BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Juristischen Berschwerdekammer
Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer vom 4. Februar 2004 - J 2/01 - 3.1.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | J. C. Saisset |
Mitglieder: | M. B. Günzel |
| E. Lachacinski |
Anmelder: THE TRUSTEES OF DARTMOUTH COLLEGE
Stichwort: Teilanmeldung/THE TRUSTEES OF DARTMOUTH COLLEGE
Artikel: 58, 59, 60 (1) und (3), 61, 68 (1), 72, 75, 76, 81, 112, 116 und 118 EPÜ
Regel: 17 (1), 20, 25 (1), 48 (2), 72, 88 und 100 EPÜ
Artikel 4G und 19 Pariser Verbandsübereinkunft
Artikel 31 und 32 Wiener Übereinkommen
§§ 6 und 7 PatG
§ 15 (4) Patentgesetz des Vereinigten Königreichs
Schlagwort: "Patentanmeldung im Namen von mehr als einem Anmelder - Teilanmeldung im Namen nicht aller Anmelder der Stammanmeldung - verneint - sofern nicht Artikel 61 und Regel 20 EPÜ erfüllt sind"
Leitsätze:
I. Aufgrund des Erfordernisses der Einheitlichkeit nach Artikel 118 EPÜ dürfen zwei oder mehr Personen, die gemeinsam eine Anmeldung einreichen, keine andere verfahrensrechtliche Stellung innehaben als ein einzelner Anmelder, weil sonst jeder von ihnen unterschiedliche und widersprüchliche Verfahrenshandlungen einschließlich der Einreichung unterschiedlicher Fassungen des zu erteilenden Patents vornehmen könnte.
II. Wenn daher eine Anmeldung (die "frühere Anmeldung") von zwei oder mehr Anmeldern gemeinsam eingereicht wurde und die Erfordernisse des Artikels 61 oder der Regel 20 (3) EPÜ nicht erfüllt sind, steht das Recht nach Artikel 76 EPÜ, eine Teilanmeldung zur früheren Anmeldung einzureichen, nur den registrierten Anmeldern der früheren Anmeldung gemeinsam zu und nicht einem oder einigen von ihnen allein.
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts, die Streitanmeldung - die europäische Patentanmeldung Nr. 99 104 102.1 - nicht als europäische Teilanmeldung der früheren europäischen Patentanmeldung Nr. 96 921 309.9 zu behandeln.
II. Die Streitanmeldung wurde am 1. März 1999 im Namen der Trustees of Dartmouth College als Teilanmeldung zur Stammanmeldung Nr. 96 921 309.9 eingereicht, die am 6. Juni 1996 als internationale Anmeldung nach dem PCT unter dem Aktenzeichen PCT/US96/09137 im Namen von Trustees of Dartmouth College und Nederlandse Organisatie Voor Toegepast-Natuurwetenschappelijk Onderzoek eingereicht worden war. Für die Stammanmeldung wurde eine Priorität vom 7. Juni 1995 in Anspruch genommen.
III. Nachdem die Eingangsstelle der Beschwerdeführerin mitgeteilt hatte, daß die Streitanmeldung ihrer Auffassung nach nicht als Teilanmeldung gelten könne, und die Beschwerdeführerin auf diese Mitteilung geantwortet hatte, entschied sie am 26. Juli 2000, daß die Anmeldung nicht als Teilanmeldung behandelt werde, da im Falle mehrerer Anmelder eine Teilanmeldung nur im Namen aller in der früheren Anmeldung genannten Anmelder eingereicht werden könne.
So könne eine europäische Teilanmeldung nur von demselben Anmelder wie die ihr zugrundeliegende frühere europäische Anmeldung eingereicht werden. Artikel 4G der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) stelle klar, daß das Recht, die Patentanmeldung zu teilen, dem Anmelder zustehe. Ferner verwies sie auf Regel 25 (1) EPÜ und die Richtlinien für die Prüfung, A-IV, 1.1.3.
Im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt gelte der Anmelder als berechtigt, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen (Art. 60 (3) EPÜ). Wem allerdings das Recht auf das europäische Patent zustehe, sei nicht vom EPA zu prüfen, sondern unterliege nationalem Recht (Art. 61 EPÜ).
Sei die Stammanmeldung von mehr als einem Anmelder eingereicht worden, so gelte für die Zwecke des Artikels 60 (3) EPÜ, daß das Recht auf das europäische Patent allen Anmeldern gemeinsam zustehe, so daß sie es in Verfahren vor dem EPA auch nur gemeinsam wahrnehmen könnten.
Die Entscheidung J 34/86 der Juristischen Beschwerdekammer betreffe einen Ausnahmefall und sei auf die vorliegende Sache nicht anwendbar, weil damals der Anmelder der früheren Anmeldung akzeptiert habe, daß er keinen Anspruch auf das Recht am europäischen Patent hatte und sich somit die Frage der Rechte gemeinsamer Anmelder nicht gestellt habe.
Das Argument der Anmelderin, daß es nicht möglich gewesen wäre, eine gültige Erfindernennung vorzulegen, wenn die streitige Teilanmeldung im Namen beider Anmelderinnen der früheren Anmeldung eingereicht worden wäre, laufe ins Leere. Für die Zwecke des Artikels 81 Satz 2 und der Regel 17 (1) EPÜ genüge es, wenn nur einer der gemeinsamen Anmelder vom genannten Erfinder das Recht auf das europäische Patent erlange, und überdies werde die Richtigkeit der Angaben in der Erfindernennung vom EPA nicht geprüft.
IV. Die Anmelderin legte am 25. September 2000 Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr und übermittelte am 4. Dezember 2000 die Beschwerdebegründung.
V. Nachdem die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt hatte, fand am 4. Februar 2004 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Zu Beginn der mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, daß die Verhandlung nicht öffentlich sei. Obwohl die Erfordernisse der Regel 48 (2) EPÜ bezüglich der Nichtveröffentlichung der Anmeldung offenbar nicht erfüllt worden seien, sei die streitige Teilnanmeldung de facto nicht veröffentlicht worden. Die Veröffentlichung sei aber nach Artikel 116 EPÜ Voraussetzung für eine öffentliche Verhandlung, und daher habe die Kammer ihre ursprüngliche Ladung zur mündlichen Verhandlung korrigiert.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung und der mündlichen Verhandlung läßt sich wie folgt zusammenfassen:
1. Die Stammanmeldung der vorliegenden Teilanmeldung umfasse zwei getrennte Erfindungen.
Erfindung 1 sei die allgemeine Erfindung und betreffe die Verwendung eines gp39-Antagonisten für die Herstellung eines Medikaments zur Linderung bestimmter Gewebeschäden, die durch Autoimmunerkrankungen hervorgerufen werden.
Erfindung 2 sei die spezifische Erfindung und betreffe die Verwendung des Antagonisten für die Herstellung eines Medikaments zur Linderung der besagten, durch Multiple Sklerose verursachten Gewebeschäden.
Die allgemeine Erfindung 1 habe Herr Dr. Noelle allein gemacht, und seine Rechte seien aufgrund seines Arbeitsverhältnisses auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Die Erfindung 2 sei das Ergebnis der Zusammenarbeit von Herrn Dr. Noelle mit einem weiteren Forscher, dessen Rechte aufgrund seines Arbeitsvertrags mit der Mitanmelderin der Stammanmeldung auf diese übergegangen seien.
Somit stehe das Recht auf ein europäisches Patent für die Erfindung 1, auf die sich die Teilanmeldung beziehe, nach Artikel 60 (1) EPÜ allein der Beschwerdeführerin zu, während das Recht auf ein europäisches Patent für die Erfindung 2 beiden Anmelderinnen der Stammanmeldung gemeinsam zustehe, die daher in der Stammanmeldung auch korrekterweise beide als Anmelderinnen genannt seien.
2. Nach Artikel 60 (3) EPÜ sei die Beschwerdeführerin als eine Mitanmelderin der Stammanmeldung berechtigt, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen.
Nirgendwo in den Artikeln 58, 60 (3), 76 EPÜ, in Regel 25 EPÜ oder in Artikel 4G PVÜ finde sich eine Beschränkung bezüglich des Anmeldernamens bei Teilanmeldungen. Somit könne der Begriff "Anmelder" breit ausgelegt und jeder aus dem Kreis der gemeinsamen Anmelder als "Anmelder" im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden. Da es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, daß eine enge Auslegung des Begriffs "Anmelder" beabsichtigt war und gerechtfertigt sei - also daß damit nur alle gemeinsamen Anmelder zusammen gemeint seien -, müsse der Begriff breit ausgelegt werden.
In Artikel 76 (1) EPÜ heiße es, daß die Teilanmeldung, sofern sie nicht für einen Gegenstand eingereicht werde, der über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, als am Anmeldetag der früheren Anmeldung eingereicht gelte. In Artikel 76 EPÜ werde der Begriff "Anmelder" nicht verwendet und somit keine Einschränkung bezüglich der Person des Anmelders gemacht; auch Regel 25 EPÜ sehe keine derartigen Bedingungen vor. Zudem sei die Frage, wer zur Einreichung einer Teilanmeldung berechtigt sei, wie in der Entscheidung J 11/91 vom 5. August 1992 (Nr. 2.3.4 der Entscheidungsgründe) für einen ähnlichen Sachverhalt ausgeführt, nicht verfahrensrechtlicher, sondern materiellrechtlicher Natur. Nach Artikel 76 (3) EPÜ sei nur das Verfahren für Teilanmeldungen in der Ausführungsordnung geregelt.
Ebensowenig lasse sich aus Artikel 4G PVÜ eine enge Auslegung des Begriffs "Anmelder" ableiten. Da das EPÜ ein Sonderabkommen im Sinne des Artikels 19 der Pariser Verbandsübereinkunft darstelle (siehe Präambel zum EPÜ) und Regel 25 EPÜ eine nachgeordnete Rechtsvorschrift sei, sei diese Regel in Einklang mit Artikel 4G PVÜ auszulegen, wie auch die Juristische Beschwerdekammer in J 11/91 festgestellt habe. Eine enge Auslegung des Begriffs "Anmelder" in Regel 25 EPÜ würde somit gegen Artikel 4G PVÜ verstoßen.
Nichts in den vorbereitenden Arbeiten deute auf eine enge Auslegung hin. Der Begriff "Anmelder" komme im ersten Entwurf der heutigen Regel 25 EPÜ nicht vor. Die Beschwerdeführerin legte einen Auszug aus dem Protokoll der Münchner Diplomatischen Konferenz über die Einführung eines europäischen Patenterteilungsverfahrens, M/PR/I, Nummern 199 bis 211, Artikel 74 (76) - Europäische Teilanmeldungen, vor. Daraus gehe hervor, daß der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, dem Anmelder einer Teilanmeldung ein weiteres "besonderes Erfordernis" im Sinne des Artikels 76 (3) EPÜ aufzubürden.
Den von der Kammer in ihrer Mitteilung angeführten Artikeln 59 und 118 EPÜ sei nichts zu entnehmen, was für den vorliegenden Fall relevant wäre, da keiner dieser Artikel auf die Stellung oder die Rechte mehrerer Anmelder eingehe. Ebensowenig lasse die von der Kammer angeführte Entscheidung G 3/99 irgendwelche Schlüsse bezüglich der Stellung mehrerer Anmelder zu, weil es darin ausschließlich um die Verfahrensrechte gemeinsamer Einsprechender gehe. Zudem hätten nach dieser Entscheidung die Personen aus dem Kreis der gemeinsamen Einsprechenden tatsächlich einen eigenen Status, weil sich jeder von ihnen einzeln aus dem Verfahren zurückziehen könne.
In der von der Eingangsstelle angezogenen Entscheidung J 34/86 sei Artikel 60 (3) EPÜ noch nicht einmal erwähnt. In den Entscheidungen J 18/93 vom 2. September 1994 und J 17/96 vom 3. Dezember 1996 seien Berichtigungen durch Angabe des Namens des Anmelders unter bestimmten Umständen zugelassen worden. Im vorliegenden Fall sei jedoch die Einreichung der streitigen Teilanmeldung im alleinigen Namen der Beschwerdeführerin kein Fehler, sondern Absicht, und es bestünde keine Streitigkeit über die Inhaberschaft im Sinne von Artikel 61 EPÜ. Daher lasse sich das von der Kammer in ihrer Mitteilung angeführte Argument nicht aufrechterhalten, wonach es ungerecht wäre, wenn aufgrund einer Verfahrensvorschrift derjenige der gemeinsamen Anmelder einer Stammanmeldung, der als erstes rechtswidrig handle, den anderen ihr Recht an einer Teilanmeldung vorenthalten könne. Außerdem müsse das EPA davon ausgehen, daß Anmelder in gutem Glauben handelten.
3. Es sei nicht möglich, die Mitanmelderin der Stammanmeldung als Mitanmelderin der Teilanmeldung zu nennen, ohne gegen Regel 17 EPÜ zu verstoßen, weil in bezug auf die Erfindung 1 keine Rechte vom Erfinder auf die Mitanmelderin übergegangen seien. Ebensowenig könne die Mitanmelderin irgendwelche Rechte an der Teilanmeldung an die Beschwerdeführerin übertragen, damit diese die Teilanmeldung in ihrem Namen allein verfolgen könne, ohne gegen Regel 20 EPÜ zu verstoßen, weil die Mitanmelderin zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Rechte auf das für die Erfindung 1 zu erteilende europäische Patent gehabt habe.
4. Die hier aufgeworfene Frage sei in den Richtlinien für die Prüfung nicht erwähnt, in deren im Juli 1999 und damit nach dem Anmeldetag der streitigen Teilanmeldung veröffentlichter Fassung es lediglich heiße, daß nur der registrierte Anmelder eine Teilanmeldung einreichen könne.
5. In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß den von ihrem Vertreter eingeholten Auskünften zufolge acht Vertragsstaaten des EPÜ unter bestimmten verwaltungstechnischen Voraussetzungen Teilanmeldungen zuließen, die von weniger als allen Anmeldern der Stammanmeldung eingereicht wurden. Als Beleg für die Praxis in Großbritannien legte die Beschwerdeführerin einen Auszug aus dem "Manual of Patent Practice in the UK Patent Office", dem Handbuch zur Patentpraxis des Patentamts des Vereinigten Königreichs, 5. Auflage, Mai 2003, Nummern 15.10 bis 15.34 vor und verwies insbesondere auf Nummer 15.24.
6. Nach der Entscheidung G 3/92, Nummer 3 der Entscheidungsgründe befreie die Fiktion gemäß Artikel 60 (3) EPÜ das EPA von jeglicher Verpflichtung, die Berechtigung des Anmelders zu überprüfen. Daher sei das EPA nicht befugt, der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall die Berechtigung abzusprechen, das Recht auf das europäische Patent für die streitige Teilanmeldung geltend zu machen.
7. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen seien Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung eine Befassung der Großen Beschwerdekammer rechtfertigten.
VII. In ihrem Hauptantrag beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Entscheidung der Eingangsstelle.In ihrem ersten Hilfsantrag beantragte sie, daß der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorgelegt werde:
"Wenn in einer anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung mehr als ein Anmelder genannt ist, kann dann im Namen von weniger als allen Anmeldern rechtsgültig eine Teilanmeldung eingereicht werden?"
In ihrem zweiten Hilfsantrag beantragte sie, daß der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorgelegt werde:
"Wird das EPA durch die rechtliche Fiktion gemäß Artikel 60 (3) EPÜ, wonach der Anmelder als berechtigt gilt, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen, lediglich von der Verpflichtung befreit, das Vorhandensein der Berechtigung überprüfen zu müssen?"
Entscheidungsgründe
1. Die Streitanmeldung wurde im Namen der Beschwerdeführerin - the Trustees of Dartmouth College - als europäische Teilanmeldung zur europäischen Patentanmeldung Nr. 96 921 309.9 eingereicht. Als Anmelderinnen der Stammanmeldung waren am Anmeldetag der Streitanmeldung die Beschwerdeführerin und die Nederlandse Organisatie Voor Toegepast-Natuurwetenschappelijk Onderzoek (die "Mitanmelderin") registriert.
2. Die Beschwerdeführerin hat den Standpunkt der Eingangsstelle angefochten, wonach bei mehr als einem registrierten Anmelder einer europäischen Patentanmeldung das Recht auf Einreichung einer Teilanmeldung nach Artikel 76 EPÜ nur den registrierten Anmeldern der früheren Anmeldung gemeinsam und nicht einem von ihnen allein zustehe.
2.1 Es ist richtig, daß es in den von der Beschwerdeführerin angeführten EPÜ-Vorschriften und in Artikel 4G PVÜ "der Anmelder" im Singular heißt. Dies bedeutet aber nicht, daß der Begriff so zu verstehen ist, daß er sich nur auf eine einzelne Person bezöge. Nach Auffassung der Kammer hebt er eher auf die Funktion oder den Status eines Anmelders ab als auf die genaue Zahl der Personen, die den oder die Anmelder ausmachen.
2.2 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonte die Beschwerdeführerin, daß das EPA den Begriff "Anmelder" weiter auslegen solle, und zwar so, daß er sich auf jeden der Mitanmelder einzeln beziehe, weil keine ausdrückliche Grundlage dafür gegeben sei, ihn so eng auszulegen, daß er sich auf die Anmelder gemeinsam beziehe.
Es ist zweifelhaft, ob die beiden von der Beschwerdeführerin angeführten unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten des Begriffs "Anmelder" wirklich als "eng" bzw. "weit" bezeichnet werden können. Dies ist jedoch unerheblich, weil es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach ein Begriff mangels einer bestimmten wörtlichen Bedeutung eng oder weit auszulegen ist, was immer das eine oder das andere im konkreten Fall auch bedeuten möge.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sowie in Übereinstimmung mit Artikel 31 und 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge sind, wenn Rechtsvorschriften - wie im vorliegenden Fall - zur Ermittlung ihres Sinngehalts der Auslegung bedürfen, alle anerkannten Methoden der Rechtsauslegung anzuwenden, wie sie z. B. im Wiener Übereinkommen verankert sind. Somit ist die mögliche wörtliche Bedeutung eines Begriffs nicht unbedingt entscheidend: Vielmehr muß seine Bedeutung im Zusammenhang mit der jeweiligen Rechtsvorschrift und im breiteren Kontext anderer einschlägiger Rechtsvorschriften betrachtet werden. Ebenfalls in Betracht zu ziehen sind Gegenstand und Zweck der Vorschriften sowie ihre Entstehungsgeschichte (siehe z. B. die Entscheidungsfindung der Großen Beschwerdekammer in G 3/98, ABl. EPA 2001, 62, G 2/99, ABl. EPA 2001, 83 und G 1/98, ABl. EPA 2000, 111; siehe auch G 1/83, ABl. EPA 1985, 60, T 128/82, ABl. EPA 1984, 164, Nr. 9 der Entscheidungsgründe und J 16/96, ABl. EPA 1998, 347, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
2.3 In bezug auf Artikel 4G PVÜ begründet die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen, daß im Falle mehrerer Anmelder die Verwendung des Begriffs "der Anmelder" im Singular so zu verstehen sei, daß er sich auf jeden Mitanmelder einzeln beziehe, ausschließlich damit, daß diese Begriffsinterpretation sprachlich möglich sei. Nichts in Artikel 4G PVÜ läßt jedoch darauf schließen, daß die Verwendung des Begriffs "der Anmelder" im Singular so gemeint ist, daß im Falle mehrerer Anmelder jeder Mitanmelder - einzeln und unabhängig von den übrigen Mitanmeldern - das Recht haben solle, die Anmeldung so zu teilen, daß er in seinem Namen allein eine Teilanmeldung für einen Teil des Gegenstands der ursprünglichen Anmeldung einreichen könne. Somit kann das Argument der Beschwerdeführerin nicht greifen, wonach eine Auslegung der Regel 25 EPÜ dahingehend, daß sich der Begriff "der Anmelder" im Falle mehrerer Anmelder auf diese Anmelder gemeinsam beziehe, gegen Artikel 4G PVÜ verstoße.
2.4 Es trifft zu, daß in Artikel 76 EPÜ - im Gegensatz zu Regel 25 EPÜ - der Begriff "Anmelder" nicht verwendet wird, sondern die Voraussetzungen für die Einreichung einer Teilanmeldung sprachlich in der Passivform definiert sind. Interessant festzustellen ist jedoch, daß es zu Beginn der Arbeiten am Übereinkommen - als es noch keinen Entwurf der Ausführungsordnung und somit keine Regel 25 EPÜ gab - bereits in Artikel 68 (1) EPÜ hieß: "Der Anmelder kann die europäische Patentanmeldung teilen" (Ergebnisse der zweiten Sitzung der Arbeitsgruppe "Patente" vom 3. bis 14. Juli 1961 in Brüssel, IV/4860/61-D). Wie die Beschwerdeführerin selbst betont, stützte sich der Entwurf der EPÜ-Vorschriften zu Teilanmeldungen auf Artikel 4G PVÜ. Darin wird klargestellt, daß das Recht, die Anmeldung zu teilen, dem Anmelder zusteht. Wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, ist also die heutige Fassung des Artikels 76 EPÜ in derselben Weise auszulegen, damit sie mit Artikel 4G PVÜ in Einklang steht.
Keinen anderen Schluß läßt die Tatsache zu, daß in der von der Beschwerdeführerin angeführten Passage aus den vorbereitenden Arbeiten (siehe Nr. VI.2) überhaupt nicht auf die Frage des "Anmelders" eingegangen wird, sondern ausschließlich die mit Artikel 76 (1) Satz 2 EPÜ zusammenhängenden Probleme behandelt werden, nämlich daß eine Teilanmeldung nur für einen Gegenstand eingereicht werden darf, der nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Diese Ausführungen legen nahe, daß diese Frage in der Tat ernsthafte Probleme aufwarf, die speziell Teilanmeldungen betrafen, während es andererseits keinen Grund gab, die Bedeutung des Begriffs "Anmelder" in diesem Kontext zu klären, weil die Frage mehrerer Anmelder an anderer Stelle im EPÜ behandelt wird, so z. B. in den Artikeln 59 und 118 EPÜ, auf die im folgenden eingegangen wird.
2.5.1 Artikel 59 EPÜ sieht vor, daß eine Anmeldung von gemeinsamen Anmeldern eingereicht werden kann. Aufgrund des Erfordernisses der Einheitlichkeit nach Artikel 118 EPÜ dürfen zwei oder mehr Personen, die gemeinsam eine Anmeldung einreichen, keine andere verfahrensrechtliche Stellung innehaben als ein einzelner Anmelder, weil sonst jeder von ihnen unterschiedliche und widersprüchliche Verfahrenshandlungen einschließlich der Einreichung unterschiedlicher Fassungen des zu erteilenden Patents vornehmen könnte. Daher kommt gemeinsamen Anmeldern zusammen nur die Verfahrensstellung eines einzigen Anmelders zu, d. h., sie stellen aus rechtlicher Sicht einen einzigen Verfahrensbeteiligten dar und üben die aus dieser Verfahrensstellung erwachsenden Rechte und Pflichten in bezug auf die Anmeldung gemeinsam aus. Selbst wenn zwei oder mehr Anmelder keine gemeinsamen Anmelder im Sinne des Artikels 59 EPÜ sind, sondern verschiedene Vertragsstaaten benannt haben, haben sie trotzdem dieselbe Stellung als Anmelder einer einzigen Anmeldung inne. Nach Artikel 118 EPÜ gelten auch sie als gemeinsame Anmelder, und die Einheitlichkeit der Anmeldung in diesem Verfahren bleibt unberührt. Daher können gemeinsame Anmelder nur zusammen oder durch eine Person handeln, die berechtigt ist, sie zu vertreten (siehe R. 100 EPÜ), und die rechtliche Fiktion des Artikels 60 (3) EPÜ, daß der Anmelder als berechtigt gilt, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen, bezieht sich für die Anmeldung als solche auf die gemeinsamen Anmelder zusammen. Damit gilt die rechtliche Fiktion für die Anmeldung als ganze und kann nicht geteilt werden, und dies vor allem unabhängig davon, welcher Teil der Erfindung oder - im Falle einer mehrere Erfindungen umfassenden Anmeldung - welche Erfindung materiellrechtlich gemäß Artikel 60 (1) EPÜ welchem der gemeinsamen Anmelder gehört (siehe dazu im einzelnen Nr. 2.6).
Die Beschwerdeführerin hat diese Auslegung abgelehnt, weil diese den Vorschriften eine bestimmte Bedeutung unterstelle. Dazu kann die Kammer jedoch nur, wie bereits unter Nummer 2.2 ausgeführt, anmerken, daß es die Pflicht der Kammer (und der Entscheidungsorgane) ist, die Rechtsvorschriften anzuwenden, und dies erforderlichenfalls im Wege der Auslegung.
2.5.2 Selbst wenn es solche gezielt auf Anmelder abhebende Vorschriften wie die der Artikel 59 und 118 EPÜ nicht gäbe, wäre der Entscheidung G 3/99 (ABl. EPA 2002, 347, Nr. 15 der Entscheidungsgründe) zu folgen, in der die Große Beschwerdekammer bezüglich eines von einer Gruppe von Personen gemeinsam eingelegten Einspruchs entschieden hat, daß ein gemeinsamer Einspruch nicht anders zu behandeln ist als der Einspruch einer einzelnen Partei und die Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden als Gesamtheit zu betrachten ist, d. h. als eine einzige Partei. Eine einzelne Person aus dem Kreis der gemeinsamen Einsprechenden, die nicht der gemeinsame Vertreter ist, darf demnach nicht für sich selbst auftreten oder tätig werden (Nr. 14 der Einspruchsgründe), außer um sich als gemeinsamer Beteiligter der Gruppe aus dem Verfahren zurückzuziehen (Nr. 20 der Einspruchsgründe). Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß sich dieser Entscheidung keine Hinweise auf die Stellung gemeinsamer Anmelder entnehmen ließen. Im Gegenteil: Die Große Beschwerdekammer hat es in dieser Entscheidung einzelnen Personen aus dem Kreis der gemeinsamen Einsprechenden zwar gestattet, sich einzeln aus dem Verfahren zurückzuziehen, die Stellung der gemeinsamen Einsprechenden aber der einer einzigen Partei gleichgesetzt. Die gemeinsamen Einsprechenden nehmen zusammen nur eine Position ein, nämlich die einer Verfahrenspartei, und sie können diese nur gemeinsam wahrnehmen. Daß es einem Mitglied der Gruppe gestattet wurde, sich einzeln aus der Gruppe und damit aus dem Verfahren zurückzuziehen, ändert nichts an der rechtlichen Stellung der Gruppe als gemeinsame Einsprechende als solche, d. h. daran, daß sie aus rechtlicher Sicht eine einzige Verfahrenspartei darstellt, und erklärt sich aus der Tatsache, daß es im EPÜ - anders als im Falle von Anmeldern - keine Vorschriften für die Übertragung der Verfahrensstellung eines Einsprechenden gibt.
2.6 In der mündlichen Verhandlung erkannte die Beschwerdeführerin grundsätzlich an, daß das Recht auf das europäische Patent als Frage des materiellen Rechts Gegenstand des Artikels 60 (1) EPÜ und vom formalrechtlichen (verfahrensrechtlichen) Recht auf das Patent zu unterscheiden ist, das sich aus der Stellung als registrierter Anmelder gemäß Artikel 60 (3) EPÜ ergibt.
Hinsichtlich der Bedeutung dieser Unterscheidung verwies die Kammer die Beschwerdeführerin auf Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 6. Auflage, Köln 2001, § 6, Rdn. 3 und § 7, Rdn. 5 und 6. Dagegen wandte die Beschwerdeführerin ein, daß sich die angeführten Passagen ausschließlich auf deutsches Recht bezögen. Dies ist aber nicht der Fall. In den angeführten Passagen wird Artikel 60 (1) und (3) EPÜ ausdrücklich erwähnt und festgestellt, daß diese Bestimmungen den §§ 6 Satz 1 und 7 (1) PatG entsprechen. Zudem hatte die Kammer auf diese Textstellen nur verwiesen, um die Unterscheidung zu verdeutlichen, die von der Beschwerdeführerin auch nicht in Zweifel gezogen wurde.
Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, daß der Begriff "Anmelder" in Artikel 60 (3) EPÜ im Falle gemeinsamer Anmelder so ausgelegt werden könne, daß er den gemeinsamen Anmelder meine, dem nach Artikel 60 (1) EPÜ die Erfindung gehört, auf die sich die jeweilige Verfahrenshandlung (hier: die Einreichung einer Teilanmeldung) bezieht. Die unterschiedliche Begriffswahl in Artikel 60 (1) und (3) EPÜ ("dem Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger" in Abs. 1 und "Anmelder" in Abs. 3) ist beabsichtigt und spiegelt die oben definierten verschiedenen Aspekte des gewerblichen Schutzrechts wider. Die Unterscheidung in Artikel 60 (1) EPÜ auf der einen und Artikel 60 (3) EPÜ auf der anderen Seite zwischen dem Recht auf das Patent als Frage des materiellen Rechts, das demjenigen zukommt, der die Erfindung gemacht hat, und dem verfahrensrechtlichen Recht auf das Patent, das demjenigen zusteht, der verfahrensrechtlich die Stellung des Anmelders innehat, war gewollt. Das EPA sollte nicht mit materiellrechtlichen Berechtigungsfragen befaßt werden und nicht befugt sein, über einen Rechtsstreit zu entscheiden, in dem es darum geht, ob ein bestimmter Anmelder einen Rechtsanspruch auf Anmeldung und Erteilung eines europäischen Patents für den Gegenstand einer bestimmten Anmeldung hat (G 3/92, ABl. EPA 1994, 607, Nrn. 3 ff. der Entscheidungsgründe). Solche Fragen sollten nach dem Anerkennungsprotokoll den zuständigen nationalen Behörden überlassen bleiben, insbesondere den nationalen Gerichten. In Nummer 3.3 der Entscheidungsgründe von G 3/92 betont die Große Beschwerdekammer ferner, daß ein Gericht des jeweils zuständigen Vertragsstaats das einzige Forum ist, wo der berechtigte Anmelder ein Verfahren zur Feststellung seines Anspruchs auf die Erteilung eines europäischen Patents einleiten kann.
In ihrem zweiten Hilfsantrag beantragte die Beschwerdeführerin, daß die Große Beschwerdekammer mit der Frage befaßt werde, ob das EPA durch die rechtliche Fiktion gemäß Artikel 60 (3) EPÜ lediglich von der Verpflichtung befreit werde, das Vorhandensein der Berechtigung des Anmelders nach Artikel 60 (3) EPÜ zu überprüfen.
Aus den oben zitierten Aussagen von G 3/92 wird jedoch klar, daß die Große Beschwerdekammer diese Frage bereits eindeutig dahingehend beantwortet hat, daß das EPA nicht nur nicht verpflichtet, sondern gar nicht befugt ist, Fragen der Berechtigung zu prüfen. Somit gibt es diesbezüglich weder eine bislang unbeantwortete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch voneinander abweichende Entscheidungen zweier Beschwerdekammern.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß im Falle gemeinsamer Anmelder die sich aus der Einreichung der Stammanmeldung ergebenden Verfahrensrechte den registrierten gemeinsamen Anmeldern zusammen für den gesamten Gegenstand der Anmeldung als Ganzes zustehen und keine Unterscheidung vorgenommen werden kann, welcher Person aus dem Kreis der gemeinsamen Anmelder ein bestimmter Gegenstand der Anmeldung aus materiellrechtlicher Sicht gehört.
3. In Artikel 61 EPÜ und den Vorschriften zum Rechtsübergang, nämlich Artikel 72 EPÜ in Verbindung mit Regel 20 EPÜ, sind die Bedingungen festgelegt, unter denen das EPA materiellrechtliche Fragen und Verfahrenshandlungen, die von einer anderen Person als dem registrierten Anmelder vorgenommen werden, berücksichtigen kann. Allerdings hat die Beschwerdeführerin stets daran festgehalten (siehe auch unten), daß keine dieser Vorschriften auf den vorliegenden Fall zutreffe. Ferner hat sie von Anfang an klargestellt, daß kein Mangel im Sinne der Regel 88 EPÜ vorliege und die Einreichung der streitigen Teilanmeldung in ihrem alleinigen Namen beabsichtigt gewesen sei.
4. In der von der Beschwerdeführerin angezogenen Entscheidung J 34/86 vom 15. März 1988 hat die Juristische Beschwerdekammer die Einreichung einer Anmeldung als Teilanmeldung durch eine andere Person als den registrierten Anmelder der Stammanmeldung zugelassen. Zwar hatte die Beschwerdeführerin zunächst den Standpunkt der Eingangsstelle akzeptiert, daß aus dieser Entscheidung keine Schlüsse für den vorliegenden Fall zu ziehen seien; in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer schien sie aber wieder die Auffassung zu vertreten, daß die Feststellung der Kammer in J 34/86 in irgendeiner Weise analog auf die Einreichung einer Teilanmeldung in Namen von nur einer der registrierten Anmelderinnen der Stammanmeldung im vorliegenden Fall angewendet werden könne.
Gewiß hat die Kammer seinerzeit in Nummer 3 der Entscheidungsgründe die relativ allgemeine Aussage getroffen, daß eine Teilanmeldung auch von einer anderen Person als dem Anmelder der Stammanmeldung eingereicht werden kann, und zwar auf der Grundlage einer von beiden Vertragsparteien unterzeichneten rechtsgeschäftlichen Übertragung gemäß Artikel 72 EPÜ.
Wie jedoch bereits von der Eingangsstelle festgestellt, lagen in der Sache J 34/86 ganz besondere Umstände vor. In diesem Fall war nämlich der Anmelder der Stammanmeldung von einem Gericht in den USA angewiesen worden, alle durch bestimmte Ansprüche der Stammanmeldung definierten Eigentumsrechte an der Erfindung an den Anmelder der Teilanmeldung abzutreten, und der Anmelder der Stammanmeldung hatte bereits eine entsprechende Übertragungserklärung unterschrieben. In diesem Fall war also klar, daß der Anmelder der Stammanmeldung akzeptiert hatte, daß ihm das Recht auf Patentschutz nicht für alle unter seine Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung fallenden Gegenstände zustand, und er die unter die Übertragungserklärung fallenden Gegenstände bereits aufgegeben hatte (Nr. 5 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Fall lagen keine Angaben dazu vor, was die Mitanmelderin der Stammanmeldung wohl davon hielt, daß die Beschwerdeführerin eine Teilanmeldung in ihrem alleinigen Namen für den von ihr als Erfindung 1 definierten Erfindungsgegenstand einreichte. Die Beschwerdeführerin hat noch nicht einmal vorgetragen, daß die Mitanmelderin der Stammanmeldung nichts dagegen einzuwenden hätte. Statt dessen berief sie sich während des gesamten Verfahrens darauf, daß sie berechtigt sei, eine Teilanmeldung für den Gegenstand der Erfindung 1 in ihrem alleinigen Namen einzureichen.
5. Die Kammer kann dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht folgen, daß das EPA nach Artikel 60 (3) EPÜ nicht befugt sei, ihre Berechtigung zur Einreichung der Streitanmeldung in Frage zu stellen. Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, ob die Beschwerdeführerin berechtigt war, überhaupt eine Anmeldung einzureichen, sondern darum, ob sie berechtigt war, eine Teilanmeldung in ihrem eigenen Namen allein einzureichen.
5.1 Eine Anmeldung, die als gültige Teilanmeldung anerkannt wird, erhält den Anmelde- und den Prioritätstag der Stammanmeldung. Dieser Anspruch ergibt sich ausschließlich aus Artikel 76 EPÜ. Im Gegensatz zu dem (nach Artikel 58 EPÜ jeder natürlichen oder juristischen Person zustehenden) Recht, eine "normale" Anmeldung gemäß Artikel 75 EPÜ einzureichen, für die nur die betreffenden eigenen Tage und die eigene Offenbarung in Anspruch genommen werden können, ist das Recht auf Einreichung einer Teilanmeldung gemäß Artikel 76 und Regel 25 EPÜ sowie Artikel 4G PVÜ ein Verfahrensrecht, das sich aus der Stellung des Anmelders als Anmelder der früheren Anmeldung ableitet. Es ist kein Recht, das sich aus dem in Artikel 60 (1) EPÜ definierten materiellen Recht auf die Erfindung ergibt.
Dies geht ganz klar aus Artikel 4G PVÜ hervor, wonach der Anmelder die Anmeldung teilen kann. Die Deutung des in Artikel 76 EPÜ verankerten Rechts auf Einreichung einer Teilanmeldung als Verfahrensrecht, das sich aus der Stellung als Anmelder der Stammanmeldung ergibt, steht somit voll und ganz in Einklang mit Artikel 4G PVÜ und entspricht genau dessen Wortlaut.
5.2 Ein Problem, wie es in der von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidung J 11/91 (ABl. EPA 1994, 28, Nr. 2.3.4 der Entscheidungsgründe) behandelt wurde, nämlich ob bestimmte Elemente nachgeordneter Rechtsvorschriften - z. B. die Festsetzung der Frist, innerhalb deren eine Teilanmeldung nach der damals geltenden Regel 25 EPÜ einzureichen war - mit Artikel 4G PVÜ vereinbar sind, stellt sich im vorliegenden Fall nicht.
Es trifft zu, daß sich die Kammer damals auch mit der Frage befaßte, ob die mit Regel 25 (1) EPÜ eingeführte "neue" Frist verfahrens- oder materiellrechtlichen Charakter habe. Sie erklärte, die Testfrage hierfür sei, ob "die Rechte des Anmelders durch die neue Regelung entscheidend beschnitten" würden, und kam dann zu dem Ergebnis, daß die Einführung einer Frist vor dem tatsächlichen Abschluß des Verfahrens nach ihrem Dafürhalten eine ungerechtfertigte erhebliche Beschneidung ("unjustified substantial limitation") dieses wesentlichen Rechts des Anmelders darstelle. Aus den vorangehenden Ausführungen geht klar hervor, daß die Kammer den englischen Begriff "substantial" hier nicht im Sinne von "substantive right", also im Sinne des materiellrechtlichen Rechts auf die Erfindung nach Artikel 60 (1) EPÜ, verwendet hat, sondern im Sinne von "important" (erheblich), um auszudrücken, daß die Rechte von Teilanmeldern hier anders als bei sonstigen Formerfordernissen, denen die Teilanmeldung genügen muß - z. B. Einhaltung der Fristen für die Zahlung bestimmter Gebühren -, erheblich beschnitten werden. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Passagen können nicht so ausgelegt werden, daß die Kammer in Zweifel ziehen wollte, daß es sich beim Recht auf Teilung der Anmeldung nach Artikel 4G PVÜ um ein Verfahrensrecht handelt, das sich aus der Stellung eines Anmelders als Anmelder der früheren Anmeldung ergibt.
6. Da die Teilanmeldung letztlich zu einer Aufspaltung der Stammanmeldung führt, erstreckt sich die durch die Stammanmeldung erworbene Berechtigung auf die Teilanmeldung, selbst wenn es sich dabei nach Artikel 76 EPÜ um eine weitere Anmeldung handelt. Dies bedeutet, daß sich die Rechte, die sich aus der früheren Anmeldung für die Teilanmeldung ableiten lassen, mit den am Anmeldetag der Teilanmeldung für die Stammanmeldung bestehenden Rechten decken, aber gleichzeitig auch darauf beschränkt sind (J 19/96 vom 23. April 1996, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 2.1.3 der Entscheidungsgründe). So muß nach Regel 25 (1) EPÜ die frühere Anmeldung am Anmeldetag der Teilanmeldung noch anhängig sein. Nach Artikel 76 (1) Satz 2 EPÜ darf der Gegenstand der Teilanmeldung nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen (z. B. J 19/96, a. a. O., T 873/94, ABl. EPA 1997, 456). Verzichtet der Anmelder unwiderruflich und endgültig auf Gegenstände der Stammanmeldung, so hat er weder das Recht, sie in der Stammanmeldung erneut zu beanspruchen, noch das Recht, eine Teilanmeldung für diese Gegenstände einzureichen (J 15/85, ABl. EPA 1986, 395, Nrn. 4 und 5 der Entscheidungsgründe). Nach Artikel 76 (2) EPÜ dürfen in der Teilanmeldung nur Vertragsstaaten benannt werden, die in der früheren Anmeldung benannt worden sind. Zudem müssen die jeweiligen Benennungen in der Stammanmeldung bei Einreichung der Teilanmeldung noch rechtsgültig sein (J 22/95, ABl. EPA 1998, 569, Nr. 2.6 der Entscheidungsgründe, J 19/96, Nrn. 2 ff. der Entscheidungsgründe). Daraus folgt auch, daß im Falle einer von gemeinsamen Anmeldern eingereichten Stammanmeldung eine Teilanmeldung grundsätzlich nur von allen diesen Anmeldern zusammen und nicht von einem von ihnen allein eingereicht werden kann, da jeder einzelne der gemeinsamen Anmelder der Stammanmeldung nur zusammen mit den übrigen gemeinsamen Anmeldern die Stellung einer Verfahrenspartei einnimmt und dementsprechend die damit verbundenen Verfahrensrechte nur mit ihnen zusammen wahrnehmen kann.
7. Überdies kann eine solche Auslegung des Artikels 76 EPÜ in Verbindung mit Regel 25 EPÜ, wie sie die Beschwerdeführerin unterstellt, insofern zu Ungerechtigkeiten führen, als ein Anmelder, der sich zur Einreichung einer Teilanmeldung in seinem alleinigen Namen entschließt, die anderen ohne deren Wissen oder Zustimmung ihres verfahrensrechtlichen Anspruchs berauben könnte, Mitanmelder jeder auf der Grundlage der Stammanmeldung eingereichten Teilanmeldung zu sein. Außerdem würde dadurch das in Artikel 60 (3) EPÜ verankerte Recht der anderen auf die Erteilung eines Patents für jeden in der von ihnen eingereichten Stammanmeldung ursprünglich enthaltenen Gegenstand eingeschränkt. Um dies zu vermeiden, wurden die Vorschriften und Verfahren gemäß Artikel 60 und 61 sowie Regel 20 EPÜ eingeführt und dürfen in Verfahren vor dem EPA nur die registrierten Anmelder handeln.
Da die erörterten Vorschriften genau dem Zweck dienen, daß das EPA nicht über Fragen der Berechtigung entscheiden muß, kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, daß der Anmelder in gutem Glauben handelt; ebensowenig kann berücksichtigt werden, daß die Inhaberschaft im vorliegenden Fall - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - unstrittig gewesen sein mag.
8. Das auf Regel 17 EPÜ gestützte Argument der Beschwerdeführerin wurde in der Entscheidung der Eingangsstelle zu Recht zurückgewiesen. Da die Beschwerdeführerin diese Feststellung im Beschwerdeverfahren nicht wirklich angefochten hat, muß dieser Aspekt in der Begründung der vorliegenden Entscheidung nicht weiter vertieft werden. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr sei es nicht möglich gewesen, eine Übertragungserklärung der Mitanmelderin der Stammanmeldung vorzulegen, ohne gegen Regel 20 EPÜ zu verstoßen, weil die Mitanmelderin nie ein Recht auf die in der Teilanmeldung beanspruchte Erfindung gehabt habe, stellt die Kammer fest, daß für die Eintragung eines Rechtsübergangs nach Regel 20 EPÜ ein Einverständnis des Mitanmelders, daß der andere Anmelder die Anmeldung in seinem alleinigen Namen weiterverfolgen darf, ausreichen würde.
9. In ihrem schriftlichen Vorbringen betonte die Beschwerdeführerin, daß erstmals in den Prüfungsrichtlinien in der Fassung von 1999 auf den Grundsatz verwiesen worden sei, daß das Recht auf die Einreichung einer Teilanmeldung dem Anmelder der Stammanmeldung zustehe. Aus dieser Tatsache hat die Beschwerdeführerin jedoch keine besonderen rechtlichen Schlüsse gezogen, und auch die Kammer kann keine erkennen. Die Richtlinien können und müssen auch nicht jede Rechtsfrage behandeln, die in Verfahren vor dem EPA auftreten kann.
10. Der Standpunkt der Kammer zur vorliegenden Problematik steht voll und ganz in Einklang mit den Rechtsgrundsätzen, die die Beschwerdekammern bislang in der angeführten Rechtsprechung in bezug auf Teilanmeldungen angewandt haben. Nach Auffassung der Kammer werden in der vorliegenden Entscheidung dieselben Rechtsgrundsätze auf einen weiteren Aspekt der Einreichung von Teilanmeldungen angewandt. Bei der Frage, deren Vorlage an die Große Beschwerdekammer die Beschwerdeführerin in ihrem ersten Hilfsantrag beantragt hat, handelt es sich also weder um eine bislang ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, über die die Juristische Beschwerdekammer nicht alleine entscheiden könnte, noch um eine Abweichung von der bisherigen Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern im Sinne von Artikel 112 EPÜ. Es gab somit keinen Grund, die Große Beschwerdekammer mit der von der Beschwerdeführerin in ihrem ersten Hilfsantrag formulierten Frage zu befassen.
11. Die Beschwerdeführerin brachte vor, daß acht EPÜ-Vertragsstaaten "unter bestimmten verwaltungstechnischen Voraussetzungen" die Einreichung von Teilanmeldungen durch weniger als alle Anmelder der Stammanmeldung zuließen. Abgesehen von der Tatsache, daß die Formulierung "unter bestimmten verwaltungstechnischen Voraussetzungen" sehr vage ist und alles oder nichts bedeuten kann, verweist die Kammer jedoch darauf, daß diese in einem sehr späten Verfahrensstadium, nämlich erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, vorgebrachte Behauptung nicht durch Beweismaterial erhärtet wurde.
Das einzige diesbezüglich von der Beschwerdeführerin vorgelegte Dokument ist ein Auszug aus dem "Manual of Patent Practice", 5. Auflage, Mai 2003, das die Praxis des britischen Patentamts widerspiegelt. Dort heißt es in der von der Beschwerdeführerin angeführten Nummer 15.24, daß eine Teilanmeldung vom ursprünglichen Anmelder der Stammanmeldung oder seinem Rechtsnachfolger eingereicht werden muß. Weiter wird ausgeführt, daß eine Teilanmeldung, wenn in der Stammanmeldung mehr als ein Anmelder genannt ist, auch von nur einigen Personen aus dem Kreis der ursprünglichen Anmelder eingereicht werden kann. Darin heißt es aber auch, daß Formalprüfer, wenn sich die Anmelder der Stamm- und der Teilanmeldung unterscheiden und der Grund dafür weder ersichtlich noch angegeben ist, einen Einwand erheben und die Anmeldung nicht als Teilanmeldung behandeln sollten, falls die Erfordernisse von § 15 (4) des Patentgesetzes des Vereinigten Königreichs nicht erfüllt sind. § 15 (4) lautet, insoweit er für die vorliegende Sache von Belang ist: "Wenn nach Einreichung einer Patentanmeldung und vor Erteilung des Patents vom ursprünglichen Anmelder oder seinem Rechtsnachfolger eine neue Anmeldung eingereicht wird …".
Daraus geht hervor, daß die Behauptung der Beschwerdeführerin, das britische Recht und die britische Praxis ließen "unter bestimmten verwaltungstechnischen Voraussetzungen" die Einreichung von Teilanmeldungen durch weniger als alle Anmelder der Stammanmeldung zu, selbst für Großbritannien rechtlich nicht zutreffend ist. § 15 (4) läßt die Einreichung von Teilanmeldungen durch den Rechtsnachfolger zu, und aus Nummer 15.24 des "Manual" geht klar hervor, daß der Rechtsübergang zu belegen ist. Anderenfalls kann die Anmeldung nicht als Teilanmeldung weiterverfolgt werden. Daß ein Rechtsübergang stattgefunden haben muß, ist keine verwaltungstechnische Voraussetzung, sondern ein wesentliches Verfahrenserfordernis, das jede andere Person als die Gesamtheit der Anmelder der Stammanmeldung erfüllen muß, um zur Einreichung einer Teilanmeldung in ihrem alleinigen Namen berechtigt zu sein.
Welche Erfordernisse ein Rechtsnachfolger erfüllen muß, damit er als Anmelder handeln kann, ist Sache des nationalen Rechts. Nach Regel 20 (3) EPÜ ist ein Rechtsübergang gegenüber dem EPA durch Vorlage von Urkunden nachzuweisen.
Im vorliegenden Fall beharrte die Beschwerdeführerin jedoch während des gesamten Verfahrens darauf, daß kein Rechtsübergang stattgefunden habe, sie aber selbst berechtigt gewesen sei, eine Teilanmeldung in ihrem Namen allein einzureichen. Dem von ihr vorgelegten Dokument ist nicht zu entnehmen, daß der vorliegende Rechtssachverhalt nach britischem Recht und britischer Praxis anders als nach dem Recht und der Praxis sonstiger EPÜ-Vertragsstaaten wie ein Rechtsübergang behandelt worden wäre.
12. Die Kammer gelangt daher zu dem Schluß, daß in Fällen, in denen zwei oder mehr Anmelder gemeinsam eine Anmeldung (die "frühere Anmeldung") eingereicht haben und die Erfordernisse des Artikels 61 oder der Regel 20 (3) EPÜ nicht erfüllt sind, das Recht nach Artikel 76 EPÜ, eine Teilanmeldung zur früheren Anmeldung einzureichen, nur den registrierten Anmeldern der früheren Anmeldung gemeinsam zusteht und nicht einem oder einigen von ihnen allein.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.