BESCHWERDEKAMMERN
Zwischenentscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.07 vom 22. Februar 2019 - T 489/14
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | R. Moufang |
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Mitglieder: | R. de Man P. San-Bento Furtado |
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Beschwerdeführer/Anmelder: Connor, James Douglas
Stichwort: Fußgängersimulation/CONNOR
Relevante Rechtsnormen: Art. 52 (1), 52 (2), 52 (3), 56, 112 (1) a) EPÜ
Schlagwort: "Patentierbare Erfindung – Simulationsverfahren" – "Vorlage an die Große Beschwerdekammer"
Orientierungssatz:
Der Großen Beschwerdekammer werden die folgenden Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Kann – bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – die computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen, wenn die computerimplementierte Simulation als solche beansprucht wird?
2. Wenn die erste Frage bejaht wird, welches sind die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung, ob eine computerimplementierte Simulation, die als solche beansprucht wird, eine technische Aufgabe löst? Ist es insbesondere eine hinreichende Bedingung, dass die Simulation zumindest teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen?
3. Wie lauten die Antworten auf die erste und die zweite Frage, wenn die computerimplementierte Simulation als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, insbesondere für die Überprüfung eines Entwurfs?
Sachverhalt und Anträge
I. Der Anmelder (Beschwerdeführer) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die europäische Patentanmeldung Nr. 03793825.5, veröffentlicht als internationale Anmeldung WO 2004/023347, zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung hatte, ohne Dokumente anzuführen, entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des damaligen Hauptantrags und der damaligen Hilfsanträge 1 bis 3 nicht erfinderisch sei.
In Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2, der die computerimplementierte Simulation der Bewegung einer autonomen Einheit durch eine Umgebung betraf, argumentierte sie im Wesentlichen, dass das Simulationsmodell nichttechnisch und seine Ausführung auf einem Computer naheliegend sei.
In Bezug auf Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags, der auf ein Verfahren zum Entwerfen eines Bauwerks beschränkt worden war, das einen Schritt der Simulation der Bewegung von Fußgängern durch das Bauwerk umfasste, argumentierte sie, dass die beanspruchte Simulation einer Fußgängerbewegung "nicht zum technischen Zweck des Anspruchs, nämlich ein Bauwerk zu entwerfen, beiträgt, weil keines der Merkmale oder Aspekte des numerischen Modells funktional auf den technischen Zweck des Entwerfens eines Bauwerks beschränkt ist". Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Simulation stelle insoweit einen wesentlichen Teil des Entwurfsverfahrens dar, als sie es dem Entwerfer ermögliche, seinen Entwurf zu validieren, wies sie zurück, weil im Anspruch nicht angegeben sei, wie das Verfahren des Entwerfens eines Bauwerks mit dem Simulationsverfahren zusammenhänge.
III. In der Beschwerdebegründung ersetzte der Beschwerdeführer seine Anträge durch einen geänderten Hauptantrag und die geänderten Hilfsanträge 1 und 2.
IV. In einer zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangenen Mitteilung merkte die Kammer unter anderem an, dass der Fall Ähnlichkeiten mit der Entscheidung T 1227/05 (ABl. EPA 2007, 574) aufweise, in der die numerische Simulation eines rauschbehafteten Schaltkreises als funktionales technisches Merkmal erachtet wurde. Dennoch tendiere sie zu der Ansicht, dass das dem Anspruch 1 jedes Antrags zugrunde liegende Simulationsverfahren nicht zum technischen Charakter der Erfindung beitrage und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 jedes Antrags nicht erfinderisch sei.
V. Mit Schreiben vom 9. März 2018 reichte der Beschwerdeführer die Hilfsanträge 3, 4 und 5 ein.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. April 2018 statt. In ihrem Verlauf wurde darüber beraten, ob der Großen Beschwerdekammer eine oder mehrere Rechtsfragen vorgelegt werden sollten. Am Ende der mündlichen Verhandlung kündigte der Vorsitzende an, dass das Verfahren schriftlich fortgesetzt werde.
VII. Mit Schreiben vom 25. Juni 2018 schlug der Beschwerdeführer folgende Fragen zur Vorlage vor:
"I. Kann ein auf den Gesetzen der Physik oder auf der Berechnung von physikalische Größen repräsentierenden Werten beruhendes computerimplementiertes Simulationsverfahren zur Unterstützung des Entwurfs der technischen Aspekte eines physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses oder zur Unterstützung des technischen Betriebs eines physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses als technischer Zweck oder als einem technischen Zweck dienend erachtet werden, sofern der technische Zweck hinreichend definiert ist?
II. Falls Frage I verneint wird, würden dann in einem auf ein Verfahren zum Entwerfen, Herstellen oder Betreiben des physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses gerichteten Anspruch, der Schritte eines Simulationsverfahrens zur Unterstützung des Entwurfs der technischen Aspekte des physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses oder zur Unterstützung des technischen Betriebs des physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses angibt, die Schritte des Simulationsverfahrens als Beitrag zum technischen Charakter des Anspruchs erachtet und somit bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden?
III. Kann ein computerimplementiertes Simulationsverfahren, das physikalische Größen repräsentierende Werte beinhaltet, die durch einen oder mehrere nicht physikalische Faktoren (wie das Verhalten einer Menge von Menschen) beeinflusst oder angetrieben werden können und dennoch genau simulierbar und technisch relevant sein können, sodass die Simulation den Entwurf der technischen Aspekte des physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses oder den technischen Betrieb des physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses trotzdem unterstützen kann, noch als technischer Zweck oder als einem technischen Zweck dienend erachtet werden, sofern der technische Zweck hinreichend definiert ist[?]"
VIII. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags oder hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche eines der Hilfsanträge 1 bis 5.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Computerimplementiertes Verfahren zur Modellierung der Bewegung einer Fußgängermenge in einer Umgebung, umfassend
das Simulieren der Bewegung einer Vielzahl von Fußgängern durch die Umgebung, wobei das Simulieren der Bewegung jedes Fußgängers Folgendes umfasst:
das Bereitstellen eines provisorischen Pfads (9) durch ein Modell der Umgebung von einem aktuellen Ort (6) zu einem angestrebten Zielort (7);
das Bereitstellen eines Profils für den Fußgänger;
das Bestimmen eines bevorzugten Schrittes (112') hin zu einer bevorzugten Position (123') in Richtung des angestrebten Zielorts auf der Grundlage des Profils und des provisorischen Pfads, wobei das Bestimmen des bevorzugten Schrittes das Bestimmen einer Unzufriedenheitsfunktion umfasst, die die Kosten der Vornahme eines Schrittes ausdrückt, umfassend die Summe einer Unannehmlichkeitsfunktion, die die Kosten der Abweichung von einer vorgegebenen Richtung ausdrückt und einer Frustrationsfunktion, die die Kosten der Abweichung von einer vorgegebenen Geschwindigkeit ausdrückt;
das Definieren einer Nachbarschaft (29) um die bevorzugte Position (123');
das Identifizieren von Behinderungen in der Nachbarschaft, wobei die Behinderungen andere Fußgänger (21) und feste Hindernisse (25) umfassen;
das Bestimmen eines persönlichen Raums (24) um den Fußgänger;
das Bestimmen, ob der bevorzugte Schritt (112') durchführbar ist, indem geprüft wird, ob im Verlauf des bevorzugten Schrittes (112') Behinderungen (21, 25) den persönlichen Raum stören."
X. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags darin, dass "Umgebung" durch "Bauwerk" ersetzt wurde.
XI. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags darin, dass der folgende Wortlaut nach "das Bereitstellen eines Profils für den Fußgänger" eingefügt wurde:
"wobei dieses Profil eine bevorzugte Gehgeschwindigkeit umfasst;
das Bestimmen einer bevorzugten momentanen Gehgeschwindigkeit, indem die bevorzugte Gehgeschwindigkeit zu einem Wert des Gehgeschwindigkeitsrauschens addiert wird"
und dass "die Kosten der Abweichung von einer vorgegebenen Geschwindigkeit" ersetzt wurden durch "die Kosten der Abweichung von der bevorzugten momentanen Gehgeschwindigkeit".
XII. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags darin, dass der folgende Wortlaut am Ende des Anspruchs angefügt wurde:
"und
das Darstellen der simulierten Bewegung als sequenzielle Reihe von Momentaufnahmen, die die aktuelle Position jedes Fußgängers innerhalb des Modells im Zeitverlauf zeigen."
XIII. Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags darin, dass der Wortlaut vor "das Bereitstellen eines provisorischen Pfads" ersetzt wurde durch:
"Verfahren zum Entwerfen eines Bauwerks, umfassend:
- das Bereitstellen eines Modells des Bauwerks;
- das Simulieren der Bewegung einer Vielzahl von Fußgängern durch das Bauwerk unter Verwendung eines Computers, wobei der Schritt des Simulierens der Bewegung jedes Fußgängers Folgendes umfasst:"
und dass der folgende Wortlaut am Ende des Anspruchs angefügt wurde:
"und
- das Revidieren des Modells des Bauwerks in Abhängigkeit von der Bewegung der Fußgänger."
XIV. Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags darin, dass der folgende Wortlaut vor "und das Darstellen der simulierten Bewegung" eingefügt wurde:
"ist der bevorzugte Schritt nicht durchführbar, dann:
das Bestimmen einer Region, in der ein Kompromissschritt angestrebt wird, wobei das Bestimmen der Region, in der ein Kompromissschritt angestrebt wird, das Anpassen von Schrittparametern für das Bestimmen der Region in Abhängigkeit von der Erinnerung an vergangene Bedingungen umfasst; und
das Bestimmen, ob mindestens ein Kompromissschritt durchführbar ist;"
XV. Das Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Anmeldung betreffe die Modellierung der Bewegung von Fußgängern, die dazu verwendet werden könne, den Entwurf oder die Änderung einer Örtlichkeit zu unterstützen. Sie sei darauf ausgerichtet, Fußgängermengen in realen Situationen, die mit herkömmlichen Simulatoren nicht adäquat modelliert werden könnten, genauer und realistischer zu simulieren. Die Anmeldung gründe sich zumindest teilweise auf die Erkenntnis, dass menschliche Interaktion auf dieselbe Weise ausgedrückt und modelliert werden könne wie physikalische Interaktionen.
In Anspruch 1 des Hauptantrags, der nun auf ein Verfahren zur Modellierung der Bewegung einer Fußgängermenge in einer Umgebung mittels Simulation gerichtet sei, trügen die Verfahrensschritte auf zweierlei Weise zum technischen Charakter der Erfindung bei. Erstens seien die Verfahrensschritte selbst technische Merkmale, da sie sich auf physikalische Parameter bezögen, die als physikalische Größen ausgedrückt werden könnten und mit der Anwendung physikalischer Bewegungsgesetze sowie Überlegungen bezüglich Kosten und Arbeit einhergingen. Zweitens trügen sie durch ihre Wechselwirkung mit dem Computer zum technischen Charakter der Erfindung bei. Das Verfahren nach Anspruch 1 erzeuge eine technische Wirkung in Form einer genaueren Simulation der Bewegung einer Menschenmenge. Folge man der Entscheidung T 1227/05, stelle die Modellierung der Bewegung einer Fußgängermenge in einer Umgebung einen hinreichend definierten technischen Zweck eines computerimplementierten Verfahrens dar. Das beanspruchte Verfahren liefere genaue und reproduzierbare Ergebnisse, die sich nicht von denen eines ähnlichen numerischen Verfahrens zur Modellierung eines Elektrons unterschieden. Zudem sei das beanspruchte Simulationsverfahren genauso wenig für eine gedankliche Ausführung geeignet wie das in T 1227/05 behandelte Simulationsverfahren.
Die auf Überlegungen zum menschlichen Verhalten beruhenden Aspekte des Simulationsverfahrens, wie der Aspekt des persönlichen Raums, würden anhand von Gleichungen modelliert, die denen zur Beschreibung der Gesetze der Physik ähnelten, und leisteten somit auch einen technischen Beitrag.
In Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 werde weiter klargestellt, dass sich die Erfindung auf physikalische Größen und Parameter beziehe.
Die Hilfsanträge 3, 4 und 5 trügen zur Klarstellung der Wirkung außerhalb des Computers bei und unterstrichen, dass es sich um ein Verfahren handle, das nicht einfach mit Papier und Bleistift durchgeführt werden könne.
Die Kammer im Fall T 1227/05 habe einen richtigen Ansatz verfolgt. Sie habe die Wichtigkeit von Simulationen anerkannt und die praktischen Fragen ihrer Beanspruchung verstanden. Diesem Ansatz sei in der Entscheidung T 625/11 vom 19. Januar 2017 gefolgt worden.
In der Frage I des Beschwerdeführers solle der Begriff "technische Aspekte eines physikalischen Systems oder technischen Erzeugnisses" die Anordnung einer baulichen Konstruktion, z. B. eines Bahnhofs, umfassen. Die genaue Simulation der Bewegung einer Menschenmenge könne dazu verwendet werden, den Entwurf der baulichen Umgebung durch die Anregung physikalischer Änderungen dieser Umgebung zu unterstützen, die die Leistungsfähigkeit der baulichen Konstruktion verbessern. Frage I entspreche dem in der Entscheidung T 1227/05 verfolgten Ansatz und sei zu bejahen. Frage II werde als Rückfallposition vorgeschlagen und sei auch zu bejahen.
Frage III sei gleichfalls mit "Ja" zu beantworten. Von einer Simulation profitierten nicht nur Strukturen oder Erzeugnisse wie elektronische Schaltkreise und Kernreaktoren, sondern auch Umgebungen wie Stadien und Bahnhöfe oder auch eine Verkehrsinfrastruktur. Die Bewegung der relevanten Akteure, wie etwa der Fußgänger, könne genau und reproduzierbar anhand einer Reihe von Gesetzen modelliert werden, die den Gesetzen der Physik ähnelten.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit der Beschwerde
1. Die Beschwerde genügt den in der Regel 101 EPÜ genannten Bestimmungen und ist daher zulässig.
Die Anmeldung
2. Die Erfindung betrifft ein computerimplementiertes Verfahren, ein Computerprogramm und eine Vorrichtung zur Simulierung der Bewegung einer Fußgängermenge durch eine Umgebung.
Die veröffentlichte Anmeldung beschreibt auf den Seiten 11 bis 56 ein mathematisches Modell einzelner Fußgänger und einen Algorithmus zur Simulierung ihrer Bewegung durch eine Umgebung. Darauf folgt auf den Seiten 56 bis 70 die Beschreibung eines Entwurfssystems, das die Simulation durchführt. Dieses in Abbildung 21 gezeigte System ermöglicht es dem Nutzer, ein Modell einer Umgebung zu errichten, indem er es erzeugt oder einen Entwurf aus einer CAD-Quelle (Computer-Aided Design) importiert (Seite 58, Zeilen 28 bis 32). Während der Ausführung der Simulation wird eine sequenzielle Reihe von Momentaufnahmen dargestellt, die die aktuelle Position jedes Fußgängers in der modellierten Umgebung zeigen. Diese Simulationsergebnisse können entweder online, d. h. während der Simulation, oder offline, d. h. nach Abschluss der Simulation und Aufzeichnung der Ergebnisse, analysiert werden (Seite 60, Zeile 18 bis Seite 61, Zeile 5).
Hauptzweck der Simulation ist ihre Verwendung bei einem Verfahren zum Entwurf einer Örtlichkeit, z. B. eines Bahnhofs oder eines Stadions, wie in Abbildung 22 gezeigt und auf den Seiten 65 bis 70 beschrieben. Im Wesentlichen erzeugt oder importiert der Entwerfer den Entwurf einer architektonischen Örtlichkeit, legt die Komponenten einer Fußgängerpopulation fest, die für die zu entwerfende Örtlichkeit typisch ist, und führt eine Reihe von Simulationen der Fußgängerflüsse durch, die er (als Quellen (Zugänge), Senken (Abgänge) und Zuflussrate) grob festlegen kann. Die Simulationsergebnisse werden dann geprüft, und der Entwurf wird, falls erforderlich, überarbeitet.
Außer zum Entwurf von Örtlichkeiten kann das Simulationsverfahren laut Beschreibung, Seite 3, Zeilen 17 bis 19, auch zur Behebung von Strömungsproblemen, zur betrieblichen Verwaltung, zur Festlegung und Umsetzung von Sicherheitsstandards und zur Qualitätskontrolle verwendet werden. Auf diese Verwendungszwecke wird in der Anmeldung nicht separat eingegangen.
Prüfung von Anspruch 1 des Hauptantrags
3. Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft ein computerimplementiertes Verfahren zur Modellierung der Bewegung einer Fußgängermenge in einer Umgebung. Das Verfahren simuliert eine Vielzahl von Fußgängern, die sich durch die Umgebung bewegen. Festgelegt werden für jeden Fußgänger ein "bevorzugter Schritt" auf der Grundlage eines fußgängerspezifischen Profils, ein provisorischer Pfad durch ein Modell der Umgebung und bestimmte Funktionen von "Unzufriedenheits-", "Unannehmlichkeits-" und "Frustrationskosten"; ferner wird bestimmt, ob der Schritt in Anbetracht der Behinderungen in der Nachbarschaft des Fußgängers und seines persönlichen Raums durchführbar ist.
4. Lässt man das Merkmal "computerimplementiert" für einen Moment außer Acht, so sieht Anspruch 1 eine Reihe von Verfahrensschritten vor, die unabhängig von konkreten technischen Mitteln durchgeführt werden könnten. Sie können mithilfe eines Computers, aber auch – zumindest grundsätzlich – rein gedanklich ausgeführt werden. Mit anderen Worten: ohne das Merkmal "computerimplementiert" umfasst der Schutzbereich des Anspruchs 1 Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solche, die nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen sind.
Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass in der Praxis jemand, der die vorgesehene Reihenfolge von Schritten für eine größere Zahl von Fußgängern und eine kompliziertere Umgebung ausführt, gewisse Hilfsmittel benötigen wird, z. B. einen Bleistift und Papier, um die rechnerischen Zwischenergebnisse festzuhalten oder die Endergebnisse zu visualisieren. Doch gilt die Komplexität einer Tätigkeit normalerweise nicht als ausreichend, um das Patentierungsverbot für gedankliche Tätigkeiten zu überwinden (siehe z. B. T 309/10 vom 19. Juni 2013, Nr. 16 der Entscheidungsgründe).
5. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass die Schritte des Anspruchs 1 tatsächlich technisch seien, weil sie sich auf physikalische Begriffe wie Richtung und Länge bezögen, die als physikalische Größen ausgedrückt werden könnten. Jedoch bleibt ein Verfahren, das gedanklich durchgeführt werden kann, ausgeschlossen, auch wenn es mit technischen Überlegungen einhergeht. Die Große Beschwerdekammer hat dies in ihrer Stellungnahme G 3/08 (ABl. EPA 2011, 10) bestätigt, in der sie erläuterte, es gebe keinen Widerspruch zwischen der Feststellung, dass das Programmieren – genauer gesagt die geistige Tätigkeit, in deren Rahmen die in ein Computerprogramm aufzunehmenden Schritte ausgearbeitet werden – immer mit technischen Überlegungen einhergeht, und der Feststellung, dass das Programmieren eine von der Patentierbarkeit ausgenommene gedankliche Tätigkeit ist (Nr. 13.3 der Begründung der Stellungnahme). Die Große Beschwerdekammer zog folgenden Vergleich:
"Das Konstruieren eines Fahrrads geht eindeutig mit technischen (u. U. auch mit nichttechnischen, z. B. ästhetischen) Überlegungen einher, aber es ist ein Prozess, der zumindest anfänglich im Kopf des Konstrukteurs stattfinden kann, d. h. es kann eine gedankliche Tätigkeit sein und wäre insoweit von der Patentierbarkeit ausgenommen, genau wie dies in den angeführten Entscheidungen T 833/91, T 204/93 und T 769/92 der Fall war (vgl. auch T 914/02, General Electric, vom 12. Juli 2005, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe, und T 471/05, Philips, vom 6. Februar 2007, Nrn. 2.1 und 2.2 der Entscheidungsgründe)."
6. Das Vorhandensein nichttechnischer Merkmale in Anspruch 1 bedeutet jedoch nicht, dass sein Gegenstand als "Nichterfindung" nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen wäre. Die Beschränkung auf ein "computerimplementiertes" Verfahren sorgt dafür, dass jede Ausführungsart der beanspruchten Erfindung mit der Verwendung eines Computers einhergeht, der zweifellos ein technisches Mittel ist. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist ein Verfahrensanspruch, der technische Mittel umfasst, nicht vom Patentschutz ausgeschlossen (siehe T 258/03, ABl. EPA 2004, 575, Nr. 4 der Entscheidungsgründe).
Diese enge Auslegung der Ausschlussbestimmungen des Artikels 52 (2) und (3) EPÜ basiert auf dem Grundsatz, dass die Beurteilung, ob ein bestimmter Gegenstand ausgeschlossen ist, stets unabhängig vom Stand der Technik zu erfolgen hat. In der Entscheidung G 2/07 (ABl. EPA 2012, 130) bestätigte die Große Beschwerdekammer diesen Grundsatz, indem sie befand, dass dasselbe auch für die Abgrenzung im Wesentlichen biologischer Verfahren von patentierbaren Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren gelten sollte (Nr. 6.4.1 der Entscheidungsgründe).
7. Andererseits besagt die Rechtsprechung auch, dass die erfinderische Tätigkeit nur auf dem technischen Teil der Erfindung beruhen kann, d. h. auf denjenigen Merkmalen, die zur Lösung einer technischen Aufgabe beitragen; Merkmale, die nicht durch eine technische Wirkung zur Lösung irgendeiner technischen Aufgabe beitragen, sind ohne Belang für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (siehe T 641/00, ABl. EPA 2003, 352, Nrn. 4 bis 6 der Entscheidungsgründe; G 3/08, Nrn. 12.2.1 und 12.2.2 der Begründung der Stellungnahme). Folglich sind nichttechnische Merkmale bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit insoweit zu berücksichtigen, als sie mit dem technischen Gegenstand des Anspruchs so zusammenwirken, dass eine technische Aufgabe gelöst wird bzw. eine technische Wirkung entsteht (siehe G 1/04, ABl. EPA 2006, 334, Nr. 5.3 der Entscheidungsgründe; T 154/04, ABl. EPA 2008, 46, Nr. 5 F) und 13 bis 15 der Entscheidungsgründe).
8. Im vorliegenden Fall wirken die Verfahrensschritte des Anspruchs 1 mit dem Merkmal, dass das Verfahren "computerimplementiert" sein muss, zumindest insoweit zusammen, dass die Verfahrensschritte auf einem Computer implementiert sein müssen.
In manchen Fällen kann die Aufgabe der Implementierung eines nichttechnischen Verfahrens auf einem Computer eine nicht naheliegende Lösung haben, nämlich wenn die Ausführung nicht trivialer technischer Merkmale bedarf. In solchen Fällen sind diese technischen Merkmale wesentliche Merkmale der Erfindung und müssen im Anspruch enthalten sein, damit dieser Regel 43 (1) und (3) EPÜ genügt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben: Die Implementierung der Schritte des Anspruchs 1 ist einfach und verlangt nur Grundkenntnisse von Datenstrukturen und Algorithmen.
In anderen Fällen kann die Implementierung eines nichttechnischen Verfahrens auf einem Computer zwar für sich genommen eine einfache Programmierungshandlung sein, die Konzeption des Verfahrens aber dennoch durch technische Überlegungen, die die interne Funktionsweise des Computers betreffen, motiviert sein, sodass eine spezifische technische Wirkung erzeugt wird, wenn das Verfahren auf dem Computer ausgeführt wird (siehe z. B. T 2330/13 vom 9. Mai 2018, Nrn. 5.7.9 und 5.7.10 der Entscheidungsgründe). In solchen Fällen kann die zu lösende technische Aufgabe nicht dahin gehend formuliert werden, wie das nichttechnische Verfahren auf einem Computer zu implementieren ist, sondern muss im Wesentlichen dahin gehend umformuliert werden, wie die Wirkung zu erzielen ist. Jedoch ist auch dieser Fall hier nicht gegeben, denn die Schritte des Anspruchs 1 entsprechen direkt der durchzuführenden Simulation, und Überlegungen hinsichtlich der internen Funktionsweise eines Computers sind weder in der Anmeldung erwähnt noch anderweitig für die Kammer erkennbar.
Würde somit die Implementierung auf einem Computer als der einzige technische Aspekt des beanspruchten Verfahrens erachtet, so wäre der Schluss zu ziehen, dass das Verfahren gegenüber einem bekannten Universalrechner nicht erfinderisch ist.
9. Deshalb ist zu prüfen, welche weiteren technischen Aspekte im Gegenstand des Anspruchs 1 ermittelt werden können. Diesbezüglich brachte der Beschwerdeführer vor, die Erfindung erzeuge eine technische Wirkung in Form einer "genaueren Simulation der Bewegung einer Menschenmenge". Da ein Universalrechner nicht inhärent die Bewegung einer Menschenmenge simuliert, kommt das Vorbringen des Beschwerdeführers dem Argument gleich, dass die computerimplementierte Simulation der Bewegung einer Menschenmenge als technische Wirkung gelten kann und die Schritte des Anspruchs 1 zu dieser Wirkung beitragen.
Die Kammer stellt fest, dass Anspruch 1 nicht ausdrücklich benennt, welche Informationen letztlich dem Anwender des Verfahrens bereitgestellt werden, erkennt aber an, dass Anspruch 1 Informationen über die simulierte Bewegung von Fußgängern durch eine modellierte Umgebung bereitstellt.
10. Was die Technizität der Simulation der Bewegung von Menschenmengen betrifft, argumentierte der Beschwerdeführer, dass die Simulation der Bewegung von Fußgängern Ergebnisse hervorbringe, die sich nicht von denen der Modellierung eines Elektrons anhand numerischer Verfahren unterschieden. Wie die Simulation eines Elektrons beruhe auch die beanspruchte Simulation der Bewegung von Fußgängern zumindest teilweise auf den Gesetzen der Physik.
Auch wenn die Kammer dies nicht bestreitet, so ist sie doch nicht überzeugt, dass die numerische Berechnung der Bahn eines Objekts, die durch die Gesetze der Physik bestimmt wird, für sich genommen eine technische Aufgabe ist, die eine technische Wirkung hervorbringt.
11. Nach Auffassung der Kammer bedingt eine technische Wirkung zumindest eine direkte Verbindung zur physischen Realität, wie etwa die Änderung oder Messung einer physikalischen Erscheinung. Eine solche Verbindung liegt nicht vor, wenn beispielsweise die parabolische Bahn eines hypothetischen Objekts unter dem Einfluss der Schwerkraft berechnet wird. Ebenso wenig kann die Kammer eine solche direkte Verbindung im hier beanspruchten Verfahren der Berechnung der Bahn hypothetischer Fußgänger erkennen, die sich durch eine modellierte Umgebung bewegen. Möglicherweise existiert die modellierte Umgebung nämlich weder heute noch in Zukunft, und die Simulation könnte zur Unterstützung rein theoretischer wissenschaftlicher Untersuchungen oder zur Simulation der Bewegungen von Fußgängern durch die virtuelle Welt eines Videospiels durchgeführt werden.
In diesem Zusammenhang verweist die Kammer auf die Feststellung der Großen Beschwerdekammer in G 2/07, Nummer 6.4.2.1 der Entscheidungsgründe: "Menschliche Mitwirkung zur Erzielung eines Ergebnisses unter Nutzung der Kräfte der Natur gehört zum Kern dessen, was unter einer Erfindung verstanden wird." Es scheint der Kammer so zu sein, dass der Gebrauch eines Computers zur Berechnung der Bahnen hypothetischer Fußgänger, die sich durch eine modellierte Umgebung bewegen, die Kräfte der Natur nicht auf andere Weise zur Erzielung eines Ergebnisses nutzt als der Gebrauch eines Computers zur Durchführung irgendeiner anderen Berechnung.
12. Aufgrund der bisherigen Analyse der Kammer wäre der Schluss zu ziehen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber einem bekannten Universalrechner nicht erfinderisch ist. Der Beschwerdeführer berief sich jedoch auch auf die Entscheidung T 1227/05 und brachte vor, die Modellierung der Bewegung einer Fußgängermenge in einer Umgebung stelle einen hinreichend definierten technischen Zweck eines computerimplementierten Verfahrens dar.
Entscheidung T 1227/05
13. Im Fall T 1227/05 kam die zuständige Kammer zu dem Schluss, dass die beanspruchte numerische Simulation eines rauschbehafteten Schaltkreises, der durch ein Modell, das Eingangskanäle, Rauscheingangskanäle und Ausgangskanäle aufweist, und ein System von Differenzialgleichungen oder Algebro-Differenzialgleichungen beschrieben wird, ein funktionales technisches Merkmal ist.
Die Kammer war überzeugt, dass der Anspruch auf die Simulation einer "hinreichend bestimmten Klasse von technischen Gegenständen" beschränkt war, wobei "hinreichend bestimmt" im Kern ein Klarheitserfordernis zu sein scheint (Nrn. 3.1 und 3.1.1 der Entscheidungsgründe). Warum die Kammer die Simulation als ein technisches Verfahren betrachtet, begründete sie in Nummer 3.2.2 der Entscheidungsgründe wie folgt:
"Die Simulation erfüllt technische Aufgaben, die für eine moderne Ingenieurtätigkeit typisch sind: Die Simulation erlaubt eine realitätsnahe Vorhersage des Verhaltens eines entworfenen Schaltkreises und unterstützt dadurch dessen Entwicklung im Idealfall so genau, dass vor einer Fertigung abgeschätzt werden kann, ob der Bau eines Prototyps Erfolg verspricht. Die technische Bedeutung dieses Ergebnisses vervielfacht sich mit zunehmender Geschwindigkeit des Simulationsverfahrens, denn damit kann eine umfangreiche Klasse von Entwürfen virtuell getestet und auf erfolgversprechende Kandidaten durchsucht werden, bevor mit einer aufwendigen Herstellung von Schaltkreisen begonnen wird.
Ein vorausschauender Test eines komplexen Schaltkreises und/oder eine qualifizierte Auswahl aus einer Vielzahl von Entwürfen wäre ohne technische Hilfe nicht oder nicht innerhalb annehmbarer Zeit möglich. Das computergestützte Simulationsverfahren zum virtuellen Ausprobieren stellt somit ein praktisches und praxisrelevantes Werkzeug des Elektroingenieurs dar. Dieses Werkzeug ist gerade deshalb wichtig, weil in der Regel keine rein mathematische, theoretische oder gedankliche Methode existiert, die eine vollständige und/oder schnelle Voraussage des Schaltkreisverhaltens unter Rauscheinflüssen liefern würde."
14. Im vorliegenden Fall lässt sich das Verfahren von Anspruch 1 als Verfahren zum Testen – per Simulation – einer modellierten Umgebung im Hinblick auf die Bewegung einer Fußgängermenge betrachten. So gesehen besteht eine offensichtliche Analogie zu einem Verfahren zum Testen – per Simulation – eines modellierten Schaltkreises im Hinblick auf Rauscheinflüsse. So wie das in T 1227/05 beanspruchte Verfahren verwendet werden kann, um vor der Fertigung eines entworfenen Schaltkreises vorherzusagen, wie dieser sich unter dem Einfluss von Rauschen verhalten wird, so kann auch das hier beanspruchte Simulationsverfahren verwendet werden, um vor der Konstruktion einer entworfenen Umgebung vorherzusagen, wie diese sich in Anwesenheit von Fußgängern verhalten wird. (In beiden Fällen beziehen sich die Ansprüche auf "modellierte" und nicht auf "entworfene" Schaltkreise bzw. Umgebungen.)
Auch wenn der Begriff "Umgebung" breit gefasst ist, beschränkt sich der Anspruch auf die Simulation von Umgebungen, durch die sich Fußgänger bewegen und die feste Hindernisse aufweisen. Die Kammer ist der Auffassung, dass solche Umgebungen, wenn sie in der physischen Realität existieren, technisch sind und dass das "Verhalten" einer Umgebung, durch die sich eine Fußgängermenge bewegt, z. B. die Anzahl der Fußgänger, die pro Zeiteinheit durch die Umgebung gelangen können, eine technische Eigenschaft ist, die Ähnlichkeit mit der Fähigkeit eines Daches, Regenwasser abzuleiten, aufweist. Obgleich die Bewegung eines Fußgängers in erheblichem Maße von seinen subjektiven Entscheidungen bestimmt wird, unterliegt sie dennoch den Gesetzen der Physik: ein Fußgänger kann nicht durch eine Wand oder durch andere Fußgänger hindurchgehen. Der Entwurf eines Bahnhofs, den täglich eine Million Menschen passiert, oder eines Gebäudes, das binnen Minuten evakuiert werden kann, ist in erster Linie die Aufgabe eines Ingenieurs, auch wenn die Erkenntnisse eines Verhaltenspsychologen von Nutzen sein können.
Wie vorstehend dargelegt, können grundsätzlich zumindest die Berechnungen, die der hier beanspruchten Simulation der Bewegung einer Fußgängermenge zugrunde liegen, rein gedanklich durchgeführt werden; die Rolle des Computers besteht darin, eine zufriedenstellende und zuverlässige Leistung sicherzustellen. Dasselbe trifft aber auch auf das in T 1227/05 behandelte Verfahren zu. In beiden Fällen vervielfacht sich der praktische Nutzen des Simulationsverfahrens mit zunehmender Geschwindigkeit seiner Durchführung, denn damit kann eine umfangreichere Klasse von Entwürfen virtuell getestet und auf erfolgversprechende Kandidaten durchsucht werden, bevor mit einer aufwendigen Herstellung oder Konstruktion begonnen wird. In beiden Fällen wäre es ohne Computerunterstützung nicht möglich, innerhalb annehmbarer Zeit einen komplexen Schaltkreis bzw. eine komplexe Umgebung vorausschauend zu testen oder aus einer Vielzahl von Entwürfen einen geeigneten auszuwählen.
15. Alles in Allem stimmt die Kammer dem Beschwerdeführer dahin gehend zu, dass die Entscheidung T 1227/05 sein Vorbringen stützt. Sie ist aber nicht vollauf von der Argumentationslinie dieser Entscheidung überzeugt. Ihre Zweifel betreffen zwei Aspekte.
Erstens ist eine computerimplementierte Simulation eines Schaltkreises oder einer Umgebung zwar ein Werkzeug, das technische Aufgaben erfüllen kann, die "für eine moderne Ingenieurtätigkeit typisch" sind, doch unterstützt sie den Ingenieur nur beim kognitiven Prozess der Überprüfung des Entwurfs des Schaltkreises oder der Umgebung, d. h. beim Studium des Verhaltens des entworfenen virtuellen Schaltkreises oder der entworfenen virtuellen Umgebung. Bei der Realisierung des Schaltkreises oder der Umgebung kann daraus zwar ein technischer Gegenstand werden, doch der kognitive Prozess der theoretischen Überprüfung des Entwurfs erscheint grundsätzlich nichttechnisch.
Zweitens scheint sich die Entscheidung auf die größere Geschwindigkeit des computerimplementierten Verfahrens als Argument für dessen Technizität zu stützen. Aber jedes algorithmisch bestimmte Verfahren, das gedanklich durchführbar ist, kann auf einem Computer implementiert schneller durchgeführt werden, und die Implementierung eines nichttechnischen Verfahrens auf einem Computer führt nicht zwangsläufig zu einem Verfahren, das einen über die Computerimplementierung hinausgehenden technischen Beitrag leistet (siehe z. B. T 1670/07 vom 11. Juli 2013, Nr. 9 der Entscheidungsgründe).
16. Die Entscheidung T 1227/05 behandelt indirekt das Fehlen einer unmittelbaren physikalischen Wirkung des Simulationsverfahrens auf die reale Welt in Nummer 3.4 der Entscheidungsgründe, wo die Entscheidung T 453/91 vom 31. Mai 1994 erörtert wird. Dort hatte die zuständige Kammer darauf bestanden, dass in ein Verfahren zum Entwurf eines Chips ein Schritt der "materiellen Herstellung des so entworfenen Chips" aufgenommen werde, weil die von der Prüfungsabteilung zurückgewiesenen Ansprüche Verfahren beträfen, die dahin gehend ausgelegt werden könnten, dass sie lediglich einen real nicht existierenden Entwurf lieferten, der möglicherweise nie realisiert würde (siehe T 453/91, Nr. 5.2 der Entscheidungsgründe).
Die Kammer in T 1227/05 räumte das Spannungsverhältnis zwischen ihrer Entscheidung und T 453/91 ein. Sie hob hervor, dass industrielle Simulationsverfahren immer wichtiger für den technologischen Fortschritt würden und dass Entwicklung und Fertigung in der global arbeitsteiligen Industrie sachlich und geografisch immer mehr getrennt werden. Vor diesem Hintergrund betrachtete sie einen gezielten Patentschutz für numerische Entwicklungswerkzeuge mit technischer Zweckbestimmung als angemessen (Nr. 3.4.2 der Entscheidungsgründe).
Zweifellos haben numerische Entwicklungswerkzeuge seit der Entscheidung T 1227/05 noch stärker an Bedeutung gewonnen, doch zögert die Kammer, ihre Entscheidung auf politische Überlegungen zum angemessenen Umfang des Patentschutzes zu stützen, die vom Gesetzgeber nicht zum Ausdruck gebracht wurden und die tatsächlich erst nach Inkrafttreten der entsprechenden Vorschriften des EPÜ (die durch die Diplomatische Konferenz zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens im Jahr 2000 in der Sache nicht geändert wurden) aufgekommen sind. Die Kammer weiß, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Definition der Begriffe "technisch" und Technik" absah, um so dafür zu sorgen, dass künftigen Entwicklungsergebnissen in Forschungsbereichen, die er nicht vorhersehen konnte, ein angemessener Schutz nicht versagt bleibt (siehe G 2/07, Nr. 6.4.2.1 der Entscheidungsgründe), sieht aber einen Unterschied zwischen dem Aufkommen eines neuen Gebiets der Innovation und einer Änderung der wahrgenommenen Bedeutung eines bestehenden Gebiets.
17. Dessen ungeachtet ist aufgrund der bedeutenden Rolle, die numerische Entwicklungswerkzeuge und insbesondere computerimplementierte Simulationen heutzutage bei der Entwicklung neuer Produkte spielen, Rechtssicherheit in Bezug auf die Patentierbarkeit solcher Werkzeuge überaus wünschenswert. Die Kammer würde zwar dazu tendieren, dem Gegenstand des Anspruchs 1 die erfinderische Tätigkeit gegenüber einem Universalrechner abzusprechen, erkennt aber an, dass der in der Sache T 1227/05 entwickelte Ansatz ein anderes Ergebnis nahelegt. Dieser Ansatz wurde noch nicht in allzu vielen Entscheidungen der Beschwerdekammern angewendet, überwiegt jedoch in der aktuellen Rechtsprechung (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, I.A.2.4.3 f)). Er wird auch in den Richtlinien für die Prüfung im EPA (November 2018), Teil G, Kapitel II, 3.3.2 vertreten.
18. Folgte die Kammer der Entscheidung T 1227/05, müsste sie anerkennen, dass einige oder alle Schritte des Simulationsverfahrens nach Anspruch 1 zu einer technischen Wirkung der Erfindung beitragen und deshalb bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Es wäre also erforderlich, die Erfindung mit einem anderen Stand der Technik als einem Universalrechner zu vergleichen. Ein solcher Stand der Technik ist verfügbar, wurde aber in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt. Die Kammer würde somit die Sache zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverweisen.
19. Im vorliegenden Fall muss also eine Entscheidung über – einstweilen allgemein ausgedrückt – die Patentierbarkeit von Simulationsverfahren getroffen werden. Dies ist eine Rechtsfrage, die die Auslegung der Artikel 52 (2) und (3) und 56 EPÜ betrifft und nicht unmittelbar und eindeutig unter Bezugnahme auf das EPÜ beantwortet werden kann, d. h. eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (siehe G 1/12, ABl. EPA 2014, A114, Nr. 10 der Entscheidungsgründe). Die Antwort darauf ist nicht nur für den vorliegenden Fall wichtig, sondern auch für eine potenziell große Zahl von Fällen, bei denen es um computerimplementierte Simulationen geht (siehe z. B. die nachstehend in den Nrn. 38 bis 41 erörterten Entscheidungen, die von vier organisatorisch anderen Kammern getroffen wurden). Darüber hinaus beabsichtigt die hier befasste Kammer, von der Auslegung und den Erläuterungen des EPÜ zu dieser Frage in T 1227/05 abzuweichen, weswegen auch die einheitliche Rechtsanwendung zur Debatte steht. Die Kammer stellt weiter fest, dass die Überlegungen, die zur Beantwortung der Rechtsfrage erforderlich sind, ganz allgemein zur Klärung der Bedeutung des Artikels 52 (2) und (3) EPÜ und seiner Wechselwirkung mit Artikel 56 EPÜ beitragen dürften. Die Kammer hält es daher für angebracht, der Großen Beschwerdekammer die nachstehend formulierten Rechtsfragen vorzulegen.
Vorlagefragen
20. Vor der Formulierung ihrer Fragen rekapituliert die Kammer nachstehend kurz ihre Position.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Erfindung, die sowohl technische als auch nichttechnische Merkmale aufweist, sind die nichttechnischen Merkmale nur insoweit zu berücksichtigen, als sie mit den technischen Merkmalen so zusammenwirken, dass eine technische Aufgabe gelöst wird bzw. eine über den Stand der Technik hinausgehende technische Wirkung erzeugt wird. Beim computerimplementierten Verfahren des Anspruchs 1 ist nicht erkennbar, dass die nichttechnischen Verfahrensschritte mit den technischen Merkmalen so zusammenwirken, dass eine über die einfache Implementierung auf einem Computer hinausgehende technische Wirkung erzeugt wird. Entscheidend ist, ob ausgehend von einem Universalrechner als nächstliegendem Stand der Technik die durch das Verfahren des Anspruchs 1 erzielte computerimplementierte Simulation für sich genommen für die Zwecke der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als technische Wirkung angesehen werden kann.
Die Kammer würde aus den vorstehend in Nummer 11 genannten Gründen dazu tendieren, diese Frage zu verneinen. Zugleich ist sie aber der Auffassung, dass der vorliegende Fall, wie vorstehend in Nummer 14 ausgeführt, eine computerimplementierte Simulation betrifft, die laut der Entscheidung T 1227/05 (aber entgegen der Auffassung der Kammer) ein funktionales technisches Merkmal darstellen würde.
21. Zunächst sollte man sich darüber verständigen, wie der Begriff "Simulation" auszulegen ist. Im engeren Sinn ist eine Simulation die annähernde Imitation des Betriebs eines Systems oder Verfahrens auf der Grundlage eines Modells dieses Systems oder Verfahrens. Bei einer computerimplementierten Simulation existiert das Modell nur im Computer, und die Simulation ermöglicht es, die Funktionsweise des modellierten Systems oder Verfahrens zu bewerten oder vorherzusagen.
Die Kammer merkt an, dass sich die etwaigen Antworten oder Begründungen der Großen Beschwerdekammer auf eine breitere Klasse von Berechnungen beziehen könnten. Insbesondere gibt es unter Umständen keinen Grund, zwischen der Simulation, d. h. der annähernden Imitation, des Betriebs eines Systems auf der Basis eines Modells des Systems und der anderweitigen Verwendung eines Modells zur Bewertung oder Vorhersage der Funktionsweise des Systems zu unterscheiden.
Eine andere Klasse von Berechnungen, auf die die Antworten oder Begründungen der Großen Beschwerdekammer potenziell Anwendung finden könnten, wird von dem nachstehend in Nummer 46 erörterten Beschluss "Logikverifikation" des Bundesgerichtshofs nahegelegt, der so verstanden werden könnte, dass die beanspruchte auf technischen Überlegungen beruhende Überprüfung von Aspekten eines Modells oder Entwurfs einen technischen Betrag leistet, wenn die Überprüfung als Zwischenschritt im Verfahren der Entwicklung und Herstellung eines technischen Erzeugnisses dienen kann.
Da die computerimplementierte Simulation des vorliegenden Anspruchs 1 eine Simulation im engeren Sinne ist, beschränkt die Kammer ihre Fragen dementsprechend.
22. Somit lautet die erste der Großen Beschwerdekammer vorzulegende Frage:
"Kann – bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – die computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen, wenn die computerimplementierte Simulation als solche beansprucht wird?"
23. Wenn die Position der Kammer, dass eine technische Wirkung eine direkte Verbindung zur physischen Realität aufweisen muss, nicht korrekt ist, stellt sich die Frage, welche Bedingungen eine Berechnung dann erfüllen muss, damit sie eine "technische Wirkung" im Hinblick auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erzeugt. Der Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" gemäß Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ deutet darauf hin, dass nicht alle Berechnungen technische Wirkungen hervorrufen.
Im Fall einer computerimplementierten Simulation verlangt T 1227/05, dass sich die Simulation auf "eine hinreichend bestimmte Klasse von technischen Gegenständen" bezieht. Dies versteht die hier vorlegende Kammer so, dass das Erfordernis "hinreichend bestimmt" ein Klarheitserfordernis ist. Die reine Beschränkung des Anspruchs auf die Simulation eines "technischen Systems" würde nämlich zu einer unzureichenden "Metaangabe" führen, die im Widerspruch zu Artikel 84 EPÜ stünde (Nr. 3.1.1 der Entscheidungsgründe).
Dennoch bedarf es nach Meinung der Kammer mehr als einer (klaren) Beschränkung auf simulierte Gegenstände, die technischer Natur sind. So betraf etwa die Entscheidung T 531/09 vom 3. Mai 2012 die Simulation eines Sicherheitskontrollpunktes, der technische Geräte wie einen Metalldetektor und ein Röntgengerät umfasste. Die dort zuständige Kammer vertrat jedoch die Ansicht, dass die beanspruchte Simulation nichttechnischer Art sei, weil der Metalldetektor und das Röntgengerät nicht anders (nämlich durch geschätzte Wartezeiten) modelliert seien als die nichttechnischen Aufgaben am Kontrollpunkt. Auch in mehreren anderen Entscheidungen wurde offenbar in das Erfordernis der Entscheidung T 1227/05, dass sich die Simulation auf "eine hinreichend bestimmte Klasse von technischen Gegenständen" beziehen muss, eine weitere Bedingung (d. h. eine von der Frage der Klarheit unabhängige, materiellrechtliche Bedingung) hineininterpretiert (siehe z. B. T 1806/07 vom 6. März 2012, Nrn. 3.3 bis 3.5 der Entscheidungsgründe, sowie die übrigen nachstehend in den Nrn. 38 und 41 erörterten Entscheidungen).
Wenn die erste Frage bejaht wird, dürfte nach Ansicht der Kammer eine notwendige Bedingung dafür, dass eine computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens eine technische Wirkung erzeugt, nach wie vor darin bestehen, dass die Simulation technische Prinzipien oder Überlegungen widerspiegelt, die dem simulierten Verfahren oder System zugrunde liegen. Wie vorstehend in Nummer 14 erläutert, ist die Kammer der Auffassung, dass die Simulation des vorliegenden Anspruchs 1 tatsächlich zumindest teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten Verfahren zugrunde liegen. Jedoch ist sich die Kammer nicht sicher, dass diese Bedingung hinreichend ist und der Auslegung von T 1227/05 in späteren Entscheidungen entspricht.
24. Somit lautet die zweite vorzulegende Frage:
"Wenn die erste Frage bejaht wird, welches sind die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung, ob eine computerimplementierte Simulation, die als solche beansprucht wird, eine technische Aufgabe löst? Ist es insbesondere eine hinreichende Bedingung, dass die Simulation zumindest teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen?"
25. Eine Verneinung der ersten Frage würde bedeuten, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber einem bekannten Universalrechner nicht erfinderisch ist. Dasselbe würde gelten, wenn die Antwort auf die zweite Frage Kriterien beinhalten würde, die die Kammer im vorliegenden Fall für nicht erfüllt erachtet.
Die Hilfsanträge 1, 2, 3 und 5 würden dann mit dem Hauptantrag zurückgewiesen, weil die darin vorgenommenen Änderungen für die Analyse der Kammer keinen wesentlichen Unterschied ausmachen:
- im ersten Hilfsantrag ist "Umgebung" durch "Bauwerk" ersetzt, doch ist der Begriff "Umgebung" bereits im Kontext von Anspruch 1 des Hauptantrags so zu verstehen, dass er sich auf einen technischen Gegenstand bezieht (siehe vorstehend Nr. 14);
- die Änderungen im zweiten und im fünften Hilfsantrag betreffen lediglich die Simulationsschritte;
- der dritte Hilfsantrag umfasst einen ausdrücklichen Schritt der Darstellung der Ergebnisse der Simulation, doch ist die Kammer überzeugt, dass Anspruch 1 des Hauptantrags bereits Informationen über die simulierte Bewegung von Fußgängern durch eine modellierte Umgebung bereitstellt (siehe vorstehend Nr. 9).
26. Im vierten Hilfsantrag ist Anspruch 1 auf ein Verfahren zum Entwerfen (des Modells) eines Bauwerks gerichtet. Das Verfahren umfasst einen Schritt der Bereitstellung eines Modells, Schritte der Simulation der Fußgängerbewegung durch ein Bauwerk mittels eines Computers und einen Schritt des Revidierens des Modells in Abhängigkeit von der Bewegung der Fußgänger. Die Beschreibung der Anmeldung macht klar, dass der Revisionsschritt durch einen menschlichen Entwerfer vorgenommen werden kann, der ein CAD-Programm anwendet (siehe z. B. Seite 70, Zeilen 7 - 9 der internationalen Anmeldung).
Durch diese Änderung wird die beanspruchte computerimplementierte Simulation auf ihre Verwendung in einem Entwurfsverfahren beschränkt. Da in der Entscheidung T 1227/05 die Technizität einer computerimplementierten Simulation hauptsächlich aus ihrer Bedeutung für moderne Produktentwicklungsverfahren hergeleitet wird, stützt diese Beschränkung unter Umständen die Argumentation des Beschwerdeführers. Sie ändert jedoch nichts an der gegenwärtigen Auffassung der Kammer, dass die beanspruchte computerimplementierte Simulation nicht zu einer technischen Wirkung beiträgt, denn es fehlt nach wie vor eine direkte Verbindung zur physischen Realität.
27. Hier stellt die Kammer fest, dass die beanspruchte computerimplementierte Simulation den Entwerfer bei der Durchführung von Entwurfsarbeiten in dem Sinne unterstützt, dass er mit ihrer Hilfe das Verhalten des Entwurfs überprüfen kann. Die Simulation führt aber nicht ursächlich zu einem verbesserten Umgebungsentwurf (oder bei Realisierung zu einer verbesserten Umgebung), weil etwaige Änderungen, die aufgrund der Simulationsergebnisse am Entwurf vorgenommen werden, nach wie vor das Ergebnis der geistigen Tätigkeit des Entwerfers sind (siehe in Bezug auf eine ähnliche Situation T 1875/07 vom 5. November 2008, nachstehend in Nr. 45 erörtert). Im vorliegenden Fall scheint die Beschränkung auf ein Entwurfsverfahren also nur dann eine Rolle zu spielen, wenn die (geistige) Tätigkeit des Entwerfens einer Umgebung oder eines Bauwerks als technisches Verfahren gilt.
28. Somit lautet die dritte vorzulegende Frage:
"Wie lauten die Antworten auf die erste und die zweite Frage, wenn die computerimplementierte Simulation als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, insbesondere für die Überprüfung eines Entwurfs?"
29. Diese drei Fragen entsprechen im Kern den vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 25. Juni 2018 vorgeschlagenen Fragen I und II (siehe vorstehend Abschnitt VII). Der Beschwerdeführer formulierte auch eine Frage III, die einen weiteren Aspekt der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung betrifft, nämlich in welchem Ausmaß Anspruchsmerkmale, denen psychologische Überlegungen zugrunde liegen, im vorliegenden Fall einen technischen Beitrag leisten könnten.
Die Kammer hat in Erwägung gezogen, eine entsprechende Frage vorzulegen, um der Prüfungsabteilung eine genaue Richtschnur für ihr weiteres Vorgehen an die Hand geben zu können, falls der beanspruchten computerimplementierten Simulation ein über einen Universalrechner hinausgehender technischer Beitrag zuerkannt werden sollte. Sie hat sich jedoch dagegen entschieden. Wenn festgestellt wird, dass die computerimplementierte Simulation einen technischen Beitrag leistet, wird es normalerweise notwendig, die Erfindung mit einem anderen Stand der Technik als einem Universalcomputer zu vergleichen (siehe vorstehend Nr. 18). Ob sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf den technischen Beitrag von Merkmalen stellt, denen psychologische Überlegungen zugrunde liegen, hängt vom Ergebnis dieses Vergleichs ab und lässt sich heute noch nicht absehen.
30. Im Folgenden erörtert die Kammer Entscheidungen, die für die Vorlagefragen relevant sein könnten, und nimmt teilweise dazu Stellung.
Erfordernis einer direkten Verbindung zur physischen Realität
31. In der Stellungnahme G 3/08 erachtete die Große Beschwerdekammer die gemäß Artikel 112 (1) b) EPÜ vorgelegte Frage 3 a) "Muss ein beanspruchtes Merkmal eine technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt hervorrufen, um einen Beitrag zum technischen Charakter des Anspruchs zu leisten?" für unzulässig, weil es in dieser Sache keine Abweichung zwischen den Entscheidungen T 163/85 (ABl. EPA 1990, 379) und T 190/94 vom 26. Oktober 1995 einerseits und den Entscheidungen T 125/01 vom 11. Dezember 2002 und T 424/03 vom 23. Februar 2006 andererseits gab. Insbesondere war weder in T 163/85 noch in T 190/94 "eine technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand in der realen Welt" als notwendige Bedingung dafür angesehen worden, dass ein Merkmal zum technischen Charakter der Erfindung beiträgt (Nr. 12.3 der Entscheidungsgründe).
Die Entscheidung T 163/85 betraf die Frage, ob für ein flüchtiges Fernsehsignal Patentschutz erlangt werden kann. Relevanter ist die Entscheidung T 190/94, wo die zuständige Kammer ausführte, dass sich der Unterschied zwischen dem beanspruchten System und dem Stand der Technik in der realen Welt als technische Wirkung auf einen physikalischen Gegenstand im Sinne der Entscheidung T 208/84 (ABl. EPA 1987, 14) manifestiere.
32. In T 208/84 ging es um ein Verfahren zur digitalen Verarbeitung von Bildern. In Nummer 5 der Entscheidungsgründe differenzierte die zuständige Kammer zwischen mathematischen Methoden und technischen Verfahren:
"Ein grundlegender Unterschied zwischen einer mathematischen Methode und einem technischen Verfahren ist jedoch darin zu sehen, dass eine mathematische Methode oder ein mathematischer Algorithmus mit Zahlen (die etwas Beliebiges darstellen können) ausgeführt wird und zu einem in Zahlen ausgedrückten Ergebnis führt, da die mathematische Methode oder der Algorithmus nur ein abstraktes Konzept ist, das beschreibt, wie mit diesen Zahlen zu verfahren ist. Durch die Methode als solche wird kein unmittelbares technisches Ergebnis erzielt. Wird eine mathematische Methode hingegen in einem technischen Verfahren verwendet, so wird dieses Verfahren durch ein technisches Mittel auf eine physikalische Erscheinung (die ein materielles Objekt, aber auch ein als elektrisches Signal gespeichertes Bild sein kann) angewandt und bewirkt damit bei dieser eine gewisse Veränderung. Zu den technischen Mitteln können auch Rechner mit geeigneter Hardware oder entsprechend programmierte Universalrechner gehören."
Die Kammer unterschied also zwischen Methoden, die kein "unmittelbares technisches Ergebnis" erzielen, und technischen Verfahren, die auf eine physikalische Erscheinung angewandt werden und bei dieser eine gewisse Veränderung bewirken. Die physikalische Erscheinung war in diesem Fall ein Bild in Form eines (digital gespeicherten) elektrischen Signals.
Die Entscheidung T 208/84 scheint also nahezulegen, dass eine direkte Verbindung zur physischen Realität eine Voraussetzung für eine technische Wirkung ist, und scheint Simulationen als technische Verfahren auszuschliessen (siehe auch T 365/05 vom 19. Juni 2007, Nr. 5.10 der Entscheidungsgründe, T 1147/05 vom 12. März 2008, Nr. 3.4 der Entscheidungsgründe, T 1029/06 vom 22. April 2009, Nr. 9 der Entscheidungsgründe und T 531/09, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
33. In der Entscheidung T 1670/07, Nr. 13 der Entscheidungsgründe, fasste die zuständige Kammer zusammen, unter welchen Umständen die Bereitstellung von Daten als technische Wirkung gelten kann: "Eine technische Wirkung kann entweder durch die Bereitstellung von Daten zu einem technischen Verfahren unabhängig von der Anwesenheit eines Benutzers oder deren anschließender Nutzung entstehen oder durch die Bereitstellung von Daten (einschließlich Daten, die für sich genommen ausgeschlossen sind, weil sie beispielsweise mithilfe eines Algorithmus erzeugt wurden), die direkt in einem technischen Verfahren angewandt werden."
Die hier vorlegende Kammer interpretiert T 1670/07 so, dass das erwähnte "technische Verfahren" als technisches Verfahren der "realen Welt" zu verstehen ist, das technische Wirkungen in der "realen Welt" hervorbringt, und nicht als virtuelles Verfahren, das nur Informationen erzeugt.
34. In der Entscheidung T 769/92 (ABl. EPA 1995, 525) führte die zuständige Kammer aus, dass die Ausführung einer Benutzeroberfläche in Form eines "Buchungsbelegs" sich nicht im bloßen Programmieren erschöpfe, sondern technische Überlegungen des Programmierers erfordere, die dem Programmieren vorausgehen müssten, und somit einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leiste (siehe Nrn. 3.7 und 3.8 der Entscheidungsgründe). Schon die Tatsache, dass solche technischen Überlegungen notwendig seien, "legt nahe, dass eine (zumindest implizite) technische Aufgabe zu lösen ist (R. 27 EPÜ [1973]) und (zumindest implizite) technische Merkmale vorliegen, die zur Lösung ebendieser Aufgabe dienen (R. 29 EPÜ [1973])" (Nr. 3.3 der Entscheidungsgründe).
Diese Entscheidung deutet somit darauf hin, dass das Erfordernis technischer Überlegungen beim Entwurf eines computerimplementierten Verfahrens oder Systems hinreichend dafür ist, dass die Programmierungsmerkmale des Verfahrens oder Systems "implizit" eine technische Aufgabe lösen oder eine technische Wirkung hervorrufen, und eine direkte technische Wirkung (in der realen Welt) also nicht vorliegen muss.
Die Kammer stellt fest, dass die Entscheidung T 769/92 noch dem "Beitragsansatz" folgte (zur Erörterung des Beitragsansatzes und der Abkehr davon siehe G 3/08, Nrn. 10.6 und 10.7 der Begründung der Stellungnahme) und die Frage betraf, ob der Anspruchsgegenstand unter die Ausschlussbestimmungen des Artikels 52 (2) und (3) EPÜ fällt. Es darf bezweifelt werden, ob das bloße Erfordernis technischer Überlegungen (und das entsprechende "implizite" Vorliegen einer nicht konkretisierten technischen Aufgabe) für die Schlussfolgerung ausreicht, dass bestimmte nichttechnische Merkmale im Hinblick auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einen technischen Beitrag leisten. Der normalerweise von den Beschwerdekammern angewandte Aufgabe-Lösungs-Ansatz erfordert schließlich eine Lösung für eine konkrete technische Aufgabe.
35. Die Große Beschwerdekammer erkannte in G 3/08, Nummer 13.5 der Begründung der Stellungnahme an, dass die Entscheidung T 769/92 zumindest potenziell die Gefahr einer Verwirrung verursacht hatte, und hob hervor, dass in T 1173/97 (ABl. EPA 1999, 609) die Messlatte für Computerprogramme höher gelegt ist. Damit Programmierungsmerkmale technischen Charakter haben, muss der Programmierer laut der Großen Beschwerdekammer technische Überlegungen angestellt haben, die über das "bloße" Ermitteln eines Computeralgorithmus zur Ausführung eines Verfahrens hinausgehen.
Dies könnte wiederum so verstanden werden, dass das Erfordernis technischer Überlegungen (die über das "bloße" Ermitteln eines Computeralgorithmus zur Ausführung eines Verfahrens hinausgehen) beim Entwurf eines computerimplementierten Verfahrens oder Systems hinreichend dafür ist, dass die Programmierungsmerkmale des Verfahrens oder Systems "implizit" eine technische Aufgabe lösen oder eine technische Wirkung hervorrufen, ohne dass eine direkte technische Wirkung (in der realen Welt) vorliegen muss.
36. Nicht gestützt wird diese Ansicht jedoch offenbar von der Entscheidung T 1173/97, in der das Konzept des "weiteren technischen Effekts" entwickelt wurde, um zwischen Computerprogrammen "als solchen", die keinen technischen Charakter haben, und Computerprogrammen mit technischem Charakter zu unterscheiden.
Dort wurde postuliert, dass ein Computerprogramm technischen Charakter hat, wenn es beim Ablauf auf einem Computer einen weiteren technischen Effekt bewirkt, der über die "normale" physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm und dem Computer hinausgeht (Leitsatz und Nr. 6 der Entscheidungsgründe; siehe auch G 3/08, Nr. 10 der Begründung der Stellungnahme). Zwar zeige das Computerprogrammprodukt selbst "den betreffenden Effekt in der physischen Realität nicht direkt", doch besitze es das Potenzial zur Erzeugung dieses Effekts, nämlich beim Ablauf auf einem Computer, und es gebe keinen triftigen Grund, zwischen einem direkten technischen Effekt und dem Potenzial zur Erzeugung eines technischen Effekts zu unterscheiden (Nr. 9.4 der Entscheidungsgründe).
Diese Entscheidung setzt also offenbar voraus, dass ein technischer Effekt eine direkte Verbindung zur physischen Realität besitzt, gesteht jedoch zu, dass im besonderen Fall eines Computerprogramm(produkt)s der Effekt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt wird, obwohl er nur beim Ablauf des Programms auf einem Computer erzeugt wird.
37. Der Kammer sind einige weitere Fälle bekannt, die nahelegen, dass eine potenzielle technische Wirkung, d. h. eine Wirkung, die nur in Kombination mit nicht beanspruchten Merkmalen erzeugt wird, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden kann. So wurde etwa in der Entscheidung T 1351/04 vom 18. April 2007 ein Verfahren zur Erzeugung einer Indexdatei für neu und erfinderisch befunden, weil die erzeugte Indexdatei in einem neuen und erfinderischen Verfahren zum Durchsuchen einer Datei verwendet werden konnte (Nrn. 8 und 9 der Entscheidungsgründe). In der Sache T 625/11 kam die zuständige Kammer zu dem Schluss, dass die Bestimmung eines Grenzwerts für einen Betriebsparameter eines Kernreaktors auf der Grundlage einer Simulation zum technischen Charakter der Erfindung beitrage, obwohl die Verwendung des Grenzwerts für den Betrieb des Kernreaktors nicht beansprucht wurde (siehe auch nachstehend Nr. 39).
Wie in T 625/11, Nr. 7.2.6 der Entscheidungsgründe, festgestellt, steht die Auffassung, dass die erfinderische Tätigkeit auf eine technische Wirkung gestützt sein darf, die nur in Kombination mit nicht beanspruchten Merkmalen erzeugt wird, im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass die Wirkung im Wesentlichen von allen unter den Umfang der Ansprüche fallenden Ausführungsarten erzeugt werden sollte (siehe T 939/92, ABl. EPA 1996, 309, Nrn. 2.4 bis 2.6 der Entscheidungsgründe, von der Großen Beschwerdekammer bestätigt in G 1/03, ABl. EPA 2004, 413, Nr. 2.5.2 der Entscheidungsgründe).
Entscheidungen zu Simulationen
38. Die Entscheidungen T 1265/09 vom 24. Januar 2012, Nr. 1.13 der Entscheidungsgründe, T 531/09, Nr. 3 der Entscheidungsgründe und T 1630/11 vom 13. Januar 2017, Nr. 7.1 der Entscheidungsgründe verwiesen alle auf die Entscheidung T 1227/05 und stellten infrage, ob die Tatsache, dass die simulierten Gegenstände technisch sind, ausreichend ist, damit ein (computerimplementiertes) Simulationsverfahren einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet. Die Kammer in der Sache T 531/09 stellte fest, dass in T 208/84 geurteilt worden sei, dass sich ein technisches Verfahren von einer mathematischen Methode dahin gehend unterscheide, dass das technische Verfahren auf eine physikalische Erscheinung angewandt werde und damit bei dieser eine gewisse Veränderung bewirke. Sie merkte an, dass diese Definition von technischen Verfahren offenbar Simulationen ausschließe, deren Zweck gerade darin bestehe, physische Objekte durch virtuelle Objekte zu ersetzen (siehe auch vorstehend Nr. 32).
In keinem dieser Fälle musste entschieden werden, ob die in T 1227/05 formulierte Bedingung hinreichend war, da die simulierten Gegenstände (Callcenter, Sicherheitskontrollpunkt, Bereitstellungsmodell, funktionales Modell für ein Multiprozessorsystem) nicht als technisch angesehen wurden.
39. Gegenstand der Entscheidung T 625/11 war ein computerimplementiertes Verfahren zur Bestimmung eines Grenzwerts für einen Betriebsparameter eines Kernreaktors auf der Grundlage einer Simulation des Reaktors. In der Hauptsache ging es hier darum, ob eine mit der Verwendung des Grenzwerts für den tatsächlichen Betrieb des simulierten Kernreaktors verknüpfte technische Wirkung zuerkannt werden konnte, obwohl der Anspruch nicht auf eine solche Verwendung beschränkt war. Die Kammer bemerkte, dass das beanspruchte Verfahren verwendet werden könne, um festzustellen, dass ein konkreter Reaktor bestimmten rechtlichen Erfordernissen genüge, in welchem Fall das Verfahren einem rein administrativen Zweck dienen würde, und gab zu bedenken, dass der Anspruch durch einen Programmierer verletzt würde, der ihn zu Schulungszwecken ausführe, ohne überhaupt die technische Wirkung zu erzeugen (Nr. 8.1 der Entscheidungsgründe). Dennoch übernahm die Kammer die in der Entscheidung T 1227/05 entwickelte Analyse und schloss, dass die Bestimmung des Grenzwerts zum technischen Charakter des Anspruchs beitrage (Nr. 8.4 der Entscheidungsgründe).
40. Die Entscheidung T 1842/10 vom 30. April 2014 betraf ein computerimplementiertes Verfahren zur Modellierung des Verhaltens eines Stahlvolumens mit einer Volumenoberfläche während eines Kühlverfahrens, das einen Schritt umfasst, bei dem eine "Beeinflussungseinrichtung" derart angesteuert wird, dass das Stahlvolumen entsprechend einer ermittelten Einflussgröße beeinflusst wird. Die zuständige Kammer befand, dass der Steuerungsschritt dem beanspruchten Verfahren technischen Charakter verleihe, denn aufgrund dieses Merkmals sei der beanspruchte Gegenstand nicht lediglich auf ein rein dem Erkenntnisgewinn dienendes Modellierverfahren gerichtet, sondern betreffe ein Steuerungsverfahren für eine Einrichtung zur Beeinflussung eines Stahlvolumens (Nr. 4.3 der Entscheidungsgründe). Es sei jedoch weiterhin erforderlich zu beurteilen, welche Anspruchsmerkmale zum technischen Charakter des Verfahrens beitrügen (Nr. 4.4 der Entscheidungsgründe). Nach einem Vergleich des beanspruchten Verfahrens mit dem nächstliegenden Stand der Technik erklärte die Kammer, dass die – allesamt die Modellierung betreffenden – Unterscheidungsmerkmale technischen Charakter hätten, weil sie das Modellierverfahren und somit die Steuerung der Beeinflussungseinrichtung (die in Verbindung mit einem realen Kühlprozess betrieben werde) verbesserten (Nrn. 5.2 bis 5.4 der Entscheidungsgründe).
41. In der Entscheidung T 988/12 vom 17. Juli 2018 erinnerte die zuständige Kammer daran, dass eine Computersimulation im Wesentlichen die Verwendung eines auf einem Computer ablaufenden Modells zur Bewertung oder Vorhersage der Funktionsweise eines Systems sei, und bezeichnete es als "schwierig zu erkennen, welche technische Wirkung ein solches Verfahren haben könnte", da das Simulationsverfahren keine technische Wirkung auf das simulierte System habe (Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe). Zweifelsfrei werde eine Wirkung auf den Computer erzeugt, auf dem die Simulation ablaufe, doch gehe diese nicht über die normalen Wirkungen des Ablaufens von Software auf einem Computer hinaus. Dennoch prüfte die Kammer die Anwendbarkeit der Entscheidung T 1227/05, gelangte aber zu dem Schluss, dass das beanspruchte simulierte System ("bereitzustellender 4G-Breitbanddienst") kein "hinreichend bestimmtes technisches System" sei (Nrn. 2.7 und 2.8 der Entscheidungsgründe).
Entscheidungen zu Entwurfsverfahren
42. Die Entscheidung T 453/91 wurde bereits vorstehend im Zusammenhang mit der Entscheidung T 1227/05 erörtert. Die Kammer bestätigte die Zurückweisung von Ansprüchen auf Entwurfsverfahren durch die Prüfungsabteilung, denn die beanspruchten Verfahren könnten dahin gehend ausgelegt werden, dass sie lediglich einen Entwurf lieferten, und die einzelnen Entwurfsschritte leisteten keinen Beitrag zum Stand der Technik außerhalb der vom Patentschutz ausgeschlossenen Gebiete wie der Durchführung gedanklicher Tätigkeiten und der Umsetzung der daraus resultierenden Schritte durch Computerprogramme (siehe Nr. 5.2 der Entscheidungsgründe).
43. In der Entscheidung T 471/05 vom 6. Februar 2007 war der betreffende Verfahrensanspruch auf den Entwurf eines optischen Systems gerichtet, bei dem alle Lichtstrahlen, die zwischen zwei festgelegten Punkten auf der optischen Achse des Systems abgebildet sind, eine bestimmte algebraische Bedingung erfüllen. Da im Anspruch lediglich eine Reihe abstrakter mathematischer und optischer Konzepte formuliert worden sei, ohne dass eine physische, technische Umsetzung verlangt werde, umfasse er rein abstrakte und konzeptionelle Ausführungsformen, darunter Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solche, die nach Artikel 52 (1), (2) und (3) EPÜ 1973 vom Patentschutz ausgeschlossen sind (Nrn. 2.1 und 2.2 der Entscheidungsgründe). Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass das beanspruchte Verfahren mit konzeptionellen technischen Überlegungen zu optischen Systemen einhergehe (Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe). Dennoch entgehe der Anspruchsgegenstand durch die Aufnahme des Merkmals "wobei das Verfahren ein Optik-Design-Programm nutzt" dem Patentierungsverbot (Nr. 4.1 der Entscheidungsgründe) und werde allein durch dieses Merkmal neu und erfinderisch (Nrn. 4.2 und 4.3 der Entscheidungsgründe). Wie aus Nummer 4.3 der Entscheidungsgründe hervorgeht, befand die Kammer, dass die Merkmale, die das Entwurfsverfahren näher bezeichneten, zum technischen Charakter der Erfindung beitrügen.
In der Entscheidung wird nicht ausdrücklich angegeben, warum die Entwurfsaspekte des beanspruchten Verfahrens einen technischen Beitrag leisten sollten, sobald das Merkmal "wobei das Verfahren ein Optik-Design-Programm nutzt" aufgenommen wurde. Vermutlich hing dies mit dem Vorhandensein technischer Überlegungen bezüglich optischer Systeme zusammen; vielleicht auch damit, dass das entworfene optische System infolge dieser Überlegungen bestimmte optische Eigenschaften besaß.
Eine ähnliche Linie wurde offenbar in der Entscheidung T 914/02 vom 12. Juli 2005 verfolgt, bei der es um ein Verfahren zum Entwurf einer Kernladeanordnung für einen Kernreaktor ging. Die Kammer bezeichnete das Ergebnis des Verfahrens als "rein gedankliches, abstraktes System zur Anordnung von Bündeln in einem tatsächlichen, realen Reaktorkern anstelle einer konkreten, physischen Reaktorkernladung". Obgleich zweifellos auf technischen Überlegungen beruhend, könne das Verfahren ausschließlich gedanklich ausgeführt werden und habe daher keinen technischen Charakter. Die Sache wurde zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage eines geänderten Anspruchs, der das Merkmal "wobei ein entsprechend programmierter Computer genutzt wird" enthielt, an die erste Instanz zurückverwiesen. (Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass in T 914/02 nicht ausdrücklich festgestellt wurde, dass der geänderte Anspruch einen technischen Beitrag leistet, der über die bloße Implementierung des Entwurfsverfahrens auf einem Computer hinausgeht.)
Die Entscheidung T 887/07 vom 23. April 2009 ist ein dritter Fall, der offenbar in dieselbe Richtung geht. Der betreffende Anspruch war gerichtet auf ein "wissensbasiertes Entwurfsoptimierungssystem für Verbundwerkstoffe zum Entwerfen eines Schichtbauteils", das eine "3-D-Lagendefinition" für ein Schichtbauteil erzeugt. Die Kammer stellte fest, dass Artikel 52 (2) EPÜ Verfahren für gedankliche Tätigkeiten von der Patentierbarkeit ausschließe, sich diese Ausschlussbestimmung jedoch nicht auf das beanspruchte System erstrecke, das ein technisches Mittel zur Implementierung eines Entwurfsoptimierungssystems darstelle. Das beanspruchte System wurde für neu und erfinderisch befunden, und zwar im Wesentlichen aufgrund der Merkmale des Entwurfsoptimierungsverfahrens (das als solches nicht beansprucht wurde).
44. Der unabhängige Anspruch in der Entscheidung T 1567/05 vom 30. April 2008 in Bezug auf eine "Vorrichtung zur Anzeige der Belastbarkeit" umfassend Mittel zur Erstellung und Anzeige einer zweidimensionalen Projektion eines virtuellen dreidimensionalen Modells zusammengesetzter Bauelemente und Mittel zur Berechnung und Anzeige von Belastungswerten für jedes der Bauelemente unter einer Vielzahl verschiedener Lastbedingungen. Im nächstliegenden Stand der Technik wurden zwar Belastungswerte berechnet, aber sie wurden nicht unter verschiedenen Lastbedingungen berechnet und nicht angezeigt (Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Die zuständige Kammer befand, dass die beanspruchte Informationsanzeige eine nichttechnische Wiedergabe von Informationen sei, weil die Belastungswerte sich zwar auf technische Phänomene bezögen, jedoch nichts weiter als Informationen seien, die sich ausschließlich an den menschlichen Verstand richteten (Nr. 3.5 der Entscheidungsgründe). Die angezeigten Belastungswerte seien keine "optische Anzeige von in einem Gerät oder System herrschenden Zuständen", wie sie in der Entscheidung T 115/85 (ABl. EPA 1990, 30) für patentierbar befunden wurden, da sie sich auf ein im Entwurf befindliches Bauwerk bezögen (Nr. 3.7 der Entscheidungsgründe).
45. Die Erfindung im Fall T 1875/07 betraf ein computerimplementiertes Verfahren zur Vorhersage des Netzwerkverkehrs auf der Grundlage historischer Verkehrsdaten. Die Ergebnisse der Vorhersage konnten potenziell zur Anpassung der Hardware-Ressourcen verwendet werden. Der Beschwerdeführer hatte beantragt, der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorzulegen: "Kann die Erzeugung von Daten, die ein technisches System betreffen und dieses charakterisieren, technischen Charakter haben, wenn die Erzeugung der Daten mit technischen Überlegungen hinsichtlich der Struktur des technischen Systems einhergeht?" (Nr. 7.1 der Entscheidungsgründe).
Die zuständige Kammer befand, dass auch die günstigste Antwort auf die vorgeschlagene Frage dem Beschwerdeführer nicht weiterhelfen würde, weil die Erfindung nicht mit technischen Überlegungen hinsichtlich der Struktur eines technischen Systems einhergehe (Nr. 7.2 der Entscheidungsgründe); einige der Überlegungen, die dem beanspruchten Verfahren zugrunde lägen, setzten zwar eine gewisse Vertrautheit mit einer Datenbankstruktur voraus, nicht jedoch mit deren technischen Aspekten (Nr. 3.3 der Entscheidungsgründe). Die angebliche Wirkung, dass Hardware-Ressourcen auf der Grundlage der vorhergesagten Verkehrsdaten angepasst werden könnten, habe keinen technischen Charakter, da jede Umstrukturierung der Hardware das Ergebnis der geistigen Anstrengung eines Menschen wäre, der die Vorhersageergebnisse analysierte (Nr. 3.4 der Entscheidungsgründe). Da der Beitrag zum technischen Charakter der Erfindung allenfalls in naheliegenden Implementierungsaspekten der Anspruchsmerkmale bestehen könnte, sei der Anspruchsgegenstand nicht erfinderisch (Nr. 3.6 der Entscheidungsgründe).
46. Der Bundesgerichtshof behandelte in seinem Beschluss vom 13. Dezember 1999, X ZB 11/98, GRUR 2000, 498 – Logikverifikation (englische Fassung in IIC 2002, 231) ein Verfahren zur Verifikation der korrekten Umsetzung eines hierarchisch aufgebauten Logikplans für eine hochintegrierte Schaltung in ein physikalisches Layout. Er stellte fest, dass das beanspruchte Verfahren einen Zwischenschritt im Prozess der Entwicklung und Herstellung von Siliciumchips betreffe und damit nach seiner Zweckbestimmung Teil einer aktuellen Technik sei. Die vorgeschlagene Lösung nutze zwar zugegebenermaßen ein gedankliches Konzept, dessen Umsetzung beruhe jedoch auf technischen Überlegungen betreffend integrierte Schaltungen. Der beanspruchte Gegenstand sei deshalb technisch. Die Herstellung von Siliciumchips sei nicht mehr durch maschinelle Fertigung geprägt, die den unmittelbaren Einsatz beherrschbarer Naturkräfte erfordere; die Entwicklung und Überprüfung der Entwürfe von Chips im Vorfeld der Herstellung fänden heutzutage mithilfe entsprechend programmierter Computer statt. Das habe eine entsprechende Verlagerung der Entwicklungstätigkeit der einschlägigen Fachkreise zur Folge, ändere aber nichts daran, dass dieser Prozess einem Gebiet der Technik angehöre und nicht ohne entsprechende technische Überlegungen zu erledigen sei. Dieser Bereich könne vom Patentschutz nicht deshalb ausgenommen sein, weil ein Lösungsvorschlag auf den unmittelbaren Einsatz von beherrschbaren Naturkräften verzichte und die Möglichkeit der Fertigung technisch tauglicher Bausteine anderweitig durch technisches Wissen voranzubringen versuche.
Der Beschluss stellt eine Kehrtwende in der Herangehensweise des Bundesgerichtshofs an computerimplementierte Erfindungen dar. Er wurde kritisiert, weil er den Patentschutz auf Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten erstrecke (siehe z. B. G. Schölch, "Patentschutz für computergestützte Entwurfsmethoden – ein Kulturbruch?", GRUR 2006, 969).
47. In Halliburton v Smith International [2005] EWHC 1623 (Pat) entschied der High Court of England and Wales über die Gültigkeit von zwei europäischen Patenten, die sich beide auf Verfahren zum Entwurf von Bohrmeißeln mithilfe einer Simulation (siehe Abs. 3 und 16 des Urteils) bezogen. Der High Court vertrat die Auffassung, die fraglichen Ansprüche, die "nicht in Worten, aber zweifellos in der Realität auf ein Computerprogramm beschränkt" seien, seien ausschließlich auf den geistigen Gehalt eines Entwurfsverfahrens und auf die Kriterien für die Entscheidung gerichtet, wie ein Entwurf angefertigt werde, und zählten deshalb eindeutig zu den dem Patentierungsverbot unterliegenden Plänen für gedankliche Tätigkeiten, es sei denn, eine Änderung der in T 0453/91 beschriebenen Art (d. h. die Aufnahme eines Schrittes der Herstellung des entworfenen Bohrmeißels) würde vorgenommen (siehe Abs. 207 bis 218 und 290).
Eines dieser Patente war auch Gegenstand der Entscheidung T 1820/06 vom 12. Mai 2009. Nach Auffassung der Kammer genügte das beanspruchte Verfahren zum Entwurf eines Rollenmeißels (das weder einen Schritt der Herstellung des entworfenen Meißels umfasste noch auf die Verwendung eines Computers Bezug nahm) den Erfordernissen des Artikels 52 (2) und (3) EPÜ, weil es "eine technische Wirkung erzeugte, nämlich die optimierte Anpassung der Ausrichtung mindestens eines Zahns auf dem Konus eines Rollenmeißels" (Nr. 4 der Entscheidungsgründe).
48. In Halliburton v Comptroller-General of Patents [2011] EWHC 2508 (Pat) behandelte der High Court of England and Wales ein ähnliches Verfahren zum Entwurf eines Bohrmeißels mithilfe einer Simulation, das auch keinen Schritt der Herstellung des entworfenen Bohrmeißels umfasste (siehe Abs. 16 bis 18 des Urteils). Der High Court legte den Anspruch dahin gehend aus, dass er auf ein auf einem Computer ausgeführtes Simulationsverfahren gerichtet sei, sodass das Verfahren nicht unter das Patentierungsverbot für gedankliche Tätigkeiten falle (Abs. 65 und 70). Ebenso wenig sei die Erfindung, bei der es sich um ein Verfahren zum Entwurf eines Bohrmeißels handle, ein Computerprogramm als solches oder falle unter einen der anderen Patentierbarkeitsausschlüsse (Abs. 71 und 72). Da das Entwerfen von Bohrmeißeln ein hoch technisches, gewerblich anwendbares Verfahren sei, da die Entwerfer von Bohrmeißeln hoch qualifizierte Ingenieure seien und da die zu lösenden Probleme des Verschleißes und der Fähigkeit zum Durchtrennen von Gestein technische Aufgaben mit technischen Lösungen seien, handle es sich bei der Suche nach einer besseren Möglichkeit zum generellen Entwerfen von Bohrmeißeln um eine technische Aufgabe (Abs. 74).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer werden die folgenden Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Kann – bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – die computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen, wenn die computerimplementierte Simulation als solche beansprucht wird?
2. Wenn die erste Frage bejaht wird, welches sind die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung, ob eine computerimplementierte Simulation, die als solche beansprucht wird, eine technische Aufgabe löst? Ist es insbesondere eine hinreichende Bedingung, dass die Simulation zumindest teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen?
3. Wie lauten die Antworten auf die erste und die zweite Frage, wenn die computerimplementierte Simulation als Teil eines Entwurfsverfahrens beansprucht wird, insbesondere für die Überprüfung eines Entwurfs?