EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 14. April 2020 über das Pilotprojekt zur Durchführung mündlicher Verhandlungen vor Einspruchsabteilungen als Videokonferenz
Das Europäische Patentamt (EPA) bietet seit 1998 die Möglichkeit an, mündliche Verhandlungen im Prüfungsverfahren als Videokonferenz durchzuführen.1 Mit Blick auf eine mögliche Ausweitung dieser Option auf andere Verfahren startet das EPA ein Pilotprojekt, um die Eignung für das Einspruchsverfahren zu untersuchen (siehe Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 14. April 2020 über das Pilotprojekt zur Durchführung mündlicher Verhandlungen vor Einspruchsabteilungen als Videokonferenz, ABl. EPA 2020, A41).
Die vorliegende Mitteilung enthält nähere Informationen über das Pilotprojekt und erläutert besondere Aspekte von als Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlungen im Einspruchsverfahren. Technische Anweisungen für mündliche Verhandlungen per Videokonferenz enthält die Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 1. April 2020 über die Durchführung von mündlichen Verhandlungen und Rücksprachen als Videokonferenz (ABl. EPA 2020, A39). Deren Abschnitte 1 (Status), 4 (Technische Anweisungen für Videokonferenzen), 5 (Ausstattung und Kosten), 6 (Fernverbindung von Mitgliedern einer Abteilung) und 10 (Technische Probleme) sind auf als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlungen im Einspruchsverfahren entsprechend anzuwenden.
1. Umfang des Pilotprojekts
Mündliche Verhandlungen im Einspruchsverfahren können als Videokonferenz durchgeführt werden, wenn alle zur mündlichen Verhandlung geladenen Beteiligten und die Einspruchsabteilung zustimmen.
Wenn die Einspruchsabteilung es für zweckdienlich erachtet, eine mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchzuführen, lässt sie einen Formalprüfer die Beteiligten kontaktieren, um zu ermitteln, ob diese der Durchführung der mündlichen Verhandlung in dieser Form zustimmen. Die Beteiligten sind aufgerufen, so früh wie möglich, vorzugsweise bei der etwaigen Beantragung einer mündlichen Verhandlung, anzugeben, ob sie einer Durchführung als Videokonferenz zustimmen.
Beantragt ein Beteiligter die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz, so gilt dies als Zustimmung. Eine beschwerdefähige Entscheidung zu einem solchen Antrag ergeht nicht.
2. Information zur Form der mündlichen Verhandlung
Wird das Einverständnis mit der Durchführung als Videokonferenz erzielt, bevor die Ladung zur mündlichen Verhandlung ergeht, so wird in der Ladung angegeben, dass die mündliche Verhandlung als Videokonferenz durchgeführt wird.
Ist eine Ladung zur mündlichen Verhandlung in den Räumlichkeiten des EPA ergangen und erklären die Beteiligten erst danach ihr Einverständnis mit der Durchführung als Videokonferenz, so teilt die Einspruchsabteilung, sofern sie zustimmt, den Beteiligten mit, dass die mündliche Verhandlung zu dem in der Ladung angegebenen Termin als Videokonferenz durchgeführt wird. Stimmt die Einspruchsabteilung nicht zu oder sind nicht alle Beteiligten einverstanden, so teilt die Einspruchsabteilung den Beteiligten mit, dass die Verhandlung wie in der Ladung angegeben durchgeführt wird.
3. Ausnahmen
Die Einspruchsabteilung stimmt einer mündlichen Verhandlung als Videokonferenz nicht zu, wenn eine Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen, Beteiligten oder Sachverständigen oder durch Augenschein erforderlich ist oder wenn andere ernsthafte Gründe dagegen sprechen. Die Tatsache, dass schriftliche Beweismittel, Beweismittel in Form von gedruckten Abbildungen oder Videoclips berücksichtigt werden müssen, stellt keinen ernsthaften Grund dar.
Solange keine geeignete technische Infrastruktur vorhanden ist, gilt die Notwendigkeit einer Verdolmetschung als ernsthafter Grund, eine mündliche Verhandlung nicht als Videokonferenz durchzuführen.
4. Teilnahme der Beteiligten
Einem Beteiligten und seinem Vertreter kann es gestattet werden, von unterschiedlichen Orten aus an einer als Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung teilzunehmen, sofern dies keine Auswirkung auf die Stabilität der Videokonferenzverbindung hat.
5. Öffentlichkeit des Verfahrens
Mündliche Verhandlungen im Einspruchsverfahren sind öffentlich (Artikel 116 (4) EPÜ). Mitglieder der Öffentlichkeit können an einer als Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung in einem besonderen Saal in den Räumlichkeiten des EPA teilnehmen. Alternativ kann Mitgliedern der Öffentlichkeit nach entsprechender Ankündigung ein Link für die Verbindung mit der Videokonferenz bereitgestellt werden. In welcher Art und Weise Mitglieder der Öffentlichkeit an einer als Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung teilnehmen können, wird auf der EPA-Website bekannt gegeben.
Entscheidet die Einspruchsabteilung, dass die mündliche Verhandlung nicht öffentlich ist, so wird keine Videokonferenzverbindung für Mitglieder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
6. Keine Aufzeichnungen oder Weiterübertragungen
Von mündlichen Verhandlungen, die als Videokonferenz durchgeführt werden, dürfen außer durch das EPA keinerlei Bild- oder Tonaufzeichnungen angefertigt und keine Weiterübertragungen vorgenommen werden.
7. Einreichung von Unterlagen und deren Übermittlung
In mündlichen Verhandlungen, die als Videokonferenz durchgeführt werden, sind Unterlagen per E-Mail oder ausnahmsweise per Fax einzureichen. Der Vorsitzende gibt den Beteiligten zu Beginn der mündlichen Verhandlung die zu verwendende E-Mail-Adresse bekannt.
Die von einem der Beteiligten eingereichten Unterlagen werden durch elektronische Mittel an die anderen Beteiligten übermittelt, indem die E-Mail samt Anlagen weitergeleitet wird. Deshalb muss jeder Beteiligte dem Vorsitzenden zu Beginn der mündlichen Verhandlung die E-Mail-Adresse übermitteln, unter der er die Kopien solcher Unterlagen erhalten möchte.
8. Laufzeit des Pilotprojekts
Das Pilotprojekt beginnt mit dem Inkrafttreten des Beschlusses des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 14. April 2020 über das Pilotprojekt zur Durchführung mündlicher Verhandlungen vor Einspruchsabteilungen als Videokonferenz (4. Mai 2020) und läuft bis zum 30. April 2021.
1 Aktuelle Informationen dazu siehe Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 1. April 2020 über als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlungen vor Prüfungsabteilungen (ABl. EPA 2020, A39) und Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 1. April 2020 über die Durchführung von mündlichen Verhandlungen und Rücksprachen als Videokonferenz (ABl. EPA 2020, A40).