MITTEILUNGEN DES EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 4. Mai 2010 über das Programm zur beschleunigten Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen – "PACE"
Mit dem Inkrafttreten der neuen Regel 70a sowie der geänderten Regel 161 EPÜ ist eine Neufassung des PACE-Programms notwendig geworden. Das überarbeitete PACE-Programm1 trägt insbesondere den am 1. April 2010 in Kraft getretenen Änderungen des europäischen Erteilungsverfahrens Rechnung, die die Verpflichtung des Anmelders betreffen, nach Regel 70a oder Regel 161 (1) EPÜ in der Sache Stellung zu nehmen
- zum erweiterten europäischen Recherchenbericht (EESR),
- zu dem vom EPA erstellten schriftlichen Bescheid der Internationalen Recherchenbehörde (WO-ISA),
- zu dem vom EPA erstellten internationalen vorläufigen Prüfungsbericht (IPER) oder
- zu den Erläuterungen gemäß Regel 45bis.7 e) PCT in einem vom EPA erstellten ergänzenden internationalen Recherchenbericht (SISR)2.
Wie bisher ist PACE darauf gerichtet, dass Anmelder, die an einer raschen Bearbeitung ihrer Anmeldung interessiert sind, den europäischen Recherchenbericht samt Stellungnahme gemäß Regel 62 (1) EPÜ, den ersten Prüfungsbescheid oder gegebenenfalls die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ innerhalb kürzester Fristen erhalten.
Die Einzelheiten zum überarbeiteten PACE-Programm werden nachstehend erläutert. Auf die Besonderheiten für Euro-PCT-Anmeldungen wird jeweils hingewiesen.
Allgemeines
1. Die beschleunigte Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen erfolgt auf schriftlichen Antrag. Anträge auf beschleunigte Recherche oder Prüfung (PACE-Anträge) werden vom EPA nicht veröffentlicht und sind gemäß Beschluss der Präsidentin vom 12. Juli 20073 von der Akteneinsicht ausgeschlossen. Letzteres kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn der Antrag unter Verwendung von EPA Form 10054 oder auf gesondertem Blatt gestellt wird.
2. Die beschleunigte Bearbeitung im Rahmen des PACE-Programms kann nur erfolgen, soweit dies praktisch möglich ist und es das Arbeitsaufkommen in den Recherchen- und Prüfungsabteilungen erlaubt. Auf bestimmten technischen Gebieten kann es aufgrund gehäuft eingehender PACE-Anträge zu Einschränkungen kommen. Anmelder, die eine beschleunigte Bearbeitung für die Gesamtheit oder die Mehrzahl ihrer Anmeldungen beantragen, werden vom Amt in der Regel aufgefordert, eine Auswahl zu treffen und die Zahl ihrer PACE-Anträge zu begrenzen.
Recherche
3. Zu europäischen Patentanmeldungen, die keine Priorität in Anspruch nehmen (Erstanmeldungen)5, wird von Amts wegen eine beschleunigte Recherche durchgeführt; eines besonderen Antrags bedarf es hierfür nicht. Das Amt gewährleistet in diesen Fällen, dass der Anmelder den erweiterten Recherchenbericht in der Regel spätestens sechs Monate nach dem Anmeldetag erhält.
4. Bei europäischen Patentanmeldungen, die eine Priorität in Anspruch nehmen (Nachanmeldungen) und für die bei der Einreichung eine beschleunigte Recherche beantragt wird, setzt das Amt alles daran, den erweiterten Recherchenbericht so schnell wie möglich zu erstellen.
5. In beiden Fällen kann die beschleunigte Recherche jedoch nur durchgeführt werden, wenn die Anmeldeunterlagen bei Einreichung der Anmeldung so vollständig sind, dass der erweiterte Recherchenbericht erstellt werden kann. Dies setzt insbesondere voraus, dass dem Amt zu diesem Zeitpunkt die Ansprüche, die Beschreibung, die erforderlichen Übersetzungen sowie gegebenenfalls die Zeichnungen und ein vorschriftsgemäßes Sequenzprotokoll für die standardisierte Darstellung von Nucleotid- und Aminosäuresequenzen vorliegen. Eine Bearbeitung unter PACE kann nicht erfolgen, wenn von der Möglichkeit, auf eine früher eingereichte Anmeldung Bezug zu nehmen, Gebrauch gemacht wird (vgl. Regel 40 (1) c) i. V. m. (2) EPÜ) oder Teile der Beschreibung oder Zeichnungen nach Regel 56 EPÜ nachgereicht oder die Ansprüche nachträglich eingereicht werden.
6. Die Anmelder sollten jedoch bedenken, dass in Fällen, in denen eine Mitteilung nach Regel 62a, 63 oder 64 EPÜ erforderlich ist, der Recherchenbericht samt Stellungnahme erst nach Eingang der Erwiderung des Anmelders oder nach Ablauf der entsprechenden Frist erstellt werden kann.
Prüfung
7. Die beschleunigte Prüfung kann grundsätzlich jederzeit schriftlich beantragt werden. Aus Effizienzgründen empfiehlt sich die Beantragung jedoch
- bei Einreichung der europäischen Patentanmeldung, wenn der Prüfungsantrag zu diesem Zeitpunkt verbindlich gestellt wird6, oder
- nach Erhalt des erweiterten Recherchenberichts und zusammen mit der Erwiderung des Anmelders auf die Stellungnahme zur Recherche nach Regel 62 EPÜ.
8. Auch für Euro-PCT-Anmeldungen kann die beschleunigte Prüfung grundsätzlich jederzeit beantragt werden. Aus Effizienzgründen empfiehlt sich die Beantragung jedoch
- bei Eintritt in die europäische Phase vor dem EPA7 oder
- zusammen mit der nach Regel 161 (1) EPÜ erforderlichen Erwiderung auf den WO-ISA, IPER oder SISR.
Wenn der Antrag bei Eintritt in die europäische Phase gestellt wird, erstreckt sich die beschleunigte Bearbeitung je nach Sachlage auf die Formalprüfung, den ergänzenden europäischen Recherchenbericht und/oder die Sachprüfung.
9. Ist eine beschleunigte Prüfung beantragt worden, so setzt das Amt alles daran, den ersten Prüfungsbescheid innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Anmeldung, der Erwiderung des Anmelders nach Regel 70a oder 161 (1) EPÜ oder des Antrags auf beschleunigte Prüfung bei der Prüfungsabteilung zu erstellen (je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist).
Das Amt ist bestrebt, weitere Prüfungsbescheide innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Erwiderung des Anmelders zu erstellen, sofern diese innerhalb der im vorausgegangenen Bescheid gesetzten Frist erfolgt und auf alle von der Prüfungsabteilung angesprochenen Punkte eingeht. Die beschleunigte Prüfung kann nur dann effizient durchgeführt werden, wenn der Anmelder mit dem Amt in kooperativer Weise zusammenarbeitet.
Weitere Möglichkeiten zur Beschleunigung des europäischen Erteilungsverfahrens
10. Der Anmelder kann vor Erhalt des Recherchenberichts auf die Aufforderung nach Regel 70 (2) EPÜ verzichten und den Prüfungsantrag ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Recherche vorbehaltlos stellen. In diesem Fall ergeht nach Regel 62 EPÜ zusammen mit dem europäischen Recherchenbericht statt der Stellungnahme zur Patentierbarkeit nach Regel 62 EPÜ sogleich ein erster Prüfungsbescheid nach Artikel 94 (3) und Regel 71 (1) EPÜ. Die darauffolgende fristgemäße und umfassende Erwiderung des Anmelders erlaubt zudem die zügige Fortführung des Verfahrens.
11. Der Anmelder kann die Bearbeitung einer internationalen Anmeldung beschleunigen, wenn er ausdrücklich auf die Mitteilung nach Regel 161 (1) und 162 EPÜ verzichtet. Sofern er beim Eintritt in die europäische Phase bereits alle erforderlichen Schritte unternommen, etwa Änderungen oder Berichtigungen in Erwiderung auf den WO-ISA, den IPER oder die im SISR enthaltenen Erläuterungen eingereicht und die Anspruchsgebühren entrichtet hat, erlässt das Amt keine Mitteilung nach Regel 161 und 162 EPÜ und kann mit der ergänzenden europäischen Recherche oder Prüfung beginnen, ohne den Ablauf der Frist nach Regel 161 EPÜ abzuwarten.
1 Überarbeitete Fassung der zuletzt in der Sonderausgabe Nr. 3, ABl. EPA 2007, F.1 veröffentlichten Mitteilung.
2 Siehe die Mitteilung des EPA vom 24. März 2010 über die Durchführung ergänzender internationaler Recherchen nach dem PCT, ABl. 2010, 316.
3 Vgl. Sonderausgabe Nr. 3, ABl. EPA 2007, J.3.
4 EPA/EPO/OEB Form 1005 steht unter der Internet-Adresse des Amts "www.epo.org" zur Verfügung. Es kann auch beim EPA (vorzugsweise in Wien, aber auch in München, Den Haag und Berlin) sowie bei den Zentralbehörden der Vertragsstaaten für den gewerblichen Rechtsschutz kostenlos bezogen werden.
5 Das Amt behandelt eine europäische Patentanmeldung nur dann als "Erstanmeldung", wenn der Anmelder am Tag der Einreichung angibt, keine Priorität in Anspruch nehmen zu wollen.
6 Ein Prüfungsantrag ist verbindlich gestellt, wenn die Bezahlung der erforderlichen Gebühr und der vorbehaltlose Verzicht auf die Aufforderung des Amts nach Artikel 94 i. V. m. Regel 70 (2) EPÜ erklärt ist.
7 Bei Euro-PCT-Anmeldungen kann der Anmelder den Eintritt in die europäische Phase beschleunigen, wenn er gemäß Artikel 23 (2) oder 40 (2) PCT ausdrücklich eine vorzeitige Bearbeitung der Anmeldung beantragt. Dies führt jedoch noch nicht von Amts wegen zu einer beschleunigten Prüfung in der europäischen Phase; hierzu bedarf es vielmehr eines gesonderten Antrags nach dem PACE-Programm.