EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 10. Juli 2017 über die Anforderungen und Verpflichtungen für nach Regel 32 EPÜ benannte Sachverständige
Der Präsident des Europäischen Patentamts, gestützt auf die Regeln 31, 32 und 33 EPÜ, beschließt:
Artikel 1
Anforderungen und Verpflichtungen für nach Regel 32 EPÜ benannte Sachverständige
Für nach Regel 32 (2) EPÜ benannte Sachverständige gelten die folgenden Anforderungen und Verpflichtungen:
Allgemeine Voraussetzungen
1. Ein benannter Sachverständiger muss über hinreichende wissenschaftliche und praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Biotechnologie verfügen, damit er als qualifiziert gilt, auf der Grundlage taxonomischer, praktischer und sonstiger Untersuchungen Gutachten über biologisches Material zu erstatten, das für die Zwecke der Regel 31 EPÜ hinterlegt wurde. Er muss über die für die Erstattung solcher Gutachten erforderlichen Einrichtungen, Gerätschaften und Mittel verfügen.
2. Ein benannter Sachverständiger muss bei der Ausübung seiner Aufgaben unabhängig und unparteilich sein. Er muss einen Gutachtenauftrag ablehnen, wenn es i) Umstände gibt, die geeignet wären, begründete Zweifel an seiner Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu wecken, z. B. wenn ein Interessenkonflikt besteht, oder wenn er ii) mit der Annahme des Gutachtenauftrags bzw. mit der Erstellung des Gutachtens aufgrund der vom Antragsteller gewünschten Vereinbarung seine Verpflichtungen nach diesem Beschluss bzw. nach den Regeln 32 und 33 EPÜ verletzen würde.
Erstellung von Gutachten durch benannte Sachverständige
3. Die Erstellung von Gutachten durch benannte Sachverständige richtet sich nach dem Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Sachverständigen und dem Antragsteller sowie dem auf diese Vereinbarung anwendbaren Recht.
4. Bei der Erstellung des Gutachtens und bei der Vorlage der Ergebnisse an den Antragsteller muss der benannte Sachverständige die Grundsätze der Objektivität, der Unparteilichkeit und des Vertrauensschutzes einhalten.
5. Unbeschadet seiner Verpflichtung gemäß Regel 32 (2) Satz 3 und Regel 33 (2) EPÜ muss der benannte Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass empfangene Proben des biologischen Materials und davon abgeleitete Proben Dritten zugänglich gemacht werden.
6. Der benannte Sachverständige muss, soweit als möglich, das Gutachten selbst erstellen und insbesondere die dazu erforderlichen Untersuchungen selbst durchführen; er darf sich dabei nicht vertreten lassen. Er kann sich aber, soweit dies erforderlich ist, unter seiner persönlichen Anleitung und Aufsicht der Unterstützung durch Mitarbeiter und sonstige Hilfspersonen bedienen. Diese unterliegen denselben Anforderungen und Verpflichtungen wie er selbst und sind nicht als "Dritte" im Sinne von Regel 32 (2) Satz 3 und Regel 33 (2) EPÜ anzusehen.
Verantwortlichkeit
7. Die Verantwortlichkeit des benannten Sachverständigen, einschließlich jener für die von ihm im Sinne der vorstehenden Nr. 6 hinzugezogenen Hilfspersonen, gegenüber anderen Personen als dem Antragsteller, insbesondere gegenüber dem Anmelder oder Patentinhaber, wegen einer eventuellen Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen und daraus entstandener Schäden bestimmt sich nach dem hierauf anwendbaren Recht.
Sonstige Verpflichtungen
8. Der benannte Sachverständige muss in dieser Funktion und insbesondere bei der Erstellung von Gutachten die Regeln und Grundsätze des beruflichen Verhaltens einhalten, die auf seinem Fachgebiet allgemein anerkannt sind.
9. Die vorliegenden Anforderungen und Verpflichtungen gelten für die Dauer der Erstellung des Gutachtens sowie gegebenenfalls auch nach Erstattung des Gutachtens. Die Verpflichtungen des Sachverständigen nach Regel 32 (2) Satz 3 und Regel 33 (2) EPÜ gegenüber dem Anmelder oder Patentinhaber bleiben davon unberührt.
Erklärung des benannten Sachverständigen
10. Für die Erklärung des benannten Sachverständigen gemäß Regel 32 (2) Satz 2 EPÜ, wonach er sich verpflichtet, die anwendbaren Anforderungen und Verpflichtungen zu erfüllen, und ihm keine Umstände bekannt sind, die geeignet wären, begründete Zweifel an seiner Unabhängigkeit zu wecken, oder die seiner Funktion als Sachverständiger anderweitig entgegenstehen könnten, ist das EPA-Formblatt 1142A zu verwenden. Mit der Unterzeichnung dieser Erklärung gelten die vorstehend genannten Anforderungen und Verpflichtungen als erfüllt, d. h. der Sachverständige gilt als unabhängiger Sachverständiger im Sinne der Regel 32 (1) EPÜ, und das EPA ist davon befreit, sich von der Eignung und Unabhängigkeit des Sachverständigen überzeugen zu müssen (s. Regel 11.3 a) iii) der Ausführungsordnung zum Budapester Vertrag).
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieser Beschluss tritt am 1. Oktober 2017 in Kraft.
Geschehen zu München am 10. Juli 2017
Benoît BATTISTELLI
Präsident