BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Juristischen Berschwerdekammer
Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer 3.1.1 vom 14. Juli 1997 - J 16/96
(Verfahrenssprache)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzende: | M. Aúz Castro |
Mitglieder: | B. Schachenmann |
S: Perryman |
Anmelder: N.N.
Stichwort: Zusammenschluß von Vertretern/N.N.
Artikel: 23 (3), 33 (1) b), 133, 134 EPÜ
Regel: 101, 109 (9) EPÜ
Artikel: 31 (1), 31 (3) a), 31 (4) Wiener Vertragsrechtskonvention
Schlagwort: "Parteiwechsel im Ex-parte-Beschwerdeverfahren - zulässig, wenn sachdienlich" - "Zusammenschluß von Vertretern - auch für nicht freiberuflich tätige Vertreter"
Leitsatz
Ein Zusammenschluß von Vertretern im Sinne von Regel 101(9) EPÜ kann auch von zugelassenen Vertretern gebildet werden, die nicht freiberuflich tätig sind.
Sachverhalt und Anträge
I. Mit Schreiben vom 10. Januar 1996 an das Europäische Patentamt beantragte die Firma X die Registrierung ihrer Patentabteilung als Zusammenschluß von Vertretern im Sinne von Regel 101 (9) EPÜ. Der Zusammenschluß sollte aus drei namentlich genannten, zugelassenen Vertretern bestehen, die Angestellte der erwähnten Firma sind.
II. Das Europäische Patentamt teilte der Antragstellerin am 23. Februar 1996 mit, daß ihre Patentabteilung nicht als Zusammenschluß von Vertretern registriert werden könne. Unter einem Zusammenschluß von Vertretern sei ein Zusammenschluß zu verstehen, dem nur freiberuflich tätige, zugelassene Vertreter angehörten. Dies ergebe sich aus der "Mitteilung zu Fragen der Vertretung vor dem EPA" (ABl. EPA 1979, 92). Da die Mitarbeiter der Patentabteilung einer Firma nicht als freiberufliche Vertreter zu verstehen seien, komme für sie die Eintragung als Zusammenschluß nicht in Frage.
III. Die Firma X beantragte daraufhin den Erlaß einer beschwerdefähigen Entscheidung. Diese erging am 22. April 1996. In der Begründung führte die Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts aus, die Auslegung des Begriffs "Zusammenschluß von Vertretern" als Zusammenschluß freiberuflich tätiger, zugelassener Vertreter beruhe auf einem Beschluß des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation aus dem Jahr 1978 über die Auslegung von Regel 101 (9) EPÜ. Darin werde zum Ausdruck gebracht, daß andere zugelassene Vertreter als freiberuflich tätige einem Zusammenschluß nicht angehören könnten. Der Verwaltungsrat begründe seine Rechtsauffassung mit der Intention des Gesetzgebers, der bei der Schaffung des Absatzes 9 nur freiberuflich tätige Personen im Auge gehabt habe. Er habe auch klargestellt, daß im Rahmen dieser Auslegung ein zugelassener Vertreter dann als freiberuflich tätig anzusehen sei, wenn er entweder selbst als freiberuflicher Patentanwalt tätig oder bei einem solchen angestellt sei. Zwar enthalte der Wortlaut von Regel 101 (9) EPÜ den Begriff des "freiberuflich tätigen Vertreters" nicht, sondern spreche allgemein von "Vertretern", doch sei die vom Verwaltungsrat vorgegebene Gesetzesinterpretation für das Europäische Patentamt bindend. Da die Mitarbeiter der Antragstellerin weder selbst freiberuflich tätig noch Angestellte eines freiberuflich tätigen Vertreters seien, sei ihr Antrag auf Eintragung eines Zusammenschlusses abzulehnen.
IV. Gegen diese Entscheidung legte die Antragstellerin am 29. April 1996 Beschwerde ein, die sie am 4. Juli 1996 schriftlich begründete. In der Begründung machte sie im wesentlichen folgendes geltend:
i) Wie die Rechtsabteilung des EPA selbst eingeräumt habe, enthalte Regel 101 (9) EPÜ den Begriff des "freiberuflichen Vertreters" nicht. Wesentlich sei aber, daß das Übereinkommen insgesamt den Unterschied zwischen "Vertretern" und "freiberuflichen Vertretern" nicht kenne. Der mit dem Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats eingeführte Begriff des "freiberuflichen Vertreters" entbehre jeder Grundlage im Übereinkommen. Damit würden zugelassene Vertreter, die bei einer Industriefirma tätig seien, willkürlich und ohne gesetzliche Grundlage benachteiligt. Dies könne nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben.
ii) Zunehmend seien Patentanwaltskanzleien in den Vertragsstaaten, z. B. in der Schweiz, als Aktiengesellschaften organisiert. Die dort tätigen Vertreter seien Angestellte der Aktiengesellschaft und nicht Angestellte eines freiberuflichen Vertreters, wie dies nach der Auslegung von Regel 101 (9) EPÜ durch den Verwaltungsrat für die Eintragung als Zusammenschluß verlangt werde. Dies führe dazu, daß die vom Verwaltungsrat gegebene Auslegung in diesen Fällen selbst auf freiberuflich tätige Vertreter nicht anwendbar sei.
iii) Die Firma X gehöre zum Konzern X und umfasse unter anderem auch die Patentabteilung des Konzerns. Sie halte selbst keine Patente, sondern betreue durch ihre Patentabteilung in erster Linie Patent- und Markensachen anderer Firmen des Konzerns. Zur Mandantschaft gehörten aber auch Drittfirmen, die vom Konzern X völlig unabhängig seien. Die Tätigkeit in der Patentabteilung sei somit weitgehend identisch mit derjenigen in einer sogenannt freiberuflichen Patentanwaltskanzlei. Daß die zugelassenen Vertreter Angestellte einer Aktiengesellschaft seien, dürfe nicht dazu führen, daß Ihnen die Eintragung als Zusammenschluß verweigert werde.
iv) Gerade für Patentabteilungen von Industriefirmen könne die Registrierung der dort tätigen zugelassenen Vertreter als Zusammenschluß dazu beitragen, die internen Abläufe zu vereinfachen und rechtlich klare Verhältnisse bei der Bevollmächtigung zu schaffen.
V. Mit der Ladung vom 5. Juni 1997 zur mündlichen Verhandlung wies die Kammer darauf hin, daß ein Zusammenschluß im Sinn von Regel 101 (9) EPÜ aus Vertretern, d. h. vor dem EPA vertretungsberechtigten Personen, bestehen müsse. Nach der bisherigen Korrespondenz handelten jedoch im Namen der Firma X auch Personen, die weder zugelassene Vertreter noch Mitglieder des beantragten Zusammenschlusses seien. Schon aus diesem Grund könne ein Zusammenschluß im Sinne von Regel 101 (9) EPÜ nicht im Namen der Firma X beantragt bzw. unter diesem Namen registriert werden.
VI. Mit Schreiben vom 12. Juni 1997 teilte der Vertreter der Firma X daraufhin mit, die beantragte Registrierung des Zusammenschlusses beziehe sich ausschließlich auf die drei ursprünglich genannten Personen, die alle zugelassene Vertreter seien. Das Eintragungsgesuch sei nur deshalb im Namen der Firma X gestellt worden, um damit das Einverständnis der Arbeitgeberin zu dokumentieren. Es werde jedoch nicht ausgeschlossen, daß der Antrag neu im Namen der drei beim EPA zugelassenen Vertreter von einem dieser Vertreter gestellt werde, falls die Kammer eine solche Änderung nachträglich zulasse.
VII. Am 14. Juli 1997 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Einleitend wies die Vorsitzende darauf hin, daß zunächst die Frage der Zulässigkeit eines Parteiwechsels zu klären sei. Ein solcher liege vor, wenn an die Stelle der ursprünglichen Antragstellerin, der Firma X, nunmehr die drei im ursprünglichen Antrag erwähnten zugelassenen Vertreter selbst treten sollten. Ein solcher Parteiwechsel sei einer Klageänderung vergleichbar, die nach den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts nur zulässig sei, wenn sie sachdienlich erscheine.
VIII. Der Vertreter der Firma X, einer der Mitglieder des beantragten Zusammenschlusses, stellte daraufhin in seinem Namen - A, Reg.-Nr. xx xxx - sowie im Namen der zugelassenen Vertreter B, Reg.-Nr. xx xxx, C, Reg.-Nr. xx xxx, den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die genannten Personen unter der Bezeichnung "Konzernstab Patente X", c/o Firma X, Adresse, als Zusammenschluß einzutragen.
Der mit diesem Antrag verbundene Parteiwechsel sei sachdienlich, da mit seiner Zulassung eine Wiederholung des Verfahrens mit den neuen Antragstellern vermieden werde.
Zur Sache führte der Vertreter aus, die vor etwa 10 Jahren eingeleitete Umstrukturierung der Firma X habe zur Schaffung einer Vielzahl von Tochterfirmen mit eigener Rechtspersönlichkeit geführt, was die Verwaltung von Vollmachten in der Patentabteilung stark erschwert habe. Die nach Regel 101 (9) EPÜ vorgesehene Bevollmächtigung eines Zusammenschlusses von Vertretern sei für eine Konzern-Patentabteilung ein geeignetes Mittel, um hier eine Vereinfachung zu erzielen. Insofern bestehe kein Unterschied mehr zu einer herkömmlichen Patentanwaltskanzlei. Im Gegensatz zu einer solchen gebe es nicht einmal ein Risiko, daß es beim Ausscheiden eines Mitglieds des Zusammenschlusses zu Auseinandersetzungen über die Zuordnung von Klienten komme. Insgesamt erweise sich deshalb die von Regel 101 (9) EPÜ vorgesehene Möglichkeit der Bevollmächtigung eines Zusammenschlusses von Vertretern gerade für Industrie-Patentabteilungen in ihrer heutigen Form als besonders geeignet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts, mit welcher der Antrag der Firma X auf Registrierung dreier ihrer Angestellten als Zusammenschluß von Vertretern unter dem Namen der Firma X zurückgewiesen wurde. Durch diese Entscheidung beschwert war die ursprüngliche Antragstellerin. Diese hat die Beschwerde frist- und formgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist damit zulässig.
Im Lauf des Beschwerdeverfahrens sind die Anträge so geändert worden, daß die drei bei der Firma X angestellten Vertreter nunmehr selbst Antragssteller für die Registrierung als Zusammenschluß sind. Die Kammer läßt den damit verbundenen Parteiwechsel im vorliegenden Verfahren zu. Er erscheint aus Gründen der Verfahrensökonomie sachdienlich, weil damit eine Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens aus rein formellen Gründen vermieden werden kann. Im übrigen sind im vorliegenden, einseitigen Verfahren keine weiteren Verfahrensbeteiligten vom Parteiwechsel betroffen.
2. Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf die Interpretation der Bestimmung von Regel 101 (9) EPÜ durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation an seiner vierten Tagung vom 19. - 21. Dezember 1978 (vgl. Dok. CA/PV 4). Nach einem an dieser Tagung getroffenen Beschluß des Verwaltungsrats ist unter einem Zusammenschluß von Vertretern ein Zusammenschluß zu verstehen, dem nur freiberuflich tätige zugelassene Vertreter angehören. Die erste Instanz hat diese Auslegung für sich als bindend angesehen. Es stellt sich zunächst die Frage, ob dies auch für die Beschwerdekammern gilt.
2.1 Der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation ist gemäß Artikel 33 (1) b) EPÜ befugt, die Ausführungsordnung zu ändern. Andererseits enthält das Übereinkommen keine ausdrückliche Ermächtigung des Verwaltungsrats, allgemein verbindliche Beschlüsse zur Auslegung des Übereinkommens zu treffen. Im Recht der Internationalen Organisationen ist der Grundsatz anerkannt, daß Organe, die zur Setzung von internem Recht befugt sind, im entsprechenden Umfang auch ein Recht zur Auslegung desselben für sich in Anspruch nehmen können (vgl. Seidl-Hohenveldern, Das Recht der Internationalen Organisationen (...), 5. Aufl., S. 233, Rz. 1614). Soweit der Auslegungsbeschluß - wie im vorliegenden Fall - eine Bestimmung der Ausführungsordnung betrifft, hat der Verwaltungsrat innerhalb dieser Befugnis gehandelt. Die Beschwerdeführer haben dies auch nicht bestritten.
2.2 Damit ist allerdings die Frage nach der Verbindlichkeit solcher Beschlüsse des Verwaltungsrats für die Beschwerdekammern noch nicht beantwortet. Die Beschwerdekammern sind gemäß dem Übereinkommen (Artikel 106 ff. EPÜ) dazu berufen, im konkreten Einzelfall als richterliche Instanz über Beschwerden zu befinden. Dazu gehört insbesondere die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens einschließlich der Ausführungsordnung und der Protokolle (Artikel 164 (1) EPÜ). Die hierfür erforderliche Unabhängigkeit des Richters ist in Artikel 23 (3) EPÜ niedergelegt, wonach die Mitglieder der Kammern für ihre Entscheidungen an Weisungen nicht gebunden und nur dem Übereinkommen unterworfen sind.
Aus diesem Grunde besteht weder eine formelle Bindung der Beschwerdekammern an einen Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats, noch kann ein solcher Beschluß als Weisung für ihre Entscheidungen verstanden werden.
2.3 Andererseits haben die Beschwerdekammern bei der Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens alle relevanten Auslegungselemente zu beachten. Dazu gehört im vorliegenden Fall auch der genannte Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats. Wenn die Beschwerdekammer auch nicht an diesen Beschluß gebunden ist, so kann er doch im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden.
3. Für die Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens sind nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention vom 22. Mai 1969 anzuwenden (vgl. G 1/83, ABl. EPA 1985, 60, sowie Mitteilung über "Die Auslegung internationaler Verträge (...)", ABl. EPA 1984, 192). Gemäß der allgemeinen Auslegungsregel von Artikel 31 (1) der Konvention ist das Übereinkommen "nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen". In gleicher Weise ist nach Artikel 31 (3) a) der Konvention "jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen" zu berücksichtigen.
Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats bei der Auslegung der Bestimmungen von Regel 101 (9) EPÜ zukommt.
3.1 Zunächst ist festzuhalten, daß Regel 101 (9) EPÜ nicht Bestandteil des am 5. Oktober 1973 auf der Münchner Konferenz unterzeichneten Übereinkommens war, sondern nachträglich durch Beschluß des Verwaltungsrat vom 20. Oktober 1977 in das Übereinkommen eingefügt wurde, um am 1. Februar 1978 in Kraft zu treten. Noch später wurde dann vom Verwaltungsrat der erwähnte Beschluß zur Auslegung dieser Bestimmung gefaßt (vgl. oben Ziff. 2). Weder die Regel 101 (9) EPÜ selbst noch der Auslegungsbeschluß gehen damit auf eine Übereinkunft der Vertragsstaaten zurück, sondern stellen von der Europäischen Patentorganisation selbst geschaffenes Recht dar. Insofern sind die Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention im vorliegenden Fall nur mutatis mutandis anwendbar.
3.2 Dem Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats kommt dabei im wesentlichen dieselbe Bedeutung zu, wie nach der Wiener Vertragsrechtskonvention einer späteren Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (Artikel 31 (3) a) der Konvention). Damit tritt der Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats in seiner Bedeutung für die Auslegung von Regel 101 (9) EPÜ gleichwertig neben die allgemeine Auslegungsregel von Artikel 31 (1) der Konvention (vgl. oben Ziff. 3).
3.3 Nicht anwendbar ist im vorliegenden Fall die Auslegungsregel von Artikel 31 (4) der Wiener Vertragsrechtskonvention. Danach ist einem Ausdruck eine besondere Bedeutung beizulegen, wenn feststeht, daß die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Auf Grund der vorbereitenden Arbeiten bei der Schaffung von Regel 101 (9) EPÜ läßt sich jedoch bezüglich des fraglichen Ausdrucks eine solche eindeutige Absicht aller Beteiligten nicht erkennen (vgl. unten Ziff. 4.4).
4. In Anwendung der oben erläuterten Auslegungsregeln kommt die Kammer im vorliegenden Fall zu folgenden Schlüssen:
4.1 Regel 101 (9) EPÜ gehört in den systematischen Zusammenhang der Artikel 133 und 134 EPÜ, welche die Vertretung in den durch das Übereinkommen geschaffenen Verfahren betreffen. Darin ist insbesondere vorgesehen, daß die Vertretung natürlicher oder juristischer Personen in Verfahren vor dem Europäischen Patentamt im Grundsatz nur durch "zugelassene Vertreter" wahrgenommen werden kann (Artikel 134 (1) EPÜ), wobei aber unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsanwälte den zugelassenen Vertretern gleichgestellt sind (Artikel 134 (7) EPÜ). Angestellte, die nicht zugelassene Vertreter sind, bilden eine gesonderte Gruppe, denn sie können nicht als Vertreter handeln.
Mit dem Begriff des "zugelassenen Vertreters" wird somit eine Berufsgruppe bezeichnet, deren Mitglieder alle gleichermaßen berechtigt sind, in den durch das EPÜ geschaffenen Verfahren für Dritte aufzutreten (Artikel 134 (4) EPÜ), und zwar unabhängig davon, ob sie freiberuflich tätig oder bei der Patentabteilung einer Firma angestellt sind. Diese Gleichstellung drückt sich auch in den Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (VDV) aus, die der Verwaltungsrat gestützt auf Artikel 134 (8) c) EPÜ erlassen hat. Die dort statuierten beruflichen Regeln gelten für alle zugelassenen Vertreter. Im Falle der Verletzung dieser Regeln sind sie denn auch denselben Disziplinarmaßnahmen unterworfen (Artikel 4 VDV).
4.2 Den Artikeln 133 und 134 EPÜ zugeordnet sind die Regeln 100 bis 103 der Ausführungsordnung. Regel 101 EPÜ enthält Vorschriften über die Bevollmächtigung der Vertreter vor dem Europäischen Patentamt. In den Bestimmungen dieser Regel ist der Begriff "Vertreter" nicht auf zugelassene Vertreter beschränkt. Dies ergibt sich daraus, daß die in Regel 101 EPÜ statuierte Pflicht zur Einreichung von Vollmachten anerkanntermaßen auch vertretungsberechtigte Rechtsanwälte trifft (vgl. Beschluß des Präsidenten des EPA vom 19. Juli 1991 über die Einreichung von Vollmachten, ABl. EPA 1991, 489). Es findet sich jedoch in den Bestimmungen von Regel 101 EPÜ ebensowenig eine Unterscheidung zwischen freiberuflich tätigen Vertretern und anderen, wie in den übergeordneten Artikeln 133 und 134 EPÜ.
4.3 Diese Feststellungen treffen insbesondere auch auf Absatz 9 von Regel 101 EPÜ zu.
Inhaltlich geht es in Regel 101 (9) EPÜ darum, daß ein Vollmachtgeber, statt mehrere Vertretungsberechtigte einzeln zu bevollmächtigen, diese als Zusammenschluß bevollmächtigen kann. Damit wird selbstverständlich nicht der Zusammenschluß vertretungsberechtigt, sondern ausschließlich seine einzelnen Mitglieder. Eine Gefahr des Mißbrauchs besteht dabei nicht, solange gemäß der bisherigen Amtspraxis sichergestellt ist, daß alle unter dem Zusammenschluß im Geschäftsverkehr handelnden Personen vor dem EPA vertretungsberechtigt sind und der Vollmachtgeber über die Zusammensetzung des Zusammenschlusses nicht getäuscht wird. Diese Bedingungen lassen sich unabhängig davon erfüllen, ob die Mitglieder des Zusammenschlusses freiberuflich tätig sind oder nicht. Sind sie erfüllt, kann es deshalb auf die genannte Unterscheidung ebensowenig ankommen wie bei der Erteilung einer Einzelvollmacht.
Die bisherige Amtspraxis, Regel 101 (9) EPÜ nur auf zugelassene Vertreter anzuwenden, die "freiberuflich tätig" sind, findet keine Grundlage im Übereinkommen.
4.4 Diese Auslegung von Regel 101 (9) EPÜ steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Ziel des Übereinkommens, den Patentschutz in den Vertragsstaaten durch ein einheitliches Patenterteilungsverfahren zu erreichen (vgl. Präambel des Übereinkommens). Wie schon bei der Schaffung von Regel 101 (9) EPÜ festgestellt wurde, sollte diese Bestimmung für verschiedene Länder mit unterschiedlichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und abweichenden Traditionen anwendbar sein, in denen sich die Vertreter häufig in anderer Form zusammengeschlossen haben, z. B. in Form von Gesellschaften.
Im Hinblick darauf wurden die in Regel 101 (9) EPÜ ursprünglich vorgesehenen Ausdrücke "Sozietät" bzw. "partnership" ersetzt durch die allgemeineren Begriffe "Zusammenschluß von Vertretern" bzw. "association of representatives". Die französischsprachige Fassung "groupement de mandataires" blieb ungeändert (vgl. dazu Dok. CI/GT VI/166d/77 vom 20. April 1977). Auf diesem Hintergrund besteht also keine Veranlassung, den Begriff "Zusammenschluß von Vertretern" einschränkend auszulegen.
5. Trotz des bisher eindeutigen Zwischenergebnisses der Auslegung von Regel 101 (9) EPÜ ist in diesem Zusammenhang auch der Auslegungsbeschluß des Verwaltungsrats zu berücksichtigen (vgl. oben Ziff. 3.2).
5.1 Dieser geht zurück auf einen Vorschlag des Präsidenten des Europäischen Patentamts an den Verwaltungsrat aus dem Jahr 1978, die Regel 101 (9) EPÜ zu streichen (vgl. Dok. CA/55/78). Der hauptsächliche Grund für diesen Vorschlag bestand darin, daß innerhalb des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter unterschiedliche Auffassungen darüber bestanden, nach welchen Kriterien beurteilt werden solle, ob eine Sozietät ein Zusammenschluß von Vertretern sei und ob eine Firma bzw. die Patentabteilung einer Firma als Zusammenschluß von Vertretern angesehen werden könne. Insbesondere wurden Bedenken geäußert, daß Regel 101 (9) EPÜ zu einer Umgehung des Vertreterzwangs (Artikel 133 (2) EPÜ) mißbraucht werden könnte.
Im Hinblick auf diese Bedenken stellt die Kammer fest, daß ein solcher Mißbrauch von Regel 101 (9) EPÜ auch bei Wegfall der Beschränkung auf "freiberuflich tätige" Vertreter nicht zu befürchten ist, solange die oben genannten Voraussetzungen für einen Zusammenschluß von Vertretern vorliegen (vgl. Ziff. 4.3). Eine Umgehung des Vertreterzwangs gemäß Artikel 133 (2) EPÜ ist dabei ausgeschlossen, da die notwendige Vertretungsberechtigung jedes der Mitglieder eines Zusammenschlusses - ob "freiberuflich tätig" oder nicht - einen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in einem Vertragsstaat voraussetzt (vgl. Regel 102 (2) c) EPÜ).
5.2 Der Verwaltungsrat lehnte den erwähnten Vorschlag des Präsidenten auf Streichung von Regel 101 (9) EPÜ an seiner 4. Tagung vom Dezember 1978 mit qualifizierter Mehrheit ab. Fest steht damit, daß der Verwaltungsrat an Regel 101 (9) EPÜ in ihrem bisherigen Wortlaut festhalten wollte.
Er kam jedoch überein, den erwähnten Auslegungsbeschluß zu erlassen, der noch während der Tagung von einer Ad-hoc-Gruppe ausgearbeitet wurde (vgl. oben Ziff. 2). Damit sollten in erster Linie Unklarheiten bei der Anwendung von Regel 101 (9) EPÜ beseitigt werden.
5.3 Die Beschwerdeführer haben dargelegt, daß dies zumindest aus heutiger Sicht nicht gelungen ist. Zunehmend treten nämlich Mischformen zwischen den klassischen Patentanwaltssozietäten und Industriepatentabteilungen auf, und zwar sowohl hinsichtlich der Rechtsform als auch der Art der Tätigkeit. Auf Grund dieses Umstands scheint das Kriterium der freiberuflichen Tätigkeit heute eher zu zusätzlichen Abgrenzungsfragen als zur Beseitigung von Unklarheiten zu führen.
5.4 Im Lichte dieser Feststellungen tritt die Bedeutung des Auslegungsbeschlusses des Verwaltungsrats gegenüber den übrigen Auslegungselementen zurück. Diese sprechen aber deutlich für die von den Beschwerdeführern vertretene Auslegung, wonach ein Zusammenschluß von Vertretern nach Regel 101 (9) EPÜ nicht auf zugelassene Vertreter beschränkt ist, die freiberuflich tätig sind.
6. Die von den Beschwerdeführern, die alle zugelassene Vertreter sind, beantragte Eintragung als Zusammenschluß unter dem Namen "Konzernstab Patente X", c/o Firma X , Adresse, erfüllt deshalb die Voraussetzungen von Regel 101 (9) EPÜ. Die Kammer hat sich in der mündlichen Verhandlung durch entsprechende Erklärung eines der Mitglieder des Zusammenschlusses davon überzeugt, daß unter dem Namen "Konzernstab Patente X" ausschließlich die drei genannten zugelassenen Vertreter im Geschäftsverkehr handeln. Es besteht damit ausreichende Gewißheit, daß der Kreis der unter diesem Namen als Zusammenschluß bevollmächtigten Vertreter für jeden Vollmachtgeber ohne weiteres erkennbar ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Rechtsabteilung wird aufgehoben.
2. Der Zusammenschluß der zugelassenen Vertreter A, B und C unter dem Namen Konzernstab Patente X, c/o Firma X, Adresse, wird bestätigt.
3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, den Zusammenschluß gemäß Ziffer 2 in das Patentregister einzutragen.