Vgl. G 1/86, ABl. EPA 1987, 447.
15 Vgl. auch Mitteilung des Vizepräsidenten Generaldirektion 3 des Europäischen Patentamts vom 19. Mai 1995, ABl. EPA 1995, 489.
16 Vgl. Mitteilung in ABl. EPA 1991, 577.
17 Vgl. Mitteilung der Vizepräsidenten GD 2 und GD 3 vom 25. Februar 1986, ABl. EPA 1986, 63.
18 Vgl. auch Entschädigungen und Vergütungen für Zeugen und Sachverständige in ABl. EPA 1983, 100.
19 Vgl. auch Beschluß des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 19. Juli 1991 über die Einreichung von Vollmachten (ABl. EPA 1991, 489), Mitteilung des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 20. Dezember 1984 über allgemeine Vollmachten (ABl. EPA 1985, 42), Mitteilung des Europäischen Patentamts über die Bevollmächtigung eines Zusammenschlusses (ABl. EPA 1979, 92) und Mitteilung des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 1. August 1986 über allgemeine Vollmachten (ABl. EPA 1986, 327).