EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Mitteilung des EPA über das Einspruchsverfahren ab 1. Juli 2016
Die nachstehende Darstellung ist eine Neufassung der im ABl. EPA 2001, 148 ff. veröffentlichten Mitteilung über das Einspruchsverfahren vor dem EPA. Die Neufassung trägt den jüngsten Entwicklungen beim Einspruchsverfahren Rechnung, die ab 1. Juli 2016 Anwendung finden.
1. Einspruchsschrift
Es wird empfohlen, für den Einspruch grundsätzlich das Formblatt 2300 zu verwenden.
Der Einspruch kann elektronisch mit der EPA-Software für die Online-Einreichung (ABl. EPA 2015, A91) oder mittels der neuen Online-Einreichung (CMS) eingereicht werden, die auf der Website des EPA bereitgestellt wird (ABl. EPA 2015, A27). Nicht möglich ist die Einlegung des Einspruchs hingegen mittels des EPA-Dienstes zur Web-Einreichung (ABl. EPA 2014, A98). Der Empfang online eingereichter Unterlagen wird während des Übertragungsvorgangs vom EPA elektronisch bestätigt.
Der Einspruch kann auch per Fax oder per Post unter Verwendung des Formblatts 2300 eingereicht werden, das auf der Website des EPA verfügbar ist. Wie bei der bereits genannten elektronischen Einreichung ist keine schriftliche Bestätigung erforderlich. Ein Bestätigungsschreiben, das den Inhalt des Fax wiedergibt, ist nur auf Aufforderung des EPA nachzureichen (Sonderausgabe 3 zum ABl. EPA 2007, A.3).
Mit der Einspruchsschrift sollte der Einsprechende alle relevanten Unterlagen, auch wenn diese in der EPA-Dokumentation vorhanden sind, Übersetzungen von Unterlagen, die nicht in einer Amtssprache des EPA abgefasst sind, und nach Möglichkeit Kopien der in der Einspruchsschrift angegebenen weiteren Beweismittel einreichen.
Die Einspruchsschrift muss die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen, Beweismittel und Argumente enthalten (Regel 76 (2) c) EPÜ). Der Einsprechende muss also mindestens einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ nennen und die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen, Beweismittel und Argumente angeben. Ist dieses Erfordernis nicht erfüllt, so wird der Einspruch als unzulässig verworfen (Regel 77 (1) EPÜ).
Die angegebenen Beweismittel können auch nachgereicht werden*. Falls sein Einspruch zulässig ist, wird der Einsprechende aufgefordert, die Beweismittel so bald wie möglich, in der Regel innerhalb einer Frist von zwei Monaten, vorzulegen. Werden die angeforderten Unterlagen weder beigefügt noch fristgerecht nachgereicht, so braucht die Einspruchsabteilung das darauf gestützte Vorbringen nicht zu berücksichtigen (Richtlinien D-IV, 1.2.2.1 v)).
2. Mehrere Einsprechende
Werden gegen das europäische Patent mehrere Einsprüche eingelegt, so werden sie gemeinsam behandelt. Die Einspruchsschriftsätze und alle späteren Schriftsätze der Beteiligten werden jeweils allen anderen Beteiligten übermittelt.
3. Stellungnahme des Patentinhabers
Nach Prüfung der Zulässigkeit oder nach Ablauf der von der Einspruchsabteilung in einer Mitteilung nach Regel 77 (2) EPÜ gesetzten Frist für die Beseitigung von Mängeln wird der Patentinhaber aufgefordert, innerhalb von vier Monaten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls Änderungen seines Patents einzureichen (Regeln 79 (1), 132 EPÜ). Dasselbe gilt nach Ablauf der Frist für die Vorlage angeführter Dokumente oder Beweismittel, die nicht bereits zusammen mit der Einspruchsschrift eingereicht wurden.
Der Patentinhaber sollte innerhalb der gesetzten Frist zu dem Einspruch bzw. zu den Einsprüchen umfassend Stellung nehmen, also alle Tatsachen, Beweismittel und Argumente zur Begründung seines Standpunkts vorbringen. Falls erforderlich, sollte er geänderte Unterlagen vorlegen, um den geltend gemachten Einspruchsgründen zu begegnen.
Die Stellungnahme des Patentinhabers und etwaige Änderungen des Patents werden dem Einsprechenden unverzüglich mitgeteilt (Regel 79 (3) EPÜ).
Gleichzeitig bereitet die Einspruchsabteilung den nächsten Schritt vor.
Die Einspruchsabteilung erlässt, wenn sie dies für erforderlich erachtet, einen Bescheid und fordert die Beteiligten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern. In den meisten Fällen erlässt die Einspruchsabteilung aber eine Ladung zur mündlichen Verhandlung.
4. Fristen
Die reguläre Frist für die Erwiderung auf Bescheide der Einspruchsabteilung beträgt vier Monate bei Bescheiden, in denen sachliche Einwände erhoben werden, und zwei Monate bei anderen Bescheiden (Richtlinien E-VII, 1.2).
Fristverlängerungen werden nur in Ausnahmefällen auf ordnungsgemäß begründeten Antrag gewährt.
5. Verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel
Die Einspruchsabteilung braucht Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen (Artikel 114 (2) EPÜ), es sei denn, sie sind prima facie relevant, d. h. sie würden die ohne ihre Berücksichtigung zu treffende Entscheidung ändern.
Im Interesse einer zügigen Durchführung des Verfahrens sollten die Beteiligten grundsätzlich alle Tatsachen, Beweismittel und Anträge zu Beginn des Verfahrens oder - wenn dies nicht möglich ist - zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorbringen. Bringt ein Beteiligter wesentliche Tatsachen oder Beweismittel ohne triftigen Grund erst in einer fortgeschrittenen Phase des Verfahrens vor und entstehen einem anderen Beteiligten dadurch Kosten für eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme, so kann dies bei der Verteilung der Kosten berücksichtigt werden.
6. Ermittlung von Amts wegen
Die Prüfung des Einspruchs beschränkt sich auf die von dem bzw. den Einsprechenden angegriffenen Teile des Patents und die von ihm bzw. ihnen vorgebrachten Gründe. In Ausnahmefällen kann die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 114 (1) EPÜ auch andere Einspruchsgründe prüfen, die prima facie der Aufrechterhaltung des europäischen Patents ganz oder teilweise entgegenzustehen scheinen.
Eine darüber hinausgehende Prüfung wird die Einspruchsabteilung nur dann vornehmen (Artikel 114 (1) EPÜ), wenn ihr Tatsachen bekannt geworden sind, die der vollständigen oder teilweisen Aufrechterhaltung des Patents offensichtlich entgegenstehen (Richtlinien D-V, 2). Das Einspruchsverfahren stellt keineswegs eine Gelegenheit für das EPA dar, das Patent von Amts wegen vollständig zu überprüfen.
Hat der Patentinhaber geänderte Unterlagen vorgelegt, so sind die geänderten Teile auf alle Erfordernisse des Übereinkommens zu prüfen. In Bezug auf die Klarheit können geänderte Ansprüche nur dann auf Konformität mit den Erfordernissen des Artikels 84 geprüft werden, wenn und insoweit eine Änderung zu einem Verstoß gegen Artikel 84 führt (G 3/14).
Wird der einzige Einspruch bzw. werden alle Einsprüche zurückgenommen, so kann das Einspruchsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden. Dies geschieht immer dann, wenn die für eine Entscheidung notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind oder ohne Mitwirkung des bzw. der Einsprechenden abgeschlossen werden können und aufgrund der Aktenlage die Aufrechterhaltung des Patents in unverändertem Umfang nicht möglich erscheint (Richtlinien D-VII, 5.3). Es geschieht ferner dann, wenn vom Patentinhaber selbst Änderungen vorgelegt wurden (Artikel 113 (2) EPÜ).
7. Weiteres Verfahren
Hat ein Verfahrensbeteiligter eine mündliche Verhandlung beantragt oder hält die Einspruchsabteilung selbst eine mündliche Verhandlung für sachdienlich, so wird ein Termin für eine mündliche Verhandlung anberaumt.
Hält die Einspruchsabteilung vor der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine weitere Klärung der Sachlage oder eine Stellungnahme eines Beteiligten zum Vorbringen der Gegenpartei für erforderlich, so wird der betreffende Beteiligte aufgefordert, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu dem Vorbringen zu äußern (Richtlinien D-VI, 3.1).
Findet keine mündliche Verhandlung statt und ist keine weitere Sachaufklärung erforderlich - kann also die Entscheidung auf Gründe gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten schriftlich äußern konnten (Artikel 113 (1) EPÜ) -, so wird unmittelbar über den Einspruch entschieden.
8. Mündliche Verhandlung
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wird der Termin festgesetzt, der in der Regel frühestens sechs Monate nach dem Versenden der Ladung liegt. Eine Änderung dieses Termins kann nur in besonders begründeten Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden (Mitteilung des EPA in ABl. EPA 2009, 68).
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhalten die Beteiligten auch einen Bescheid, in dem die nach Ansicht der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung zu erörternden Fragen aufgeführt sind.
Dieser beigefügte Bescheid enthält auch die vorläufige, unverbindliche Auffassung der Einspruchsabteilung zu den Standpunkten der Beteiligten und insbesondere zu den vom Patentinhaber vorgelegten Änderungen des Patents (Richtlinien D-VI, 3.2 und E-II, 6), ggf. erläutert durch entsprechenden Verweis auf bestimmte Teile der Akten. In der Ladung wird auch ein Zeitpunkt festgesetzt, bis zu dem Stellungnahmen und Änderungen eingereicht werden können (Regel 116 EPÜ). Dieser Zeitpunkt liegt in der Regel zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung.
Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die wesentlichen strittigen Fragen, die im beigefügten Bescheid aufgeführt sind; die Beteiligten müssen sich jedoch bei ihrem Vortrag nicht auf diese Fragen beschränken, wenn das zusätzliche Vorbringen relevant ist.
In der mündlichen Verhandlung erteilt die Einspruchsabteilung in der Regel zuerst dem Beteiligten das Wort, der einen Einwand erhoben hat. Jeder Beteiligte erhält die Gelegenheit, sein Anliegen vorzubringen und auf den Vortrag des anderen Beteiligten zu erwidern. Erforderlichenfalls ersucht die Einspruchsabteilung die Beteiligten um Klarstellungen.
Eine mündliche Verhandlung wird in der Regel mit einer Entscheidung abgeschlossen, die auf den abschließenden Vorträgen und Anträgen der Beteiligten basiert. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Vertreter der Beteiligten für die mündliche Verhandlung grundsätzlich auf Rückfallpositionen einstellen und bevollmächtigt sind, im Namen ihrer Mandanten zu allen Entwicklungen Stellung zu beziehen, die sich im Laufe der Verhandlung ergeben können.
Werden erst in der mündlichen Verhandlung neue Tatsachen oder Beweismittel (z. B. eine neue Druckschrift) vorgelegt, so sind sie als verspätet eingereicht zu betrachten (Regel 116 EPÜ) und werden nur berücksichtigt, wenn sie prima facie so relevant sind, dass die Einspruchsabteilung sie im Rahmen ihres Ermessensspielraums nach Artikel 114 (2) EPÜ zum Verfahren zuzulassen hat. In diesem Fall wird die Verhandlung gegebenenfalls kurz unterbrochen, um den anderen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, das neue Vorbringen zu prüfen. Kann es den anderen Beteiligten nicht zugemutet werden, zu dem neuen Vorbringen ausreichend Stellung zu nehmen, so muss das Verfahren schriftlich fortgesetzt werden.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wird nach einer kurzen Beratung vom Vorsitzenden die Entscheidung der Einspruchsabteilung verkündet, wobei auch eine kurze Begründung gegeben werden kann. Diese Entscheidung wird alsbald schriftlich abgefasst und den Beteiligten zugestellt (Regel 111 (1) EPÜ).
Wenn die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung auf Unterlagen gestützt wurde, die nicht der Regel 49 (8) EPÜ entsprechen, weil sie handschriftliche Änderungen enthalten, fordert die Einspruchsabteilung den Patentinhaber in der Mitteilung nach Regel 82 (2) EPÜ auf, eine formal korrekte Fassung des geänderten Wortlauts einzureichen (ABl. EPA 2016, A22).
Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung wird im Europäischen Patentregister veröffentlicht.
9. Protokoll der mündlichen Verhandlung
Das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird allen Beteiligten sobald als möglich übersandt, ggf. zusammen mit der Entscheidung.
10. Abschluss des Verfahrens
Das Verfahren wird in jedem Fall mit einer Entscheidung abgeschlossen. Die Einspruchsabteilung kann beschließen, das europäische Patent zu widerrufen, den Einspruch zurückzuweisen oder das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Artikel 101 EPÜ).
Ist der Patentinhaber an der Aufrechterhaltung des Patents nicht mehr interessiert, so kann er den Widerruf des Patents beantragen. Das Patent wird dann widerrufen, weil keine vom Patentinhaber gebilligte Fassung vorliegt (Artikel 113 (2) EPÜ).
Ein Widerruf ist ebenfalls zu erwarten, wenn der Patentinhaber gegenüber dem EPA erklärt, dass er für alle benannten Vertragsstaaten auf das Patent verzichtet.
Wird der Einspruch zurückgezogen, so kann das Verfahren durch eine förmliche Entscheidung der Einspruchsabteilung eingestellt werden (Regel 84 (2) EPÜ). Ebenso stellt die Einspruchsabteilung das Verfahren ein, wenn für alle benannten Vertragsstaaten auf das europäische Patent verzichtet worden ist oder wenn das europäische Patent für alle diese Staaten erloschen ist und der Einsprechende nicht innerhalb der in Regel 84 (1) EPÜ genannten Frist die Fortsetzung des Verfahrens beantragt.
11. Zeugeneinvernahme
Eine Einvernahme angebotener Zeugen (Regel 117 EPÜ) zu einer strittigen Frage findet statt, wenn diese Frage für die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents maßgeblich ist. Dies könnte der Fall sein, wenn eine Vorbenutzung behauptet wurde und der angebotene Zeuge beteiligt war.
12. Kosten
Grundsätzlich trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst. Nach Artikel 104 (1) und Regel 88 EPÜ kann über eine Verteilung der Kosten aber auch anders entschieden werden, "wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht". Es entspricht der Billigkeit, eine Entscheidung über die Verteilung der Kosten dann zu treffen, wenn die Kosten schuldhaft durch leichtfertiges oder gar böswilliges Handeln verursacht werden. Natürlich kann aber jeder sein Recht bzw. seine Interessen mit allen im Rahmen des Einspruchsverfahrens gesetzlich zulässigen Mitteln verteidigen, also z. B. mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen beantragen. Daher hat beispielsweise der Patentinhaber Kosten selbst zu tragen, die ihm im Zusammenhang mit der Erwiderung auf eine Einspruchsschrift entstanden sind, auch wenn sich der Einspruch später als völlig unbegründet erweist.
Die Einspruchsabteilung kann jedoch bei Verzögerungstaktiken und bei unbilligen Verhaltensweisen von Beteiligten eine abweichende Kostenverteilung vornehmen. Beispiele dafür sind in Kapitel D-IX, 1.4 der Richtlinien enthalten.
13. Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers
Ein Dritter kann unter den in Artikel 105 EPÜ genannten Bedingungen dem Einspruchsverfahren beitreten, solange es noch nicht abgeschlossen ist (Richtlinien D-VII, 6). Ist der Beitritt ordnungsgemäß erklärt worden, so wird er als Einspruch behandelt. Dies bedeutet, dass der Beitretende grundsätzlich dieselben Rechte wie jeder andere am Verfahren Beteiligte hat, und zwar unabhängig davon, in welcher Phase er dem Verfahren beitritt.
14. Beschleunigung des Einspruchsverfahrens
Ist bei einem nationalen Gericht eines Vertragsstaats eine Verletzungsklage aus einem europäischen Patent anhängig, so kann ein am Einspruchsverfahren Beteiligter jederzeit die Beschleunigung des Verfahrens beantragen (ABl. EPA 2008, 221).
Eine wirksame Beschleunigung des Verfahrens kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Beteiligten ihr Vorbringen möglichst rasch und vollständig einreichen und die vom EPA gesetzten Fristen und Termine strikt einhalten. In solchen Fällen kann Anträgen auf Fristverlängerung, soweit diese über die normale Frist von vier Monaten hinausgehen, nur in besonders begründeten Ausnahmefällen stattgegeben werden.
* Anmerkung der Redaktion: Die ursprünglich veröffentlichte Fassung dieses Satzes besagte, dass "die angegebenen Beweismittel in Ausnahmefällen auch nachgereicht werden können". Da dies so verstanden werden könnte, als ob das EPA bei der Einreichung von Beweismitteln einen strengeren Ansatz anwendet, wurde der Satz wie folgt umformuliert:
Die angegebenen Beweismittel können auch nachgereicht werden.
(siehe Korrigendum, ABl. EPA 2016, A55).