VERWALTUNGSRAT
Beschlüsse des Verwaltungsrats
Beschluß des Verwaltungsrats vom 14. Juni 1996 zur Änderung der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen
DER VERWALTUNGSRAT DER EUROPÄISCHEN PATENTORGANISATION -
gestützt auf das Europäische Patentübereinkommen ("EPÜ"), insbesondere auf Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe b,
auf Vorschlag des Präsidenten des Europäischen Patentamts,
nach Stellungnahme des Ausschusses "Patentrecht" -
BESCHLIESST:
Artikel 1
Die Regeln 28 und 28a EPÜ erhalten folgende Fassung:
Hinterlegung von biologischem Material
(1) Wird bei einer Erfindung biologisches Material verwendet oder bezieht sie sich auf biologisches Material, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und in der europäischen Patentanmeldung nicht so beschrieben werden kann, daß ein Fachmann die Erfindung danach ausführen kann, so gilt die Erfindung nur dann als gemäß Artikel 83 offenbart, wenn
a) eine Probe des biologischen Materials spätestens am Anmeldetag bei einer anerkannten Hinterlegungsstelle hinterlegt worden ist,
b) die Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung die dem Anmelder zur Verfügung stehenden maßgeblichen Angaben über die Merkmale des biologischen Materials enthält,
c) die Hinterlegungsstelle und die Eingangsnummer des hinterlegten biologischen Materials in der Anmeldung angegeben sind und
d) - falls das biologische Material nicht vom Anmelder hinterlegt wurde - Name und Anschrift des Hinterlegers in der Anmeldung angegeben sind und dem Europäischen Patentamt durch Vorlage von Urkunden nachgewiesen wird, daß der Hinterleger den Anmelder ermächtigt hat, in der Anmeldung auf das hinterlegte biologische Material Bezug zu nehmen, und vorbehaltlos und unwiderruflich seine Zustimmung erteilt hat, daß das von ihm hinterlegte Material nach Maßgabe dieser Regel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
(2) Die in Absatz 1 Buchstaben c und gegebenenfalls d genannten Angaben können nachgereicht werden
a) innerhalb von sechzehn Monaten nach dem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, nach dem Prioritätstag; die Frist gilt als eingehalten, wenn die Angaben bis zum Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung mitgeteilt werden,
b) bis zum Tag der Einreichung eines Antrags auf vorzeitige Veröffentlichung der Anmeldung,
c) innerhalb eines Monats, nachdem das Europäische Patentamt dem Anmelder mitgeteilt hat, daß ein Recht auf Akteneinsicht nach Artikel 128 Absatz 2 besteht.
Maßgebend ist die Frist, die zuerst abläuft. Die Mitteilung dieser Angaben gilt vorbehaltlos und unwiderruflich als Zustimmung des Anmelders, daß das von ihm hinterlegte biologische Material nach Maßgabe dieser Regel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
(3) Vom Tag der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung an ist das hinterlegte biologische Material jedermann und vor diesem Tag demjenigen, der das Recht auf Akteneinsicht nach Artikel 128 Absatz 2 hat, auf Antrag zugänglich. Vorbehaltlich Absatz 4 wird der Zugang durch Herausgabe einer Probe des hinterlegten biologischen Materials an den Antragsteller hergestellt.
Die Herausgabe erfolgt nur, wenn der Antragsteller sich gegenüber dem Anmelder oder Patentinhaber verpflichtet hat, das biologische Material oder davon abgeleitetes biologisches Material Dritten nicht zugänglich zu machen und es lediglich zu Versuchszwecken zu verwenden, bis die Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt oder das europäische Patent in allen benannten Vertragsstaaten erloschen ist, sofern der Anmelder oder Patentinhaber nicht ausdrücklich darauf verzichtet.
Die Verpflichtung, das biologische Material nur zu Versuchszwecken zu verwenden, ist hinfällig, soweit der Antragsteller dieses Material aufgrund einer Zwangslizenz verwendet. Unter Zwangslizenzen sind auch Amtslizenzen und Rechte zur Benutzung einer patentierten Erfindung im öffentlichen Interesse zu verstehen.
(4) Bis zum Abschluß der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der Anmeldung kann der Anmelder dem Europäischen Patentamt mitteilen, daß der in Absatz 3 bezeichnete Zugang
a) bis zu dem Tag, an dem der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents bekanntgemacht wird, oder gegebenenfalls
b) für die Dauer von zwanzig Jahren ab dem Anmeldetag der Patentanmeldung, falls diese zurückgewiesen oder zurückgenommen worden ist oder als zurückgenommen gilt, nur durch Herausgabe einer Probe an einen vom Antragsteller benannten Sachverständigen hergestellt wird.
(5) Als Sachverständiger kann benannt werden:
a) jede natürliche Person, sofern der Antragsteller bei der Einreichung des Antrags nachweist, daß die Benennung mit Zustimmung des Anmelders erfolgt,
b) jede natürliche Person, die vom Präsidenten des Europäischen Patentamts als Sachverständiger anerkannt ist.
Zusammen mit der Benennung ist eine Erklärung des Sachverständigen einzureichen, in der er die in Absatz 3 vorgesehenen Verpflichtungen gegenüber dem Anmelder bis zum Erlöschen des europäischen Patents in allen benannten Vertragsstaaten oder - falls die Patentanmeldung zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt - bis zu dem in Absatz 4 Buchstabe b vorgesehenen Zeitpunkt eingeht, wobei der Antragsteller als Dritter anzusehen ist.
(6) Im Sinne dieser Regel gilt
a) als biologisches Material jedes Material, das genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann;
b) als abgeleitetes biologisches Material im Sinne des Absatzes 3 jedes Material, das noch die für die Ausführung der Erfindung wesentlichen Merkmale des hinterlegten Materials aufweist. Die in Absatz 3 vorgesehenen Verpflichtungen stehen einer für die Zwecke von Patentverfahren erforderlichen Hinterlegung eines abgeleiteten biologischen Materials nicht entgegen.
(7) Der in Absatz 3 vorgesehene Antrag ist beim Europäischen Patentamt auf einem von diesem Amt anerkannten Formblatt einzureichen. Das Europäische Patentamt bestätigt auf dem Formblatt, daß eine europäische Patentanmeldung eingereicht worden ist, die auf die Hinterlegung des biologischen Materials Bezug nimmt, und daß der Antragsteller oder der von ihm benannte Sachverständige Anspruch auf Herausgabe einer Probe dieses Materials hat. Der Antrag ist auch nach Erteilung des europäischen Patents beim Europäischen Patentamt einzureichen.
(8) Das Europäische Patentamt übermittelt der Hinterlegungsstelle und dem Anmelder oder Patentinhaber eine Kopie des Antrags mit der in Absatz 7 vorgesehenen Bestätigung.
(9) Der Präsident des Europäischen Patentamts veröffentlicht im Amtsblatt des Europäischen Patentamts das Verzeichnis der Hinterlegungsstellen und Sachverständigen, die für die Anwendung dieser Regel anerkannt sind.
Erneute Hinterlegung von biologischem Material
(1) Ist nach Regel 28 Absatz 1 hinterlegtes biologisches Material bei der Stelle, bei der es hinterlegt worden ist, nicht mehr zugänglich, weil
a) das biologische Material nicht mehr lebensfähig ist oder
b) die Hinterlegungsstelle aus anderen Gründen zur Abgabe von Proben nicht in der Lage ist, und ist keine Probe des biologischen Materials an eine andere für die Anwendung der Regel 28 anerkannte Hinterlegungsstelle weitergeleitet worden, bei der dieses Material weiterhin zugänglich ist, so gilt die Unterbrechung der Zugänglichkeit als nicht eingetreten, wenn das ursprünglich hinterlegte biologische Material innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erneut hinterlegt wird, an dem dem Hinterleger von der Hinterlegungsstelle diese Unterbrechung mitgeteilt wurde, und dem Europäischen Patentamt innerhalb von vier Monaten nach dem Tag der erneuten Hinterlegung eine Kopie der von der Hinterlegungsstelle ausgestellten Empfangsbescheinigung unter Angabe der Nummer der europäischen Patentanmeldung oder des europäischen Patents übermittelt wird.
(2) Die erneute Hinterlegung ist im Fall von Absatz 1 Buchstabe a bei der Hinterlegungsstelle vorzunehmen, bei der die ursprüngliche Hinterlegung vorgenommen wurde; sie kann in den Fällen des Absatzes 1 Buchstabe b bei einer anderen für die Anwendung der Regel 28 anerkannten Hinterlegungsstelle vorgenommen werden.
(3) Ist die Hinterlegungsstelle, bei der die ursprüngliche Hinterlegung vorgenommen wurde, für die Anwendung der Regel 28 entweder insgesamt oder für die Art des biologischen Materials, zu der die hinterlegte Probe gehört, nicht mehr anerkannt oder hat sie die Erfüllung ihrer Aufgaben in bezug auf hinterlegtes biologisches Material vorübergehend oder endgültig eingestellt und erfolgt die in Absatz 1 genannte Mitteilung der Hinterlegungsstelle nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Eintritt dieses Ereignisses, so beginnt die in Absatz 1 genannte Dreimonatsfrist zu dem Zeitpunkt, in dem der Eintritt dieses Ereignisses im Amtsblatt des Europäischen Patentamts veröffentlicht wurde.
(4) Jeder erneuten Hinterlegung ist eine vom Hinterleger unterzeichnete Erklärung beizufügen, in der bestätigt wird, daß das erneut hinterlegte biologische Material dasselbe wie das ursprünglich hinterlegte ist.
(5) Wird die erneute Hinterlegung nach dem Budapester Vertrag über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren vom 28. April 1977 vorgenommen, so gehen die Vorschriften dieses Vertrages vor.
Artikel 2
Dieser Beschluß tritt am 1. Oktober 1996 in Kraft.
Geschehen zu Berlin am 14. Juni 1996
Für den Verwaltungsrat
Der Präsident
Julián ÁLVAREZ ÁLVAREZ