VII. MÜNDLICHE VERHANDLUNGEN VOR DEN BESCHWERDEKAMMERN
VII.5 - Entschädigungen und Vergütungen für Zeugen und Sachverständige
Ursprünglich veröffentlicht im ABl. EPA 1983, 100:1
Entschädigungen und Vergütungen für Zeugen und Sachverständige
1. Artikel 116 EPÜ und Artikel 117 EPÜ sehen in Verbindung mit Regel 71 bis 76 EPÜ die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zur Beweisaufnahme in mündlichen Verhandlungen vor dem Europäischen Patentamt vor. Teil E Kapitel IV Abschnitt 1 bis 4 der Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt enthält allgemeine Leitlinien für die Beweisaufnahme durch das jeweils zuständige Organ des Europäischen Patentamts.
2. Um die Zahlung von Kosten für die Beweisaufnahme sicherzustellen, kann das Europäische Patentamt die Beweisaufnahme davon abhängig machen, dass der Beteiligte, der sie beantragt hat, beim Europäischen Patentamt einen Vorschuss hinterlegt, dessen Höhe im Wege einer Schätzung der voraussichtlichen Kosten bestimmt wird (Regel 74 (1) EPÜ).
3. Jeder vor das Europäische Patentamt geladene Zeuge oder Sachverständige kann beim Europäischen Patentamt beantragen, dass er gemäß den Bestimmungen des Artikels 131 (2) EPÜ vor einem zuständigen Gericht in seinem Wohnsitzstaat vernommen wird (Artikel 117 (4) EPÜ).
4. Zeugen, die vom Europäischen Patentamt geladen worden sind und vor diesem erscheinen, haben Anspruch auf:
(1) Erstattung angemessener Reise- und Aufenthaltskosten durch das Europäische Patentamt (Regel 74 (2) EPÜ). Auf schriftlichen Antrag beim Amt kann ihnen ein Vorschuss auf diese Kosten gewährt werden;
(2) eine angemessene Entschädigung für Verdienstausfall, die vom Europäischen Patentamt gezahlt wird (Regel 74 (3) EPÜ). Die Entschädigung wird dem Zeugen ausgezahlt, nachdem er seiner Pflicht genügt hat.
5. Zeugen, die nicht vom Europäischen Patentamt geladen worden sind, aber dennoch in einer Verhandlung vor dem Amt vernommen werden, haben ebenfalls Anspruch auf Erstattung der Reise- und Aufenthaltskosten durch das Europäische Patentamt und eine Entschädigung für Verdienstausfall. Dies gilt nur dann, wenn das zuständige Organ auf begründeten Antrag eines der am Verfahren Beteiligten die zusätzliche Beweisaufnahme beschließt (Richtlinien für die Prüfung E-IV, 1.6.2).
6. Sachverständige, die vom Europäischen Patentamt geladen worden sind und vor diesem erscheinen, haben Anspruch auf:
(1) Erstattung angemessener Reise- und Aufenthaltskosten durch das Europäische Patentamt (Regel 74 (2) EPÜ). Auf schriftlichen Antrag beim Amt kann ein Vorschuss auf diese Kosten gewährt werden.
(2) Vergütung ihrer Tätigkeit gemäß Regel 74 (3) EPÜ, deren Höhe vom Amt unter Berücksichtigung eines Vorschlags des betreffenden Sachverständigen und etwaiger Stellungnahmen der Beteiligten festgesetzt wird.
7. Nicht geladene Sachverständige, die dennoch vernommen werden, haben ebenfalls Anspruch auf Erstattung der Reise- und Aufenthaltskosten durch das Europäische Patentamt und Vergütung ihrer Tätigkeit. Dies gilt nur dann, wenn das zuständige Organ auf begründeten Antrag eines der am Verfahren Beteiligten die zusätzliche Vernehmung des Sachverständigen beschließt (Richtlinien für die Prüfung E-IV, 1.6.2).
8. Zahlungsverfahren
(1) Gemäß Regel 74 (4) EPÜ hat der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation eine Verordnung über Entschädigungen und Vergütungen für Zeugen und Sachverständige2 erlassen, die nachstehend unter Nummer 9 im vollen Wortlaut wiedergegeben ist.
(2) Wird ein Zeuge oder Sachverständiger zu einer Verhandlung vor dem Europäischen Patentamt geladen, erhält er zusammen mit der Ladung (Regel 72 (2) EPÜ) einen Vordruck mit genauen Angaben zu den Kosten, die ihm nach Nummer 4 (1) bzw. 6 (1) erstattet werden können, sowie ein Antragsformular für einen Vorschuss auf diese Kosten. Ein solcher Vorschuss kann einem Zeugen oder Sachverständigen erst nach Feststellung seines Anspruchs durch die Abteilung oder Kammer, die die Beweisaufnahme angeordnet hat, gezahlt werden. Das Antragsformular ist deshalb dem Amt zur Feststellung zurückzusenden.
(3) Entschädigungen für Verdienstausfall und Vergütungen gemäß Nummer 4 (2) bzw. 6 (2) werden Zeugen oder Sachverständigen auf Antrag nach Feststellung des Anspruchs durch die Abteilung oder Kammer, die die Beweisaufnahme angeordnet hat, gezahlt. Die anfallenden Beträge werden zusammen mit gegebenenfalls noch zu erstattenden Reise- und Aufenthaltskosten nach der Vernehmung des Zeugen oder Sachverständigen und der Feststellung seines Anspruchs durch die Abteilung oder Kammer, die die Beweisaufnahme angeordnet hat, ausgezahlt.
(4) Bei den Vergütungen für Sachverständige kann das Europäische Patentamt den Beteiligten Gelegenheit geben, zur Höhe des vom Sachverständigen vorgeschlagenen Betrags Stellung zu nehmen (Artikel 3 (2) der Verordnung über Entschädigungen und Vergütungen für Zeugen und Sachverständige); in diesem Fall kann die Auszahlung erst nach Vorliegen der Stellungnahmen und Feststellung des Anspruchs durch die jeweilige Abteilung oder Kammer erfolgen.
9. Verordnung über Entschädigungen und Vergütungen für Zeugen und Sachverständige
DER VERWALTUNGSRAT DER EUROPÄISCHEN PATENTORGANISATION -
GESTÜTZT auf das Europäische Patentübereinkommen, insbesondere auf Regel 74 Absatz 4 seiner Ausführungsordnung -
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:3
Artikel 1
Reise- und Aufenthaltskosten der Zeugen und Sachverständigen
Die Entschädigungen, die Zeugen und Sachverständigen zur Erstattung der Reise- und Aufenthaltskosten gemäß Regel 74 Absatz 2 der Ausführungsordnung gezahlt werden, sowie die Vorschüsse, die sie beanspruchen können, werden anhand der Bestimmungen berechnet, die für Beamte des Europäischen Patentamts der Besoldungsgruppe A4 bei Dienstreisen gelten.
Artikel 2
Verdienstausfallentschädigung für Zeugen
(1) Die Entschädigung für Verdienstausfall, die Zeugen gemäß Regel 74 Absatz 3 gewährt wird, entspricht einem Sechzigstel des Monatsgrundgehalts eines Beamten des Patentamts der Besoldungsgruppe A4 in der niedrigsten Dienstaltersstufe.
(2) Übersteigt die Gesamtdauer der erforderlichen Reise des Zeugen zwölf Stunden, so wird für jeden begonnenen Zeitraum von zwölf Stunden eine zusätzliche Entschädigung in Höhe von einem Sechzigstel des in Absatz 1 genannten Grundgehalts gezahlt.
Artikel 3
Vergütungen für Sachverständige
(1) Die Höhe der Vergütung, auf die Sachverständige gemäß Regel 74 Absatz 3 Anspruch haben, wird von Fall zu Fall unter Berücksichtigung eines Vorschlags des Betreffenden festgesetzt.
(2) Das Europäische Patentamt kann die Beteiligten um Stellungnahme zur Höhe des vorgeschlagenen Betrags bitten.
Artikel 4
Feststellung des Anspruchs der Zeugen und Sachverständigen auf Entschädigungen oder Vergütungen
(1) Der Anspruch der Zeugen und Sachverständigen auf Entschädigungen oder Vergütungen wird durch die Abteilung oder die Kammer festgestellt, die die Beweisaufnahme angeordnet hat, es sei denn, dass diese die Befugnis demjenigen ihrer Mitglieder übertragen hat, das mit der Durchführung der Beweisaufnahme betraut ist.
(2) Absatz 1 gilt für Vorschüsse, die Zeugen und Sachverständige auf ihre Reise- und Aufenthaltskosten beanspruchen können.
Artikel 5
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 21. Oktober 1977 in Kraft.
Geschehen zu München am 21. Oktober 1977
Für den Verwaltungsrat
Der Präsident
G. VIANÈS