EUROPÄISCHES PATENTAMT
Vertretung
Entscheidung des Disziplinarausschusses des Europäischen Patentamts vom 18. Februar 2019
in der Sache (Az.)
No. DB 03/15 (ex CD 03/14)
N.N. ./. N.N.
Anzeigeerstatter :
N.N., Deutschland
Beschuldigte:
N.N., N.N., N.N., Deutschland
Besetzung des Disziplinarausschusses:
Vorsitzender: Hans-Christian Haugg
Mitglieder: Gemma Campabadal, Christoph Matthies, Arni Vilhjalmsson, Herman Zaaiman
Verfahrenssprache: Deutsch
I. Sachverhalt und Anträge
Aus der Entscheidung vom Disziplinarrat zur Angelegenheit 03/15 (ex CD 03/14), geht folgender Sachverhalt hervor:
1. Mit Schreiben vom 13. Juni 2014 (eingegangen beim epi am 16. Juni 2014 und mit Schreiben vom 23. Juni 2014 dem Disziplinarrat zugesandt) wurde eine Anzeige eingereicht.
2. Der Anzeigeerstatter ist Herr Dr. N.N., Mitglied des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter, von der Kanzlei N.N. (hiernach: Anzeigeerstatter). Die Anzeige richtet sich gegen (zu 1) Dr. N.N., (zu 2) Dr. N.N. und (zu 3) die Kanzlei N.N. (hiernach: Beschuldigte bzw. Beschuldigter zu (1)). Der Anzeigeerstatter wirft den Beschuldigten vor, gegen die Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten und die Richtlinien für die Berufsausübung in schwerwiegendem Maße verstoßen zu haben. Die Anzeige wurde mit zahlreichen Dokumenten begründet und wurde im Laufe des Verfahrens mit Hinweisen auf weitere Sachverhalte und Dokumente ergänzt.
3. Zur Vorgeschichte des Verfahrens wird auf die sehr detaillierte Entscheidung des Disziplinarrates hingewiesen, dessen sich der Disziplinarausschuss vollumfänglich anschließt, und die als integraler Bestandteil dieser Entscheidung herangezogen wird, auch wenn sie nicht als solche dieser Entscheidung angeheftet ist oder deren Inhalt wörtlich wiedergegeben wird.
Kurz zusammenfassen lässt sich der Sachverhalt wie folgt:
4. Die Beschuldigten waren in einen Rechtsstreit mit dem Anzeigeerstatter verwickelt, weil die Beschuldigten meinten, dass der Anzeigeerstatter unerlaubt einen Doktortitel (mit oder ohne Zusatzbezeichnung) in seinem eigenen Namen und in dem Kanzleinamen führe.
5. In erster Instanz verurteilte das Landgericht den Anzeigeerstatter am 28. April 2014 zu gewissen Korrekturen in der Titelführung. Auf die Berufung folgte die Bestätigung seitens des Oberlandesgerichtes am 31. Oktober 2014, und das Urteil des Oberlandesgerichtes und das mit der Berufung angegriffene Urteil des Landgerichtes wurden beide rechtskräftig.
6. Der Anzeigeerstatter hat die vom Gericht angeordneten Korrekturen ohne Verzögerung durchgeführt.
7. Noch bevor das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig wurde und seitdem fortgesetzt, haben die Beschuldigten über diesen "Sieg" vor Gericht berichtet, mittels Aufkleber auf Briefumschlägen, in Broschüren, in Rundschreiben – die teilweise auch an Mandanten des Anzeigeerstatters adressiert – waren sowie auf Homepage-Auftritten und Web-Seiten etc. Diese "Berichterstattung" betrifft nicht nur das ergangene Urteil, sondern beinhaltet außerdem Vorwürfe gegen die Kanzlei des Anzeigeerstatters und dessen Mitarbeiter/-innen. Gegen diese "Berichterstattung" hat sich der Anzeigeerstatter mittels verschiedenen Unterlassungsklagen und von ihm erwirkten Unterlassungsverfügungen erfolgreich gewehrt, die die Beschuldigten jedoch nicht davon abgehalten haben, weiterhin zu "berichten". Die Inhalte dieser "Berichte" wurden zwar immer an die jeweilig im konkreten Einzelfall ergangene Unterlassungsverfügung angepasst, wurden aber noch bis September 2015 (Entscheidung des Disziplinarrates, Rdnr. II.6.13), also bis einige Wochen vor der Entscheidung des Disziplinarrates, fortgesetzt.
8. Nach eingehender Prüfung der 42 Anlagen kam der Disziplinarrat in einer sehr detaillierten Entscheidung zu der Schlussfolgerung, dass vorliegend ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die Berufspflichten vorliegt, der sowohl den Anzeigeerstatter als auch den Ruf des epi und seiner Mitglieder diskreditiert hat.
9. Der Disziplinarrat hat deswegen beschlossen, keine eigene Entscheidung in der Sache zu treffen, sondern die Angelegenheit an den Disziplinarausschuss des EPA zu überweisen.
II. Entscheidungsgründe
Zulässigkeit
10. Die Angelegenheit wurde vom Disziplinarrat innerhalb der hierfür gemäß Artikel 6 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten geltenden Frist dem Disziplinarausschuss vorgelegt. Die Anzeige wird nur insoweit als zulässig betrachtet, als diese gegen das Mitglied des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter gerichtet ist, nämlich Herrn Dr. N.N. (hiernach: Beklagter zu (1)). Die Klage ist nicht zulässig gegen den Beklagten zu (2) Dr. N.N., weil dieser kein beim Europäischen Patentamt zugelassener Vertreter ist und mithin nicht der Disziplinargewalt der zuständigen Organe der Europäischen Patentorganisation unterliegt. Ebenso ist die Anzeige gegen die Kanzlei (Beschuldigte zu (3) unzulässig, weil diese keine natürliche Person ist und somit nicht Partei eines Disziplinarverfahrens sein kann.
Entscheidungsgründe
11. Der Disziplinarausschuss teilt die Bewertung des vorliegenden Sachverhalts und die in der Entscheidung des Disziplinarrats zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung. Aus diesem Grund schließt sich der Disziplinarausschuss den vom Disziplinarrat getroffenen sachlichen und rechtlichen Erwägungen und Entscheidungen vollumfänglich an und macht diese zum integralen Bestandteil der vorliegenden Entscheidung des Disziplinarausschusses, selbst wenn sie nicht als solche angeheftet sind oder deren Inhalt nicht wörtlich übernommen wurde.
12. Aus der Entscheidung des Disziplinarrates geht hervor, dass der Beklagte die Führung akademischer Titel des Anzeigeerstatters vor Gericht gebracht hat. Diese Führung wurde seitens des Beklagten dem Institut der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (epi) nicht angezeigt und ist deshalb nicht Gegenstand des Verfahrens. Die nationalen Gerichte haben über diese Führung abschließend ein Urteil gefällt, und den Urteilen wurde seitens des Anzeigeerstatters Folge geleistet.
13. Aus der vom Disziplinarrat übersandten Entscheidung – einschließlich der zugehörenden Anlagen – geht hervor, dass die Beschuldigten schon während des o. g. Gerichtsverfahrens und kontinuierlich danach, keine Gelegenheit ungenutzt gelassen haben, mittels Aufkleber auf Umschlägen, in Broschüren, in Rundschreiben – die teils sogar an Mandanten des Anzeigeerstatters adressiert waren – , auf Homepage-Auftritten, Web-Seiten, etc. nicht nur diese Gerichtsentscheidungen kundzutun, sondern überdies noch mit Vorwürfen zu versehen, die den Anzeigeerstatter bzw. dessen Mitarbeiter/-innen in seiner Kanzlei betrafen.
14. Was auch immer die Beweggründe hierfür sein mögen, ist der Disziplinarausschuss der Auffassung, dass die Inhalte dieser „Berichterstattung" unzweifelhaft von diffamierender und diskreditierender Natur sind und daher grobe Anschuldigungen gegen ein epi-Mitglied enthalten. Der Anzeigeerstatter ist hiergegen regelmäßig – mit Erfolg – gerichtlich vorgegangen. Die Beschuldigten stellten jedoch ihre "Berichterstattung" nicht gänzlich ein, sondern korrigierten diese nur soweit als es unumgänglich war, um im Einzelfall der Unterlassungsverpflichtung zu genügen. Dennoch setzten sie ihre Handlungen fort, um weiterhin in der Öffentlichkeit über den Anzeigeerstatter in nicht standesgemäßer Weise zu "berichten".
15. Dieses Verhalten entspricht in keiner Weise einem legitimen Informationsaustausch, einer zulässigen Werbung oder einer professionellen Darstellung von (Patent-) Rechtsfällen, sondern stellt, nach einstimmiger Meinung des Disziplinarausschusses und nach eingehender Würdigung der Feststellungen des Disziplinarrates, eine Diffamierungs- und Diskreditierungskampagne gegen einen Kollegen und dessen Kanzlei dar, die in hohem Maße geeignet ist, die Reputation und den Ruf des Anzeigeerstatters nachhaltig zu beschädigen.
16. Ein derartiges Verhalten, das nicht nur einmalig sondern fortgesetzt über einen längeren Zeitraum wiederholt erfolgte, ist eines zugelassenen Vertreters unwürdig, schadet dem für den Beruf notwendigen Ansehen und Vertrauen und wirft ein schlechtes Licht auf den Berufsstand als solchen.
17. Die vom Beschuldigten zu (1) begangenen Verfehlungen sind deshalb als gravierend zu beurteilen. Wie bereits der Disziplinarrat in seiner Entscheidung festgehalten hat, kommt – nach sorgfältiger Würdigung aller ihm vorliegenden Fakten und Ermittlung aller relevanten Tatumstände – auch der Disziplinarausschuss zu der Schlussfolgerung, dass der Beschuldigte zu (1) gegen Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten und gegen die Artikel 1e), 2a), 3a), 3b), 5a) und 5b) der Richtlinien des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter für die Berufsausübung verstoßen hat.
18. Artikel 12 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern wurde beachtet, da dem Beschuldigten zu (1) Gelegenheit zur Stellungnahme bezüglich des ihm zur Last gelegten Vorwurfs gegeben wurde.
19. Von diesem Recht hat der Beschuldigte jedoch keinen Gebrauch gemacht.
III. Entscheidungsformel
20. In Anbetracht der vom Beklagten zu (1) begangenen Verfehlungen ist eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die die Art, den Umfang, die Vehemenz und die Dauer der Verfehlungshandlungen angemessen berücksichtigt und in verhältnismäßiger Art und Weise Rechnung trägt.
21. Im Übrigen wird die Anzeige als unzulässig erachtet.
22. Aufgrund des vorstehend Erwähnten ist eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße gemäß Artikel 4(1)c) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern angebracht. Unter Würdigung der vorliegenden Umstände ist auf Grund der Art, des Umfangs, der Schwere und der Dauer der Verfehlungen eine Geldbuße in Höhe von € 5000,- (fünftausend Euro) festzusetzen.
23. Überdies wird entschieden, diese Entscheidung gemäß Artikel 16 der Ergänzenden Verfahrensordnung des Disziplinarausschusses des EPA zu veröffentlichen.
24. Die Geldbuße ist innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung auf folgendes Bankkonto der Europäischen Patentorganisation unter Angabe des Verwendungszwecks "Geldbuße re. DB 03/15" zu entrichten: ...
IV. Rechtsmittelbelehrung
…
V. Unterschriften
Hans-Christian Haugg
Vorsitzender
Nadine Latham
Geschäftsstellenbeamtin