XIV. VERTRETER, EPI, DISZIPLINARANGELEGENHEITEN
XIV.5 - Ergänzende Verfahrensordnung des Disziplinarausschusses
Konsolidierte Fassung des im ABl. EPA 1980, 183 veröffentlichten Texts mit den im ABl. EPA 2007, 552 veröffentlichten Änderungen:
Ergänzende Verfahrensordnung des Disziplinarausschusses des Europäischen Patentamts
Der in Artikel 5 Buchstabe b der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern vom 21. Oktober 1977 (nachstehend "Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten" genannt) vorgesehene Disziplinarausschuss des Europäischen Patentamts gibt sich hiermit nach Artikel 25 Absatz 2 dieser Vorschriften folgende ergänzende Verfahrensordnung:
Artikel 1
Geschäftsverteilungsplan
(1) Zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres stellt der Vorsitzende des Disziplinarausschusses einen Plan für die Behandlung aller im Laufe des Jahres anfallenden Angelegenheiten auf, in dem die Mitglieder und deren Vertreter bestimmt werden, die für die Prüfung aller Angelegenheiten zuständig sind, und der eine nach Artikel 10 Absatz 4 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten erstellte Liste enthält. Der Plan kann im Laufe des Jahres geändert werden.
(2) Hat der Präsident des Europäischen Patentamts nach Artikel 9 Absatz 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten mehrere Ausschüsse gebildet, so bestimmen die Vorsitzenden der Ausschüsse zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres gemeinsam den für jede im Laufe des Jahres zu behandelnde Angelegenheit zuständigen Ausschuss.
Artikel 2
Vertretung der Mitglieder
(1) Vertretungsgründe sind insbesondere Interessenskonflikte, Krankheit, Arbeitsüberlastung und unvermeidbare Verpflichtungen.
(2) Will ein Mitglied vertreten werden, so unterrichtet es den Vorsitzenden des Disziplinarausschusses unverzüglich von seiner Verhinderung.
(3) Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses kann ein anderes rechtskundiges Mitglied des Disziplinarausschusses nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans vertretungsweise zum Vorsitzenden bestimmen.
Artikel 3
Ausschließung und Ablehnung
(1) Erhält der Disziplinarausschuss von einem möglichen Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund auf andere Weise als von dem Mitglied oder dem betroffenen zugelassenen Vertreter Kenntnis, so entscheidet der Disziplinarausschuss ohne Mitwirkung des betroffenen Mitglieds. Bei dieser Entscheidung wird das betroffene Mitglied durch seinen Vertreter ersetzt.
(2) Das betroffene Mitglied wird aufgefordert, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern.
(3) Vor der Entscheidung über die Ausschließung eines Mitglieds wird das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt.
Artikel 4
Der Geschäftsstellenbeamte
(1) Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses bestellt einen Bediensteten des Europäischen Patentamts zum Geschäftsstellenbeamten des Disziplinarausschusses. Ein weiterer Bediensteter des Europäischen Patentamts wird vom Vorsitzenden zum stellvertretenden Geschäftsstellenbeamten, der bei Verhinderung des Geschäftsstellenbeamten tätig wird, bestellt.
(2) Der Geschäftsstellenbeamte überwacht insbesondere sämtliche Fristen in Bezug auf Angelegenheiten, die vor dem Disziplinarausschuss anhängig sind, einschließlich der in Artikel 6 Absatz 3 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten vorgesehenen Frist.
Artikel 5
Berichterstatter
(1) Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses bestimmt für jede Angelegenheit ein rechtskundiges Mitglied oder sich selbst als Berichterstatter.
(2) Der Berichterstatter kann Ermittlungen nach den Artikeln 15 und 25 Absatz 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten durchführen; er entwirft Bescheide, führt sonstige Vorarbeiten durch und entwirft Entscheidungen.
(3) Die Entwürfe werden den anderen Mitgliedern des Disziplinarausschusses vorgelegt, die sie genehmigen oder Änderungen vorschlagen. Kann nach diesem Verfahren keine Einigung erzielt werden, so tritt der Ausschuss zur Beratung der endgültigen Fassung zusammen.
(4) Bescheide werden vom Berichterstatter im Auftrag des Disziplinarausschusses unterzeichnet.
(5) Der Berichterstatter bereitet die Sitzungen und mündlichen Verhandlungen vor. Er stellt die Fragen zusammen, die einer Klärung bedürfen, und sendet erforderlichenfalls dem betroffenen zugelassenen Vertreter einen diesbezüglichen Bescheid.
(6) Ist der Berichterstatter der Ansicht, dass seine Kenntnisse der Verfahrenssprache für die Abfassung von Bescheiden oder Entscheidungen nicht ausreichen, so kann er diese in einer anderen Amtssprache des Europäischen Patentamts entwerfen. Die Entwürfe werden vom Europäischen Patentamt in die Verfahrenssprache übersetzt; die Übersetzungen werden vom Berichterstatter oder von einem anderen Mitglied des Disziplinarausschusses überprüft.
Artikel 6
Übermittlung von Unterlagen
Zur Vornahme einer Übertragung nach Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe b der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten verfährt der Vorsitzende des Disziplinarausschusses wie folgt:
a) Er unterrichtet den Vorsitzenden des Disziplinarrates und den betroffenen zugelassenen Vertreter von der Übertragung;
b) er setzt dem Vorsitzenden des Disziplinarrates eine Frist zur Übermittlung
i) des Namens und der Anschrift des betroffenen zugelassenen Vertreters;
ii) der Anzeige;
iii) gegebenenfalls der Erwiderungen;
iv) etwaiger Stellungnahmen von Mitgliedern der Kammer, des Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und des Präsidenten des Europäischen Patentamts;
v) der Angabe der Verfahrenssprache (wenn sie bestimmt worden ist);
vi) der Entscheidung der Kammer;
vii) anderer Unterlagen, die die Kammer als einschlägig erachtet.
Artikel 7
Niederschrift
(1) Über eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme wird von dem Geschäftsstellenbeamten oder einem anderen, vom Vorsitzenden des Disziplinarausschusses bestimmten Bediensteten des Europäischen Patentamts eine Niederschrift aufgenommen. Regel 124 EPÜ ist auf die Aufnahme der Niederschriften entsprechend anzuwenden.
(2) Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses kann anordnen, dass von einer mündlichen Beweisaufnahme oder mündlichen Erklärungen zusätzlich zur Niederschrift über diese Beweisaufnahme oder Erklärungen eine Tonbandaufnahme angefertigt wird.
Artikel 8
Verfahrenssprache
(1) Die Verfahrenssprache ist diejenige Amtssprache des Europäischen Patentamts, in der das Verfahren vor dem Disziplinarrat des Instituts der zugelassenen Vertreter stattgefunden hat; Regel 4 EPÜ ist jedoch auf Verfahren vor dem Disziplinarausschuss entsprechend anzuwenden.
(2) Hat kein Verfahren vor dem Disziplinarrat stattgefunden oder ist keine Verfahrenssprache bestimmt worden, so wird die Verfahrenssprache vom Disziplinarrat bestimmt.
(3) Falls der betroffene zugelassene Vertreter einen entsprechenden Antrag stellt, erhält er Übersetzungen aller Unterlagen, die sich auf seinen Fall beziehen, in seiner eigenen Sprache und kann sich in seiner eigenen Sprache verteidigen.
(4) Soweit erforderlich sorgt der Vorsitzende des Disziplinarausschusses bei mündlichen Verhandlungen, Beweisaufnahmen und Beratungen des Disziplinarausschusses für Übersetzung.
Artikel 9
Änderung in der Zusammensetzung des Ausschusses
(1) Ändert sich die Zusammensetzung des Disziplinarausschusses nach einer mündlichen Verhandlung, so wird der betroffene zugelassene Vertreter unterrichtet, dass auf seinen Antrag eine erneute mündliche Verhandlung vor dem Ausschuss in seiner neuen Zusammensetzung stattfindet. Eine erneute mündliche Verhandlung findet auch dann statt, wenn das neue Mitglied dies beantragt und die übrigen Mitglieder des Ausschusses damit einverstanden sind.
(2) Das neue Mitglied ist an bereits getroffene Zwischenentscheidungen wie die übrigen Mitglieder gebunden.
(3) Ist ein Mitglied des Ausschusses nach einer Endentscheidung verhindert, so wird es nicht ersetzt. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterzeichnet in seinem Auftrag das im Rahmen des Ausschusses dienstältere rechtskundige Mitglied des Ausschusses, bei gleichem Dienstalter das ältere Mitglied.
Artikel 10
Verbindung von Verfahren
(1) Sind mehrere Angelegenheiten betreffend denselben zugelassenen Vertreter vor dem Disziplinarausschuss anhängig, so können sie im selben Verfahren behandelt werden.
(2) Ist für die Behandlung mehrerer Anzeigen gegen verschiedene zugelassene Vertreter der Ausschuss in der gleichen Zusammensetzung zuständig, so kann der Ausschuss diese Anzeigen mit Zustimmung der betroffenen zugelassenen Vertreter in einem gemeinsamen Verfahren behandeln. Diese Zustimmung ist in den Fällen nicht erforderlich, die nur die unterlassene Zahlung der Beiträge nach Artikel 6 Absatz 1 der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter, nachstehend "Vorschriften über die Errichtung" genannt, betreffen.
Artikel 11
Mündliche Verhandlung
(1) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen, so bemüht sich der Disziplinarausschuss darum, dass vor der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Informationen und Unterlagen eingeholt werden.
(2) Der Ausschuss kann der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine Mitteilung beifügen, in der auf Punkte, die von besonderer Bedeutung zu sein scheinen, oder auf die Tatsache, dass bestimmte Fragen nicht mehr strittig zu sein scheinen, hingewiesen wird; die Mitteilung kann auch andere Bemerkungen enthalten, die es erleichtern, dass die mündliche Verhandlung auf das Wesentliche konzentriert wird.
(3) Findet eine mündliche Verhandlung statt, so bemüht sich der Ausschuss darum, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.
Artikel 12
Unterrichtung des betroffenen zugelassenen Vertreters
Hält der Disziplinarausschuss es für zweckmäßig, dem betroffenen zugelassenen Vertreter seine Ansicht über die Beurteilung sachlicher oder rechtlicher Fragen mitzuteilen, so hat das so zu geschehen, dass die Mitteilung nicht als bindend für den Ausschuss verstanden werden kann.
Artikel 13
Beratung vor der Entscheidung
Sind nicht alle Mitglieder des Disziplinarausschusses der gleichen Ansicht über die zu treffende Entscheidung, so findet eine Beratung statt. Bei der Beratung des Ausschusses dürfen mit Ausnahme des Geschäftsstellenbeamten und der gegebenenfalls nach Artikel 8 anwesenden Dolmetscher keine weiteren Personen zugegen sein.
Artikel 14
Reihenfolge bei der Abstimmung
(1) Bei der Beratung des Disziplinarausschusses äußert zuerst der Berichterstatter und, wenn der Berichterstatter nicht der Vorsitzende ist, zuletzt der Vorsitzende seine Meinung.
(2) Die gleiche Reihenfolge gilt für Abstimmungen; auch wenn der Vorsitzende Berichterstatter ist, stimmt er zuletzt ab. Stimmenthaltungen sind nicht zulässig.
Artikel 15
Entscheidungen
(1) Wird die Angelegenheit nicht zurückgewiesen, so ist in der Entscheidung anzugeben, welche berufliche Regel verletzt und, gegebenenfalls, welche nach Artikel 4 Buchstabe c der Vorschriften über die Errichtung ausgesprochene Empfehlung nicht befolgt worden ist. Die Regeln 102 und 111 Absatz 2 EPÜ sind entsprechend anzuwenden.
(2) Entscheidungen werden vom Vorsitzenden des Disziplinarausschusses und vom Geschäftsstellenbeamten unterzeichnet.
Artikel 16
Veröffentlichung von Entscheidungen
Es liegt im Ermessen des Disziplinarausschusses, ob Entscheidungen veröffentlicht werden; der betroffene zugelassene Vertreter und der Anzeigeerstatter werden jedoch nicht benannt, es sei denn, sie erklären sich mit der Bekanntgabe ihrer Namen einverstanden.
Artikel 17
Inkrafttreten
Diese ergänzende Verfahrensordnung tritt am Tag ihrer Genehmigung durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation in Kraft.
Geschehen zu München am 9. April 1980
Für den Disziplinarausschuss des Europäischen Patentamts
Der Vorsitzende
J. C. A. STAEHELIN