BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 19. Februar 1996 - G 4/95
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | P. Gori |
Mitglieder: | G. D. Paterson |
C. Andries | |
G. Gall | |
W. Moser | |
R. Schulte | |
P. van den Berg |
Patentinhaber/Beschwerdeführer: Bogasky, John J.
Einsprechender/Beschwerdegegner: Sensormatic Electronics Corp.
Stichwort: Vertretung/BOGASKY
Artikel: 116, 117, 133, 134 EPÜ
Schlagwort: "mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren"
Leitsätze
I. In der mündlichen Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ im Rahmen des Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens kann es einer Person, die den zugelassenen Vertreter eines Beteiligten begleitet, gestattet werden, außerhalb des Rahmens von Artikel 117 EPÜ und über den umfassenden Vortrag des Falls des Beteiligten durch den zugelassenen Vertreter hinaus für diesen Beteiligten mündliche Ausführungen zu konkreten rechtlichen oder technischen Fragen zu machen.
II. a) Ein Rechtsanspruch auf solche mündlichen Ausführungen besteht nicht; sie dürfen nur mit Zustimmung des EPA und nach seinem Ermessen gemacht werden.
b) Das EPA hat bei der Ausübung seines Ermessens, mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren zuzulassen, hauptsächlich die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:
i) Der zugelassene Vertreter muß beantragen, daß diese mündlichen Ausführungen gemacht werden dürfen. Im Antrag sind der Name und die Qualifikation der Begleitperson anzugeben und der Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen zu nennen.
ii) Der Antrag ist so rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu stellen, daß sich alle Gegenparteien auf die beabsichtigten mündlichen Ausführungen angemessen vorbereiten können.
iii) Ein Antrag, der erst kurz vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist zurückzuweisen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, es sei denn, alle Gegenparteien sind damit einverstanden, daß die beantragten mündlichen Ausführungen gemacht werden.
iv) Das EPA muß davon überzeugt sein, daß die Begleitperson die mündlichen Ausführungen unter der ständigen Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters macht.
c) Für mündliche Ausführungen durch zugelassene Patentvertreter aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des EPÜ sind, gelten keine besonderen Kriterien.
Zusammenfassung des Verfahrens
I. Die Technische Beschwerdekammer 3.4.1 hat mit ihrer Entscheidung T 803/93 vom 19. Juli 1995 ( ABl. EPA 1996, 204) der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Rechtsfragen vorgelegt:
"1. Darf im Hinblick auf Artikel 133 EPÜ eine Person, die nicht gemäß Artikel 134 EPÜ zur Vertretung von Verfahrensbeteiligten vor dem EPA zugelassen, aber in Begleitung einer sowohl zugelassenen als auch bevollmächtigten Person ist, in der mündlichen Verhandlung vor dem EPA nach Artikel 116 EPÜ und im Rahmen des Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens für einen Beteiligten mündliche Ausführungen zu Rechtsfragen machen, die der Fall aufwirft?
2. Darf im Hinblick auf die Artikel 117 und 133 EPÜ eine Person, die nicht gemäß Artikel 134 EPÜ zur Vertretung von Verfahrensbeteiligten vor dem EPA zugelassen, aber in Begleitung einer sowohl zugelassenen als auch bevollmächtigten Person ist, in der mündlichen Verhandlung vor dem EPA nach Artikel 116 EPÜ und im Rahmen des Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens für einen Beteiligten auch außerhalb einer mündlichen Vernehmung nach Artikel 117 (3) EPÜ mündliche Ausführungen zu technischen Fragen machen, die der Fall aufwirft?
3. Die folgenden Zusatzfragen beziehen sich sowohl auf die Rechtsfrage 1 als auch 2:
a) Wenn die Frage bejaht wird, besteht ein Rechtsanspruch, oder dürfen die mündlichen Ausführungen im Namen des Beteiligten nur mit Zustimmung des EPA und nach seinem Ermessen gemacht werden?
b) Wenn die mündlichen Ausführungen nur nach dem Ermessen des EPA gemacht werden dürfen, welche Kriterien gelten dann für die Ausübung dieses Ermessens?
c) Gelten für zugelassene Patentvertreter aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des EPÜ sind, besondere Kriterien?"
In dieser Entscheidung wird eine Person, die einen zugelassenen Vertreter begleitet und weder gemäß Artikel 134 (1) EPÜ noch gemäß Artikel 134 (7) EPÜ zur Vertretung von Verfahrensbeteiligten vor dem EPA berechtigt ist, als "Begleitperson" bezeichnet.
Die vorgelegten Fragen betreffen das Vorkommnis in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung im Rahmen des Einspruchsverfahrens, das Gegenstand der Beschwerde in der Sache T 803/93 ist. Der einschlägige Sachverhalt ist in der vorstehend genannten Vorlageentscheidung T 803/93 zusammengefaßt.
In der Vorlageentscheidung wird unter Nummer 1 der Entscheidungsgründe auch erläutert, daß die Juristische Beschwerdekammer mit der Entscheidung J 11/94 (ABl. EPA 1995, 596) der Großen Beschwerdekammer schon früher recht ähnliche Fragen vorgelegt habe. Allerdings ist der der Entscheidung J 11/94 zugrunde liegende Fall anders gelagert als der in der Entscheidung T 803/93 behandelte. Insbesondere geht es in der Sache J 11/94 darum, ob eine Begleitperson im einseitigen Verfahren mündliche Ausführungen zu rein rechtlichen Fragen machen darf, in der Sache T 803/93 hingegen darum, ob eine Begleitperson im - mehrseitigen - Einspruchsverfahren mündliche Ausführungen zu sowohl rechtlichen als auch technischen Fragen (beispielsweise Neuheit und erfinderische Tätigkeit) machen darf.
II. Der Patentinhaber in der Sache T 803/93 reichte am 21. September 1995 Bemerkungen zu den vorstehend erwähnten Fragen ein. Sie lassen sich - in der Reihenfolge der Nummern der Fragen - im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
1. Diese Frage sollte verneint werden. Mündliche Ausführungen zu Rechtsfragen sollten ausschließlich Personen vorbehalten sein, die sowohl zugelassen als auch bevollmächtigt seien, einen Verfahrensbeteiligten zu vertreten. Dies ergebe sich aus den Artikeln 133 und 134 EPÜ.
Es wurde auch auf die Probleme verwiesen, die auftreten könnten, wenn eine aus disziplinarrechtlichen Gründen von der Liste der zugelassenen Vertreter gestrichene Person für einen am Verfahren vor dem EPA Beteiligten mündliche Ausführungen machen wolle.
2. Auch diese Frage sollte verneint werden. Für mündliche Ausführungen zu technischen Fragen außerhalb des Artikels 117 (3) EPÜ sei der bevollmächtigte Vertreter zuständig.
3. In Anbetracht der vorstehenden Bemerkungen zu den Fragen 1 und 2 dürfte sich die Frage 3 nicht stellen. Sollte jedoch die Frage 1 von der Großen Beschwerdekammer bejaht werden, so wäre die Frage 3 wie folgt zu beantworten:
a) Auf mündliche Ausführungen durch eine andere Person als einen bevollmächtigten Vertreter bestehe kein Rechtsanspruch; sie könnten nur mit Zustimmung des EPA und nach seinem Ermessen gemacht werden.
b) Bei der Ausübung dieses Ermessens müsse das EPA davon überzeugt sein, daß die Person, die in einer mündlichen Verhandlung Ausführungen mache und kein bevollmächtigter Vertreter sei, tatsächlich unter der unmittelbaren Aufsicht, Leitung und Verantwortung des bevollmächtigten Vertreters des Verfahrensbeteiligten handle.
c) Für zugelassene Patentvertreter aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des EPÜ seien, sollten keine besonderen Kriterien gelten; allerdings dürften diese Patentvertreter die unter Buchstabe b genannten Kriterien wohl kaum erfüllen.
III. Der Einsprechende in der Sache T 803/93 reichte am 4. Oktober 1995 Bemerkungen zu den vorstehend erwähnten Fragen ein. Sie lassen sich - in der Reihenfolge der Nummern der Fragen - im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
1. Diese Frage sollte bejaht werden. Ein Verbot für Begleitpersonen, mündliche Ausführungen zu Fragen zu machen, die der Fall aufwerfe, wäre nicht nur zu restriktiv und keineswegs im Interesse der Rechtspflege, sondern auch ungerecht und brächte das EPA möglicherweise um relevante und nützliche Informationen. In den Artikeln 133 und 134 EPÜ gehe es darum, wer einen Beteiligten vertreten, und nicht darum, wer in der mündlichen Verhandlung das Wort ergreifen dürfe. Diesem Unterschied sei in der Entscheidung T 598/91 (ABl. EPA 1994, 912) Rechnung getragen worden; die Große Beschwerdekammer solle sich die Begründung in dieser Entscheidung und nicht diejenige in der Entscheidung T 80/84 (ABl. EPA 1985, 269) zu eigen machen.
2. Diese Frage sollte aus denselben Gründen bejaht werden, die auch im Zusammenhang mit der Frage 1 genannt worden seien.
Nach Artikel 117 EPÜ habe ein Beteiligter einen Rechtsanspruch auf die Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen usw.; sie sei nicht in das Ermessen des EPA gestellt. Die Frage 2 dürfte sich deshalb auf mündliche Ausführungen und Argumente zu technischen Fragen und nicht auf die Vorlage von Beweismitteln nach Artikel 117 EPÜ beziehen. Beim Vorbringen mündlicher Argumente durch eine Begleitperson sollte kein Unterschied zwischen rechtlichen und technischen Fragen gemacht werden, da sich dies in der Praxis oft als schwierig erweise.
3. a) Mündliche Ausführungen durch eine nicht bevollmächtigte Person sollten immer in das Ermessen des EPA gestellt sein.
b) Der Antrag auf Zulassung solcher mündlichen Ausführungen sollte immer vorher gestellt werden. Es wurde eine Reihe geeigneter Kriterien vorgeschlagen.
c) Für zugelassene Patentvertreter aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des EPÜ seien, sollten keine besonderen Kriterien gelten.
IV. Am 11. Dezember 1995 fand auf Antrag beider Beteiligter eine mündliche Verhandlung statt. Der Patentinhaber wurde von den Herren Skone-James und Laird, der Einsprechende von Herrn Hafner vertreten.
a) Im Namen des Patentinhabers wurden zur Untermauerung der Ausführungen unter Nummer II im wesentlichen die folgenden Argumente vorgebracht:
Die Verfahren vor dem EPA müßten sehr ernst genommen werden, da die Entscheidungen des EPA die Urteile der obersten Gerichte der Vertragsstaaten zu Fall bringen könnten; sie sollten deshalb verfahrensrechtlich sorgfältig überwacht werden.
Die maßgebenden Bestimmungen des Artikels 133 EPÜ ließen sich aus Entwürfen des EPÜ herleiten, die bis 1962 zurückreichten, und seien während der gesamten Vorarbeiten am EPÜ praktisch nicht geändert worden. Im Zuge dieser Vorarbeiten seien die Wörter "und Handlungen ... durch ihn vornehmen" in Artikel 133 (2) EPÜ eingefügt worden. Die Bedeutung dieser Bestimmungen sei klar und lasse keinen Raum für ein Ermessen, aufgrund dessen anderen Personen als dem bestellten zugelassenen Vertreter gestattet werden könnte, schriftliche oder mündliche Ausführungen zu machen. Grundlage hierfür sei die nationale Rechtspraxis, nur einem Vertreter mit erwiesener Kenntnis der betreffenden Rechtsordnung zu gestatten, den Fall eines an einem Verfahren im Rahmen dieser Rechtsordnung Beteiligten vorzutragen.
Bei den Beschwerdekammern gebe es hingegen keine einheitliche Praxis. In einigen Entscheidungen sei der wichtige Unterschied zwischen der Vertretung nach den Artikeln 133 und 134 EPÜ und der Beweisaufnahme nach Artikel 117 EPÜ anerkannt worden; allerdings werde Artikel 117 EPÜ zur Rechtfertigung mündlicher technischer Ausführungen zu Unrecht herangezogen. Der Unterschied zwischen Ausführungen zu Tatsachen, die Beweismittel darstellten, und rechtlichen Ausführungen, die Sache der Vertretung seien, sei wichtig und sollte beibehalten werden.
b) Im Namen des Einsprechenden wurden zur Untermauerung der Ausführungen unter Nummer III im wesentlichen die folgenden Argumente vorgebracht:
Artikel 133 EPÜ betreffe die Vertretung, die man vom "Vortrag" des Falls eines Beteiligten unterscheiden müsse. In Artikel 133 EPÜ sei nicht abschließend geregelt, wer mündliche Ausführungen machen dürfe; zusätzliche Ausführungen, beispielsweise zur Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit, könnten wertvoll sein und sollten zugelassen werden, sofern sie unter der Aufsicht des bestellten zugelassenen Vertreters gemacht würden.
Das Verfahrensrecht einer Reihe von Vertragsstaaten lasse solche zusätzlichen Ausführungen im Rahmen eines Ermessens, in Dänemark sogar als Rechtsanspruch, zu.
Das EPA sollte sein Ermessen ausüben und zusätzliche mündliche Ausführungen zulassen, sofern zuvor die Erlaubnis eingeholt werde, daß die Begleitperson diese Ausführungen aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer Glaubwürdigkeit sowie der Zweckdienlichkeit der Ausführungen machen dürfe, vorausgesetzt, daß dadurch den Gegenparteien kein Nachteil entstehe.
Am Ende der mündlichen Verhandlung behielt sich die Große Beschwerdekammer eine Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
Einführung und Hintergrund
1. Die vorgelegten Fragen betreffen den Fall, daß ein an einem Einspruchsverfahren Beteiligter gemäß Artikel 133 EPÜ einen zugelassenen Vertreter bestellt hat. Es geht hier um die Streitfrage, ob - und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen - eine andere Person als der zugelassene Vertreter (d. h. eine Begleitperson) in einer mündlichen Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ vor einer Einspruchsabteilung oder einer Beschwerdekammer für diesen Beteiligten mündliche Ausführungen zu rechtlichen oder technischen Fragen machen darf.
In den vorgelegten Fragen 1 und 2 wird zwischen mündlichen Ausführungen zu rechtlichen und solchen zu technischen Fragen unterschieden und implizit davon ausgegangen, daß die Fragen 1 und 2 wegen dieses Unterschieds auch unterschiedlich beantwortet werden könnten.
Im Rahmen mündlicher Ausführungen zu rechtlichen und technischen Fragen können Tatsachen, Beweismittel zur Glaubhaftmachung von Tatsachen oder einfach nur Argumente vorgebracht werden, die rechtlicher oder technischer Art oder eine Mischung aus beidem sein können. Somit ist der in den Fragen 1 und 2 gemachte Unterschied zwischen mündlichen Ausführungen zu rechtlichen und solchen zu technischen Fragen in diesem Zusammenhang im Grunde unwichtig.
Im Gegensatz dazu ist jedoch der Unterschied zwischen dem Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln einerseits und dem Vorbringen von Argumenten andererseits nach dem EPÜ (siehe zum Beispiel Art. 114 EPÜ) von grundlegender Bedeutung; jeder dieser Punkte muß getrennt geprüft werden. Somit lassen sich die den Fragen 1 und 2 zugrunde liegenden Probleme wie folgt neu formulieren:
a) Darf eine Begleitperson in einer mündlichen Verhandlung mündliche Ausführungen machen, bei denen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden?
b) Darf diese Begleitperson in einer mündlichen Verhandlung mündliche Ausführungen in Form von Argumenten machen?
2. Die bisherige Praxis der Einspruchsabteilungen und der Beschwerdekammern des EPA im Zusammenhang mit der Zulassung mündlicher Ausführungen durch Begleitpersonen in der mündlichen Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Einspruchsabteilungen lassen offensichtlich mündliche Ausführungen sogenannter technischer "Sachverständiger", die den Vertreter eines Beteiligten begleiten, häufig relativ formlos und unabhängig davon zu, ob eine Gegenpartei Einwendungen erhebt (siehe zum Beispiel Nummer III der Vorlageentscheidung T 803/93). Welche Beweiskraft diesen mündlichen Ausführungen eingeräumt wird, liegt im Ermessen der Einspruchsabteilung, die sich hierbei auch auf ihr eigenes technisches Wissen stützt. Manchmal werden mündliche Ausführungen durch Begleitpersonen auch im Zusammenhang mit Rechtsfragen ohne weiteres zugelassen und hinsichtlich ihres Werts ad hoc entsprechend beurteilt.
Was die Beschwerdekammern angeht, so kam in einer frühen Entscheidung einer Technischen Beschwerdekammer im Rahmen eines Einspruchsverfahrens (Entscheidung T 80/84, s. o.) die gewissermaßen "strenge" Auslegung der Artikel 133 und 134 EPÜ zum Tragen; die Kammer vertrat darin die Ansicht, diese Bestimmungen begründeten ein ausschließliches Vertretungsrecht, so daß eine Begleitperson (in diesem konkreten Fall ein nicht zugelassener Assistent, der erst zum Patentvertreter ausgebildet wurde) den Fall eines Verfahrensbeteiligten auch nicht teilweise und unter der unmittelbaren Aufsicht seines zugelassenen Vertreters in einer mündlichen Verhandlung vortragen könne.
Dieser strengen Auslegung der Artikel 133 und 134 EPÜ sind die übrigen Beschwerdekammern jedoch im allgemeinen nicht gefolgt. Wie in der Entscheidung T 843/91 (ABl. EPA 1994, 818) dargelegt, hat sich bei den Beschwerdekammern vielmehr die Praxis herausgebildet, "Beiträge von Sachverständigen unter der Aufsicht des bevollmächtigten Vertreters zuzulassen, wenn sie dies zum besseren Verständnis des Falls für zweckmäßig halten", was der vorstehend geschilderten Praxis der Einspruchsabteilungen entspricht. In der Entscheidung T 843/91 wurde die Auffassung vertreten, die Rechtsgrundlage für die Zulassung dieser mündlichen Ausführungen durch "Sachverständige" sei in Artikel 117 EPÜ zu finden. Auch in der Entscheidung T 598/91 (s. o.) wurde darauf verwiesen, es sei "seit einigen Jahren gängige Praxis der Beschwerdekammern, daß sich Vertreter in mündlichen Verhandlungen von Assistenten oder Sachverständigen unterstützen lassen dürfen, die den Sachverhalt erläutern und in bestimmten Abschnitten der Verhandlung anstelle des Vertreters den Fall vortragen". In der Entscheidung T 598/91 schloß sich die Beschwerdekammer der in der Entscheidung T 80/84 vertretenen Auffassung an, wonach die Artikel 133 und 134 EPÜ ein ausschließliches Recht zur Vertretung begründeten, rechtfertigte aber zusätzliche mündliche Ausführungen durch Assistenten und Sachverständige damit, daß sie unter den Begriff "Vortrag" und nicht unter Vertretung fielen. Dieser zusätzliche "Vortrag" sei deshalb nach den Artikeln 133 und 134 EPÜ nicht untersagt.
3. Wie der Zusammenfassung in den Nummern II und III zu entnehmen ist, hat der Patentinhaber die Artikel 117, 133 und 134 EPÜ "streng" ausgelegt, was im großen und ganzen dem Tenor der Entscheidung T 80/84 entspricht, während der Einsprechende eine liberalere Auslegung der Artikel 133 und 134 EPÜ vertritt, bei der zwischen der ausschließlich in den Artikeln 133 und 134 EPÜ geregelten "Vertretung" und dem "Vorbringen" zweckdienlicher Beiträge in Form mündlicher Ausführungen unterschieden wird. Der Einsprechende hat dargetan, es sollte im Ermessen der Einspruchsabteilungen und der Beschwerdekammern liegen, ob solche mündlichen Ausführungen vorgebracht werden dürften (was im großen und ganzen dem Tenor der Entscheidung T 598/91 entspricht).
4. Vor der ausführlichen Prüfung der vorgelegten Fragen muß zunächst auf die allgemeine Systematik des im EPÜ vorgesehenen Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahrens einschließlich des damit verbundenen Vorbringens von Tatsachen, Beweismitteln und Argumenten sowie auf die Stellung der mündlichen Verhandlung im Rahmen dieser Verfahren eingegangen werden.
a) Tatsachen und Beweismittel
Nach Regel 55 c) EPÜ muß die Einspruchsschrift die Angabe der zur Begründung der Einspruchsgründe vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel (sowie Argumente) enthalten. Das vorgeschriebene Verfahren enthält darüber hinaus keine ausführlichen Bestimmungen darüber, wie und wann Tatsachen und Beweismittel von den am Einspruchsverfahren Beteiligten einzureichen sind. Die Einreichung von Tatsachen und Beweismitteln unterliegt allein dem Ermessen des EPA.
Nach der in der Mitteilung "Einspruchsverfahren im EPA" (ABl. EPA 1989, 417) erläuterten Praxis der Einspruchsabteilungen sollten Tatsachen und Beweismittel in einer frühen Phase des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung vorgebracht werden - siehe insbesondere die Nummern 8 bis 13. Ein Einsprechender sollte Beweismaterial zur Begründung seines Einspruchs in der Regel innerhalb der neunmonatigen Einspruchsfrist oder innerhalb einer kurzen Nachfrist (zwei Monate) einreichen; der Patentinhaber muß seine Gegenbeweise innerhalb eines bestimmten Zeitraums danach vorlegen.
Grundlage für die Prüfung einer Beschwerde und die anschließend ergehende Entscheidung sind in der Regel die im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.
Während die Einreichung von Tatsachen und Beweismitteln durch die am Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren Beteiligten in keiner Phase dieser Verfahren ausgeschlossen ist, liegt die Zulassung von Tatsachen und Beweismitteln, die in einer fortgeschrittenen Verfahrensphase vorgebracht werden, stets im Ermessen des EPA (siehe Art. 114 (2) EPÜ).
b) Argumente
Im allgemeinen werden Argumente, denen schon früher vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zugrunde liegen, in jeder Phase des Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens nach dem Ermessen des EPA zugelassen.
c) Mündliche Verhandlungen
Nach Artikel 116 EPÜ findet eine mündliche Verhandlung entweder auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen statt. Eine mündliche Verhandlung ist mithin ein fakultatives zusätzliches Element. Sowohl das Einspruchs- als auch das Einspruchsbeschwerdeverfahren sind in erster Linie schriftliche Verfahren. Dennoch sind mündliche Verhandlungen für den Entscheidungsfindungsprozeß von maßgeblicher Bedeutung.
Mündliche Verhandlungen werden grundsätzlich zu einem Zeitpunkt im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren anberaumt, zu dem die Schriftsätze aller Beteiligten einschließlich der schriftlich vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel aller Beteiligten vollständig sind. Infolgedessen kann die Entscheidung der Einspruchsabteilung bzw. der Beschwerdekammer in der Regel bereits am Schluß der mündlichen Verhandlung mündlich verkündet werden (zum Verfahren vor den Einspruchsabteilungen siehe Mitteilung "Einspruchsverfahren im EPA", Nr. 15, ABl. EPA 1989, 417; zum Verfahren vor den Beschwerdekammern siehe Art. 11 (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, ABl. EPA 1983, 7).
Die Vertretung von Beteiligten in den Verfahren nach dem EPÜ
5. Artikel 133 EPÜ schafft eine allgemeine Systematik für die Vertretung von Beteiligten in den durch das EPÜ geschaffenen Verfahren.
Nach Artikel 133 (1) EPÜ ist (vorbehaltlich Artikel 133 (2) EPÜ) "niemand verpflichtet, sich ... durch einen zugelassenen Vertreter vertreten zu lassen". Bei seiner Anwendung auf das Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren sieht Artikel 133 (2) EPÜ vor, daß Personen, die weder Wohnsitz noch Sitz in einem EPÜ-Vertragsstaat haben (nachstehend "nichteuropäische Beteiligte" genannt), in diesen Verfahren "durch einen zugelassenen Vertreter vertreten sein und Handlungen ... durch ihn vornehmen" müssen. Nach Artikel 133 (3) EPÜ können Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Vertragsstaat (nachstehend "europäische Beteiligte" genannt) durch einen ihrer Angestellten handeln, "der kein zugelassener Vertreter zu sein braucht".
Mit anderen Worten: Nach Artikel 133 EPÜ müssen sich im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren nichteuropäische Beteiligte durch einen zugelassenen Vertreter vertreten lassen, während es europäischen Beteiligten freisteht, sich durch einen zugelassenen Vertreter vertreten zu lassen oder selbst bzw. durch einen ihrer Angestellten zu handeln.
6. Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Person als zugelassener Vertreter nach Artikel 133 EPÜ tätig werden darf, sind in Artikel 134 EPÜ genannt. Nach Artikel 134 (1) EPÜ kann als zugelassener Vertreter tätig werden, wer entsprechend qualifiziert und in einer beim EPA geführten Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen ist. Nach Artikel 134 (7) EPÜ kann auch ein "Rechtsanwalt" nach Maßgabe der dort genannten Voraussetzungen als zugelassener Vertreter tätig werden.
Nach Artikel 134 (8) EPÜ kann der Verwaltungsrat Vorschriften unter anderem über die europäische Eignungsprüfung und die Errichtung eines Instituts der zugelassenen Vertreter erlassen. Dies hat er am 21. Oktober 1977 mit dem Erlaß der Vorschriften über die Errichtung des Instituts (EPI) und über die europäische Eignungsprüfung (ABl. EPA 1978, 85 bzw. 101) denn auch getan.
Mit diesen Vorschriften soll gewährleistet werden, daß Verfahren vor dem EPA effizient und wirksam von ordnungsgemäß zugelassenen Vertretern durchgeführt werden, die mit dem Recht und der Praxis nach dem EPÜ bestens vertraut sind und mithin über die fachliche Kompetenz zur Vertretung von an diesen Verfahren Beteiligten verfügen. Eine effiziente und wirksame Durchführung der Verfahren vor dem EPA gereicht dem europäischen Patentsystem insgesamt zum Nutzen.
7. Die Funktion eines zugelassenen Vertreters wird in Artikel 133 (2) EPÜ erläutert; dort heißt es - wie bereits erwähnt -, daß nichteuropäische Beteiligte "in jedem durch" das EPÜ "geschaffenen Verfahren durch einen zugelassenen Vertreter vertreten sein und Handlungen ... durch ihn vornehmen" müssen. Mit anderen Worten: Die Bestellung eines zugelassenen Vertreters durch einen Beteiligten schließt die Bevollmächtigung und Nennung der fachlich qualifizierten Person ein, die für alles, was dieser Beteiligte beim EPA vorbringt, verantwortlich ist. Dieser Vortrag des Falls eines Beteiligten stellt die Kernfunktion eines zugelassenen Vertreters im Sinne des Artikels 133 EPÜ dar. In der mündlichen Verhandlung wird von einem zugelassenen Vertreter erwartet, daß er den vollständigen Fall des von ihm vertretenen Beteiligten vorträgt.
Fragen 1 und 2: Sind mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson nach dem EPÜ ausgeschlossen?
8. Wie unter Nummer 1 erläutert, können bei mündlichen Ausführungen entweder Tatsachen oder Beweismittel oder auch Argumente vorgebracht werden; diese beiden Kategorien mündlicher Ausführungen müssen getrennt betrachtet werden.
a) Darf eine Begleitperson in einer mündlichen Verhandlung mündliche Ausführungen machen und dabei auch Tatsachen oder Beweismittel vorbringen?
Aus Nummer 4 a folgt, daß mündliche Ausführungen, bei denen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, in das dem EPA eingeräumte allgemeine Ermessen gestellt sind, Tatsachen und Beweismittel zu den vor ihm stattfindenden Verfahren zuzulassen.
Mündliche Ausführungen, die über den umfassenden Vortrag des Falls des Beteiligten durch den zugelassenen Vertreter hinaus in der mündlichen Verhandlung von einer Begleitperson gemacht werden und bei denen im Namen eines Beteiligten Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden, sind demnach nach dem EPÜ nicht ausgeschlossen. Sie können in Einspruchs- oder im Einspruchsbeschwerdeverfahren unter der Aufsicht des zugelassenen Vertreters des Beteiligten und nach dem allgemeinen Ermessen des EPA zugelassen werden.
Die Große Beschwerdekammer kann in diesem Zusammenhang die beispielsweise in der Entscheidung T 843/91 vertretene Ansicht nicht gelten lassen, Artikel 117 EPÜ biete eine Rechtsgrundlage für die Anhörung mündlicher Ausführungen durch eine Begleitperson, bei denen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden. Artikel 117 EPÜ und seine Ausführungsbestimmungen, die Regeln 72 bis 76 EPÜ, regeln lediglich das Verfahren für die förmliche "Beweisaufnahme". Ein solches Verfahren setzt zwangsläufig eine Entscheidung zur Durchführung einer Beweisaufnahme im Sinne des Artikels 117 EPÜ voraus; in dieser Entscheidung müssen als erster Verfahrensschritt alle in Regel 72 (1) EPÜ vorgeschriebenen Angaben gemacht werden.
b) Darf eine Begleitperson in einer mündlichen Verhandlung mündliche Ausführungen in Form von Argumenten machen?
Es ergibt sich aus Nummer 7, daß die Große Beschwerdekammer die Konsequenzen nicht hinnehmen kann, die die vom Einsprechenden angeregte und auch in der Entscheidung T 598/91 dargelegte Unterscheidung zwischen Vertretung und "Vortrag" mit sich brächte. Sie würde nämlich im Extremfall dazu führen, daß ein zugelassener Vertreter an der mündlichen Verhandlung lediglich zu dem Zweck teilnimmt, die förmlichen Anträge eines Beteiligten zu stellen, während eine Begleitperson den Fall dieses Beteiligten in vollem Umfang vorträgt. Nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer stünde eine solche Vorgehensweise eindeutig im Widerspruch zu dem, was mit Artikel 133 EPÜ beabsichtigt wird.
Die Große Beschwerdekammer schließt sich allerdings auch nicht der vom Patentinhaber und in der Entscheidung T 80/84 vertretenen strengen Auslegung des Artikels 133 EPÜ an, wonach nur der zugelassene Vertreter berechtigt sei, den Fall eines Beteiligten vorzutragen, und mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson, bei denen auch Argumente vorgebracht werden, völlig ausgeschlossen seien.
In Artikel 133 EPÜ wird im Zusammenhang mit den Vertretungserfordernissen kein Unterschied zwischen schriftlichem und mündlichem Verfahren gemacht. Somit ist ein zugelassener Vertreter für alle schriftlichen und mündlichen Ausführungen verantwortlich, die im Namen des Beteiligten, der ihn bestellt hat, gemacht werden.
Im Rahmen des im EPÜ vorgesehenen schriftlichen Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahrens (siehe hierzu Nr. 4) muß ein bestellter zugelassener Vertreter alle im Verfahren anfallenden Schriftstücke unterzeichnen (siehe R. 36 (3) EPÜ). Dennoch kann der zugelassene Vertreter zusammen mit diesen auch Schriftstücke einreichen, die von einem Dritten (zum Beispiel einem Professor der Rechts- oder Naturwissenschaften) unterzeichnet sind. Sofern diese Schriftstücke unter der Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters vorgelegt werden, dürfen sie nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer von der Berücksichtigung in dem Verfahren, in dem sie eingereicht werden, nicht ausgeschlossen werden.
Desgleichen ist es auch in der mündlichen Verhandlung im Rahmen eines Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens einer Begleitperson nicht verboten, unter der Aufsicht des zugelassenen Vertreters über den umfassenden Vortrag des Falls des Beteiligten durch den zugelassenen Vertreter hinaus für einen Verfahrensbeteiligten mündliche Ausführungen zu rechtlichen oder technischen Fragen zu machen.
Frage 3 a: Besteht ein Rechtsanspruch auf mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson, oder dürfen sie nur nach dem Ermessen des EPA gemacht werden?
9. Wie unter Nummer 8 ausgeführt, besteht in einer mündlichen Verhandlung vor dem EPA kein Rechtsanspruch auf mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson, bei denen a) Tatsachen oder Beweismittel oder b) Argumente vorgebracht werden; solche Ausführungen unterliegen allein dem Ermessen des EPA.
Frage 3 b: Welche Kriterien gelten für die Ausübung des Ermessens durch das EPA?
10. Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts muß im mehrseitigen Verfahren jeder Verfahrensbeteiligte ausreichend Gelegenheit haben, zum Vorbringen einer Gegenpartei Stellung zu nehmen. Dieser Grundsatz kommt in Artikel 113 (1) EPÜ zum Ausdruck, wo betont wird, daß ein Beteiligter von den Gründen oder Beweismitteln, auf die eine ihn beschwerende Entscheidung gestützt wird, nicht überrumpelt werden darf.
Wendet man diesen Grundsatz auf die Durchführung von Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren an, so muß gewährleistet sein, daß ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung keine mündlichen Ausführungen macht, die eine Gegenpartei überrumpeln könnten und auf die sie nicht vorbereitet ist. Wünscht ein Beteiligter in einer mündlichen Verhandlung vor einer Einspruchsabteilung oder einer Beschwerdekammer, daß über den umfassenden Vortrag seines Falls durch seinen zugelassenen Vertreter hinaus in seinem Namen mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson gemacht werden, so muß dennoch der zugelassene Vertreter rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung beantragen, daß diese mündlichen Ausführungen gemacht werden dürfen. Bei der Antragstellung muß der zugelassene Vertreter den Namen und die Qualifikation der Person angeben, der zusätzliche mündliche Ausführungen gestattet werden sollen, und den Gegenstand nennen, zu dem sich diese Person äußern möchte.
Dieser Antrag muß gestellt werden, sobald der Beteiligte beschlossen hat, daß in der mündlichen Verhandlung solche mündlichen Ausführungen gemacht werden sollen. In jedem Fall muß er so rechtzeitig vor dem Tag gestellt werden, auf den die mündliche Verhandlung anberaumt ist (oder anberaumt werden soll), daß sich alle Gegenparteien auf die beabsichtigten mündlichen Ausführungen angemessen vorbereiten können.
Wie unter Nummer 4 a im Zusammenhang mit dem Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln ausgeführt, müssen alle zur Untermauerung der Argumentation eines Beteiligten vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich in einer frühen Phase des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden. Läßt beispielsweise ein Beteiligter durch seinen zugelassenen Vertreter die Erlaubnis einholen, daß eine Begleitperson mündliche Ausführungen vor einer Einspruchsabteilung machen darf, bei denen erstmals komplexe mündliche Beweismittel vorgebracht werden, so sollte die Einspruchsabteilung demnach ihre Zustimmung versagen, sofern sie nicht völlig davon überzeugt ist, daß jede Gegenpartei ausreichend und angemessen Gelegenheit hat, diese mündlichen Ausführungen durch das Vorbringen von Tatsachen, Beweismitteln und Argumenten zu erwidern.
Würde ein ähnlicher Antrag im Rahmen eines Einspruchsbeschwerdeverfahrens an eine Beschwerdekammer gerichtet, so müßte er in der Regel zurückgewiesen werden.
Wird ein Antrag auf Zulassung mündlicher Ausführungen durch eine Begleitperson erst kurz vor dem Tag, auf den die mündliche Verhandlung anberaumt ist, oder während der mündlichen Verhandlung gestellt, so ist er vom EPA zurückzuweisen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, es sei denn, alle Gegenparteien sind damit einverstanden, daß die beantragten mündlichen Ausführungen gemacht werden.
11. Den Nummern 7 und 8 ist zu entnehmen, daß das EPA stets davon überzeugt sein muß, daß die Begleitperson die mündlichen Ausführungen unter der ständigen Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters macht.
12. Die Zulassung zusätzlicher mündlicher Ausführungen liegt in jedem Einzelfall im Ermessen des EPA, wobei insbesondere die Art und der Zeitpunkt jedes Antrags auf Zulassung solcher zusätzlicher mündlicher Ausführungen sowie ihr geplanter Gegenstand zu berücksichtigen sind.
Frage 3 c: Gelten für Patentvertreter aus Nichtvertragsstaaten besondere Kriterien?
13. Aus den Ausführungen unter Nummer 10 geht hervor, daß für mündliche Ausführungen durch zugelassene Patentvertreter aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des EPÜ sind, keine besonderen Kriterien gelten. Die unter Nummer 10 genannten Kriterien gelten auch für diese Patentvertreter.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1 und 2: In der mündlichen Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ im Rahmen des Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahrens kann es einer Person, die den zugelassenen Vertreter eines Beteiligten begleitet, gestattet werden, außerhalb des Rahmens von Artikel 117 EPÜ und über den umfassenden Vortrag des Falls des Beteiligten durch den zugelassenen Vertreter hinaus für diesen Beteiligten mündliche Ausführungen zu konkreten rechtlichen oder technischen Fragen zu machen.
3 a: Ein Rechtsanspruch auf solche mündlichen Ausführungen besteht nicht; sie dürfen nur mit Zustimmung des EPA und nach seinem Ermessen gemacht werden.
b: Das EPA hat bei der Ausübung seines Ermessens, mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren zuzulassen, hauptsächlich die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:
i) Der zugelassene Vertreter muß beantragen, daß diese mündlichen Ausführungen gemacht werden dürfen. Im Antrag sind der Name und die Qualifikation der Begleitperson anzugeben und der Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen zu nennen.
ii) Der Antrag ist so rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu stellen, daß sich alle Gegenparteien auf die beabsichtigten mündlichen Ausführungen angemessen vorbereiten können.
iii) Ein Antrag, der erst kurz vor oder während der mündlichen Verhandlung gestellt wird, ist zurückzuweisen, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, es sei denn, alle Gegenparteien sind damit einverstanden, daß die beantragten mündlichen Ausführungen gemacht werden.
iv) Das EPA muß davon überzeugt sein, daß die Begleitperson die mündlichen Ausführungen unter der ständigen Verantwortung und Aufsicht des zugelassenen Vertreters macht.
c: Für mündliche Ausführungen durch zugelassene Patentvertreter aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten des EPÜ sind, gelten keine besonderen Kriterien.