MITTEILUNGEN DES EPA
Mitteilung vom 1. Juni 1995 über die Änderung des Europäischen Patentübereinkommens, der Ausführungsordnung und der Gebührenordnung
Durch Beschluß vom 13. Dezember 1994 (vgl. ABl. EPA 1995, 9) hat der Verwaltungsrat Änderungen des Übereinkommens, der Ausführungsordnung und der Gebührenordnung beschlossen.
Die Änderungen zielen im wesentlichen auf Vereinfachung und Straffung der Verfahren vor dem EPA ab. Einige der Änderungen haben auch rechtsbereinigenden und klarstellenden Charakter. Die neugefaßten bzw. neu in die Ausführungsordnung aufgenommenen Regelungen sind nachstehend erläutert. Soweit die Richtlinien für die Prüfung im EPA an die neuen Vorschriften anzupassen waren, sind die geänderten Richtlinien ebenfalls wiedergegeben (siehe unten S. 424).
Die Änderungen der Ausführungsordnung und der Gebührenordnung sind am 1. Juni 1995 in Kraft getreten. Die geänderten Vorschriften gelten für alle Verfahren, die zu diesem Zeitpunkt anhängig sind. Die Neufassung von Artikel 65 Absatz 1 Satz 2 EPÜ tritt am 1. Januar 1996 in Kraft.
I. Änderung des Übereinkommens
Mindestfrist für die Einreichung der Übersetzung der europäischen Patentschrift
Artikel 65 (1) Satz 2 EPÜ erhielt folgende Fassung:
(1) ... Die Frist für die Einreichung der Übersetzung endet drei Monate, nachdem der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents oder die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geändertem Umfang im Europäischen Patentblatt bekanntgemacht worden ist, sofern nicht der betreffende Staat eine längere Frist vorschreibt.
1. Es ist zweckmäßig, der bestehenden Praxis der Staaten1 zu folgen und die für die Vorlage der nationalen Übersetzungen vorzusehende Mindestfrist in Artikel 65 (1) Satz 2 auf drei Monate ab Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents festzulegen.
2. Damit wird einerseits der komplizierte Ausgangspunkt für die Fristberechnung in Artikel 65 beseitigt (Frist für die Zahlung der Erteilungsgebühr) und andererseits ein Mindestzeitraum zwischen Erteilung und Vorlage der Übersetzung festgeschrieben, der dem Anmelder eine ausreichende Reaktionszeit gibt.
3. Die Neufassung von Artikel 65 schreibt darüber hinaus das Ergebnis der hier erreichten Harmonisierung fest und macht es auch für Staaten verbindlich, die dem EPÜ künftig beitreten.
II. Änderung der Ausführungsordnung
Eintragung von Rechtsübergängen
Regel 20 EPÜ erhielt folgende Fassung:
Eintragung von Rechtsübergängen
(1) Ein Rechtsübergang der europäischen Patentanmeldung wird auf Antrag eines Beteiligten in das europäische Patentregister eingetragen, wenn er dem Europäischen Patentamt durch Vorlage von Urkunden nachgewiesen wird.
(2) Der Eintragungsantrag gilt erst als gestellt, wenn eine Verwaltungsgebühr entrichtet worden ist. Er kann nur zurückgewiesen werden, wenn die in Absatz 1 vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
(3) Ein Rechtsübergang wird dem Europäischen Patentamt gegenüber und nur insoweit wirksam, als er ihm durch Vorlage von Urkunden nach Absatz 1 nachgewiesen wird.
1. Ein Rechtsübergang der europäischen Patentanmeldung war bislang durch Vorlage förmlicher Urkunden nachzuweisen, wenn die Eintragung in das europäische Patentregister beantragt wurde. Das EPÜ-Verfahren war für den Anmelder und das Amt erheblich aufwendiger als die PCT-Lösung (Regel 92 bis.1 PCT). Diese Urkunden waren oft schwer zu beschaffen und konnten der Eintragung nicht immer ohne weiteres zugrunde gelegt werden (z. B. weil zu prüfen war, welche Teile eines umfassenden Fusions- oder Gesellschaftsvertrags einschlägig sind).
2. Mit der Neufassung wird der Nachweis von Rechtsübergängen erleichtert und an die im PCT geltende Regelung angenähert. Statt der bisher erforderlichen förmlichen Übertragungsurkunden wird in Zukunft für die Zwecke des Registers jeder schriftliche Nachweis des Rechtsübergangs zugelassen, z. B. und vor allem eine Erklärung des bisher eingetragenen Rechtsinhabers, daß er der Eintragung des neuen Rechtsinhabers zustimmt. Damit wird im Regelfall die Beschaffung und Prüfung der bislang erforderlichen Urkunden überflüssig, ohne daß es dem EPA in Zweifelsfällen verwehrt wäre, die Eintragung von der Vorlage solcher Urkunden abhängig zu machen. Die für die Praxis wichtige Gewähr der Richtigkeit des europäischen Patentregisters bleibt so gewahrt.
3. Die Voraussetzungen für die materiellrechtliche Wirksamkeit von Rechtsübergängen (vgl. Art. 72 EPÜ) werden durch die Neufassung nicht berührt.
4. Das Verfahren nach Regeln 20 - 22 EPÜ wird im neuen Abschnitt E-XIII der Prüfungsrichtlinien näher erläutert.
Einheiten im Meßwesen
Regel 35 (12) EPÜ erhielt folgende Fassung:
(12) Physikalische Größen sind in den in der internationalen Praxis anerkannten Einheiten anzugeben, soweit zweckdienlich nach dem metrischen System unter Verwendung der SI-Einheiten. Soweit Angaben diesem Erfordernis nicht genügen, sind die in der internationalen Praxis anerkannten Einheiten zusätzlich anzugeben. Für mathematische Formeln sind die allgemein üblichen Schreibweisen und für chemische Formeln die allgemein üblichen Symbole, Atomgewichte und Molekularformeln zu verwenden. Grundsätzlich sind nur solche technische Bezeichnungen, Zeichen und Symbole zu verwenden, die auf dem Fachgebiet allgemein anerkannt sind.
1. Nach der bisherigen Praxis des EPA waren die in den EU-Staaten verbindlich vorgeschriebenen Einheiten im Meßwesen zu verwenden (SI-Einheiten, EG-Richtlinie 76/770/EWG). Dies wurde auf Regel 35 (12) Satz 3 gestützt, wonach die in der internationalen Praxis anerkannten Einheiten für physikalische Bezeichnungen zu verwenden sind.
2. Die Entscheidung T 561/91 der Kammer 3.3.3 vom 5.12.1991 (ABl. 1993, 736) hat eine Verpflichtung zur Verwendung von SI-Einheiten verneint, da Regel 35 (12) Satz 1 auch andere metrische Einheiten erlaube. Dieselbe Kammer hat in T 589/89 vom 5.2.1992 den gegenteiligen Standpunkt vertreten, da Regel 35 (12) Satz 1 lediglich die Bedeutung habe, daß das Inch/Pound-System ausgeschlossen sein soll. In einer dritten Entscheidung (T 176/91 vom 10.12.1992) hat die Kammer ihren Standpunkt aus der ersten Entscheidung wiederum bekräftigt.
3. In dieser Situation war eine Klärung der Rechtslage notwendig, zumal die sachliche Berechtigung der Forderung nach Verwendung der SI-Einheiten unbestritten ist und deren Verwendung in der Mehrzahl der Vertragsstaaten ohnehin vorgeschrieben ist.
4. Mit der Neufassung von Regel 35 (12) wird klargestellt, daß physikalische Größen grundsätzlich mit den in der internationalen Praxis anerkannten Einheiten, d. h. nach dem metrischen System unter Verwendung der SI-Einheiten anzugeben sind. Der neue Wortlaut hat gegenüber der bestehenden Vorschrift erhebliche Vorzüge. So kann die Sondervorschrift für Temperaturen (die unvollständig war, da sie Kelvin nicht zuließ) entfallen, da diese von den SI-Einheiten abgedeckt werden. Ferner ist eine Sondervorschrift für Gewichts- und Maßeinheiten nicht mehr erforderlich. Bei Verwendung aller nicht zugelassenen Einheiten ist eine nachträgliche Umrechnung in international anerkannte Einheiten weiterhin möglich.
5. Die neue Regel 35 (12) wird in der Praxis nicht zur Anwendung unterschiedlicher Standards auf direkt oder über den PCT eingereichte europäische Anmeldungen führen, da die neue Regelung im wesentlichen die rechtliche Festschreibung der bestehenden Praxis bezweckt.
Prioritätserklärung und Prioritätsunterlagen
Regel 38 (3) Satz 3 EPÜ erhielt folgende Fassung:
(3) ... Der Präsident des Europäischen Patentamts kann bestimmen, daß eine Abschrift der früheren Anmeldung, wenn diese dem Europäischen Patentamt zugänglich ist, in die Akte der europäischen Patentanmeldung aufgenommen wird, und die Bedingungen für dieses Verfahren festlegen. Er kann insbesondere bestimmen, daß eine Verwaltungsgebühr zu entrichten ist.
1. Der Anmelder, der die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch nehmen will, hat eine Abschrift der früheren Anmeldung und gegebenenfalls eine Übersetzung einzureichen (Art. 88 (1) EPÜ). Gemäß Regel 38 (3) Sätze 1 und 2 ist der Prioritätsbeleg innerhalb einer Frist von 16 Monaten nach dem Prioritätstag einzureichen. Abweichend davon sah Regel 38 (3) Satz 3 in der bisherigen Fassung jedoch vor, daß das EPA eine Abschrift der früheren Anmeldung (gebührenfrei) in die Akte der europäischen Anmeldung aufnimmt, wenn die frühere Anmeldung eine europäische oder eine beim EPA eingereichte internationale Anmeldung ist, wenn also der Originaltext der früheren Anmeldung sowie die benötigten Daten über deren Einreichung im EPA verfügbar sind.
2. Zweck der Neufassung von Regel 38 (3) Satz 3 ist es, die bestehende vorteilhafte Regelung auf andere Fälle auszuweiten, in denen die frühere Anmeldung dem Amt zugänglich ist und deshalb der Prioritätsbeleg der neuen Anmeldungsakte mit minimalem Aufwand zugeführt werden kann. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die ELFOS-Akte eingeführt und die Abschrift der früheren Anmeldung elektronisch verfügbar ist. Um jedoch in Zukunft die schnelle Umsetzung der durch den Einsatz neuer Technologien eröffneten Möglichkeiten sicherzustellen, wird der Präsident des EPA mit der Neufassung von Regel 38 (3) zur Regelung des näheren Verfahrens ermächtigt.
3. Einstweilen hat der Präsident des Amts auf der Grundlage der geänderten Regel 38 (3) zunächst eine Regelung getroffen (vgl. Beschluß vom 11. April 1995, ABl. EPA 1995,408), die sicherstellt, daß die unter der alten Fassung von Regel 38 (3) Satz 3 bestehende Praxis weiterhin Bestand hat.
Übersetzung der früheren Anmeldung
Regel 38 (4) EPÜ erhielt folgende Fassung:
(4) Ist eine Übersetzung der früheren Anmeldung in eine der Amtssprachen des Europäischen Patentamts erforderlich, so ist diese innerhalb einer vom Europäischen Patentamt zu bestimmenden Frist, spätestens jedoch innerhalb der Frist nach Regel 51 Absatz 6 einzureichen oder eine Erklärung vorzulegen, daß die europäische Patentanmeldung eine vollständige Übersetzung der früheren Anmeldung ist. Absatz 3 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.
Regel 104b (3) EPÜ erhielt folgende Fassung:
(3) Wird die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch genommen und ist das Aktenzeichen oder die Abschrift nach Artikel 88 Absatz 1 und Regel 38 Absätze 1 bis 3 des Übereinkommens bei Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist von einundzwanzig oder einunddreißig Monaten noch nicht eingereicht worden, so wird der Anmelder aufgefordert, das Aktenzeichen oder die Abschrift der früheren Anmeldung innerhalb einer vom Europäischen Patentamt zu bestimmenden Frist einzureichen. Regel 38 Absatz 3 Satz 3 ist auf die Einreichung der Abschrift der früheren Anmeldung anzuwenden.
1. Wurde für eine europäische Patentanmeldung die Priorität einer früheren Anmeldung in Anspruch genommen, so hatte der Anmelder bislang innerhalb von 21 bzw. 31 Monaten nach Prioritätstag eine Übersetzung des Prioritätsbelegs einzureichen, falls dieser nicht in einer der Verfahrenssprachen des EPA abgefaßt war.
2. Diese Regelung war für die Anmelder und das EPA mit erheblichen Belastungen verbunden. Dies wird deutlich, wenn man in Rechnung stellt, daß in über 90 % aller europäischen Patentanmeldungen eine Priorität beansprucht wird und in etwa einem Drittel dieser Fälle die frühere Anmeldung nicht in einer der Amtssprachen des EPA vorliegt, was die Einreichung von rund 16 000 Übersetzungen pro Jahr zur Folge hat. Knapp 6 000 dieser Übersetzungen werden von Anmeldern aus Vertragsstaaten eingereicht, deren Amtssprache nicht zu den Verfahrenssprachen des EPA gehört.
3. Nur ein Bruchteil dieser Übersetzungen wird jedoch im Rahmen des Prüfungsverfahrens tatsächlich benötigt. Dies liegt daran, daß eine sachliche Prüfung der Wirksamkeit der in Anspruch genommenen Priorität in der Regel nur erfolgt, wenn diese für die Beurteilung der Patentierbarkeit der Erfindung relevant ist, also insbesondere wenn einschlägige Entgegenhaltungen aus dem Prioritätsintervall vorliegen.
4. Wird aber die Übersetzung des Prioritätsbelegs im Rahmen des Prüfungsverfahrens nur in Einzelfällen benötigt, so ist es sachlich nicht gerechtfertigt, daß die Übersetzung generell zu Beginn des Prüfungsverfahrens einzureichen ist. Die Neufassung sieht daher für die Einreichung der Übersetzung einen Zeitraum vor, der erst am Ende des Erteilungsverfahrens, nämlich mit Ablauf der Frist nach Regel 51 (6) endet, sofern das EPA die Übersetzung nicht früher anfordert.
5. Diese Lösung garantiert, daß eine Übersetzung des Prioritätsbelegs zur Verfügung steht, wenn sie im Prüfungsverfahren benötigt wird. Sie vermeidet die Einreichung einer insoweit nicht erforderlichen Übersetzung in den Fällen, in denen es nicht zur Erteilung kommt (ca. 30 %) und verschiebt den Zeitpunkt für die Einreichung im Regelfall auf das Ende des Erteilungsverfahrens.
6. Die Regelung läßt die mit der förmlichen Inanspruchnahme der Priorität verbundenen Rechts- und Verfahrensfolgen unberührt. So gehört bereits nach geltendem Recht die Vorlage der Übersetzung nicht zu den Formalien, die den maßgeblichen Veröffentlichungstag oder den Zeitpunkt für die Zahlung der Benennungsgebühren beeinflussen. Rechtsfolge der Nichteinreichung ist das Erlöschen des Prioritätsanspruchs, wenn der Anmelder die Übersetzung auch nach Aufforderung des Amts nicht rechtzeitig beibringt.
7. Die Neufassung läßt die Informationsinteressen Dritter unberührt. Insbesondere liegt eine Übersetzung des Prioritätsbelegs regelmäßig vor, wenn Material aus dem Prioritätsintervall auf seine Relevanz in bezug auf die Einleitung eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens geprüft werden soll. Dritte haben darüber hinaus die Möglichkeit, Stand der Technik aus dem Prioritätsintervall über Artikel 115 EPÜ in das Prüfungsverfahren einzubringen und damit die frühzeitige Anforderung einer Übersetzung zu provozieren.
8. Mit der Neufassung wird darüber hinaus aber auch die Praxis des Amts festgeschrieben, wonach die Übersetzung der früheren Anmeldung als eingereicht gilt, wenn der Anmelder innerhalb der Fristen von Regel 38 (4) erklärt, daß die europäische Anmeldung, in der die Priorität in Anspruch genommen wird, eine vollständige Übersetzung der Prioritätsanmeldung ist. Diese Praxis hat bereits in der Vergangenheit dazu beigetragen, administrativen Aufwand und Kosten zu senken.
9. Die neue Vorschrift gilt für alle Verfahren, in denen die bisher geltende Frist von 21 Monaten bzw. die vom Amt mit Form 1111 gesetzte Frist zur Einreichung der Übersetzung des Prioritätsbelegs am oder nach dem 1. Juni 1995 abläuft.
10. Die Abschnitte A-III, 6.8; VII, 3.5 sowie C-V, 3.2 und 3.3; VI 15.2 der Prüfungsrichtlinien wurden entsprechend geändert.
Änderung des europäischen Patents
Regel 57a EPÜ wurde neu in die Ausführungsordnung aufgenommen.
Änderung des europäischen Patents
Unbeschadet Regel 87 können die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen geändert werden, soweit die Änderungen durch Einspruchsgründe nach Artikel 100 veranlaßt sind, auch wenn der betreffende Grund vom Einsprechenden nicht geltend gemacht worden ist.
1. Die Ausführungsordnung enthielt bislang keine ausdrückliche Regelung über das Recht des Patentinhabers zur Änderung des Patents im Einspruchsverfahren, wie sie mit Regel 86 für das Erteilungsverfahren gegeben ist. Beschränkungen des Änderungsrechts wurden über Regel 57 (1) und 58 (2), mit einer analogen Anwendung von Regel 86 und mit dem Sinn des Einspruchsverfahrens begründet. Änderungen wurden von den Beschwerdekammern bisher nur zugelassen, wenn sie durch den Einspruch veranlaßt waren.
2. Mit Regel 57a wird eine lex specialis für Änderungen im Einspruchsverfahren geschaffen. Es handelt sich um eine rein materiellrechtliche Regelung des Änderungsrechts. Über den Zeitpunkt, bis zu dem Änderungen zulässig sind, wird hier keine Regelung getroffen - insoweit verbleibt es bei der bestehenden Praxis. Die inhaltliche Beschränkung des Änderungsrechts trägt dem Sinn des Einspruchsverfahrens Rechnung und erübrigt eine Ermessensregelung, wie sie Regel 86 (3) vorsieht.
3. Nach Regel 57a sind Änderungen im Einspruchsverfahren dann zulässig, wenn sie durch Einspruchsgründe veranlaßt sind. Nicht maßgeblich ist dabei, ob der in Bezug genommene Einspruchsgrund vom Einsprechenden auch geltend gemacht worden ist. Im Rahmen eines zulässig eröffneten Einspruchsverfahrens, das auf mangelnde Patentfähigkeit gestützt ist, darf der Patentinhaber danach z. B. auch Änderungen vornehmen, die geeignet sind, eine unzulässige Erweiterung zu beseitigen.
4. Darüber hinaus sind nun im Einspruchsverfahren auch Änderungen zulässig, die durch ältere nationale Rechte - die nicht zu den Einspruchsgründen nach Artikel 100 EPÜ gehören - veranlaßt sind. Die Bezugnahme auf Regel 87, die auch für das Einspruchsverfahren gilt, stellt dies ausdrücklich klar.
5. Regel 57a wird in den Prüfungsrichtlinien D-III, 5 und IV, 5.3 näher behandelt.
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Regel 71a EPÜ wurde neu in die Ausführungsordnung aufgenommen.
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
(1) Mit der Ladung weist das Europäische Patentamt auf die Fragen hin, die es für die zu treffende Entscheidung als erörterungsbedürftig ansieht. Gleichzeitig wird ein Zeitpunkt bestimmt, bis zu dem Schriftsätze zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eingereicht werden können. Regel 84 ist nicht anzuwenden. Nach diesem Zeitpunkt vorgebrachte neue Tatsachen und Beweismittel brauchen nicht berücksichtigt zu werden, soweit sie nicht wegen einer Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts zuzulassen sind.
(2) Sind dem Anmelder oder Patentinhaber die Gründe mitgeteilt worden, die der Erteilung oder Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen, so kann er aufgefordert werden, bis zu dem in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkt Unterlagen einzureichen, die den Erfordernissen des Übereinkommens genügen. Absatz 1 Sätze 3 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
1. Ziel einer mündlichen Verhandlung ist in der Regel der Erlaß einer verfahrensabschließenden Entscheidung. Dies setzt voraus, daß bereits im schriftlichen Verfahren eine ausreichende Vorbereitung (Sachaufklärung, Abgrenzung der zu erörternden Fragen) erfolgt ist. Von Seiten des EPA geschieht dies, jedenfalls im Erteilungs- und Einspruchsverfahren, in der Regel durch einen Ladungsbescheid, in dem die Prüfungs- oder Einspruchsabteilung auf die Fragen hinweist, die sie für relevant erachtet.
2. Seitens der Beteiligten wird die mündliche Verhandlung regelmäßig durch Schriftsätze vorbereitet. Um sinnvoll zur Förderung des Verfahrens beitragen zu können, müssen diese dem Amt und ggf. den weiteren Beteiligten so rechtzeitig vorliegen, daß sie sich in der Verhandlung dazu sachlich äußern können. Schriftsätze, die erst in der mündlichen Verhandlung überreicht oder kurz zuvor eingereicht werden, erfüllen diesen Zweck nicht. Sie führen insbesondere häufig zu der Rüge des Gegners, er könne sich auf den neuen, ihn überraschenden Sachvortrag nicht einlassen.
3. Die neue Regel 71a (1) sieht deshalb die Festschreibung der Praxis des Ladungsbescheids vor, wobei in diesem eine Frist zu bestimmen ist, innerhalb der Schriftsätze eingereicht werden können. Die neue Vorschrift stellt klar, daß nach dem in der Ladung genannten Zeitpunkt neue Tatsachen und Beweismittel nur berücksichtigt zu werden brauchen, soweit sie auf einer Änderung des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts beruhen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Gegner in vorbereitenden Schriftsätzen neues Material vorgebracht hat.
4. Regel 71a (1) konkretisiert das in Artikel 114 (2) EPÜ verankerte Zulassungsermessen des Amts, indem ein Verspätungstatbestand eingeführt wird. Die Vorschrift macht dem Anmelder die verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Verspätung deutlich. Regel 71a schränkt das Ermessen nach Artikel 114 EPÜ nicht ein, erlaubt aber eine flexiblere Handhabung in Verspätungsfällen. Insoweit ergänzt die Regelung die von den Beschwerdekammern in Mißbrauchfällen entwickelte Linie, ohne vertretbaren Grund verspätet vorgebrachte Tatsachen oder Beweismittel zurückzuweisen.
5. Regel 71a (2) dient ebenfalls der Beschleunigung des Verfahrens und soll sicherstellen, daß der Gegner in der mündlichen Verhandlung nicht in unfairer Weise mit neuen Unterlagen und/oder Tatsachen konfrontiert wird. Ist dem Anmelder/Patentinhaber vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden, daß und aus welchen Gründen er mit der Zurückweisung der Anmeldung oder dem Widerruf des Patents zu rechnen hat, so ist ihm eine Reaktion zuzumuten, wenn ihm hierfür angemessene Fristen gesetzt werden.
6. Das Verfahren nach Regel 71a wird in den neugefaßten Abschnitten E-III, 6 und 8.6 der Prüfungsrichtlinien näher erläutert.
Verlängerung von Fristen
Regel 85 (3) EPÜ erhielt folgende Fassung:
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Fristen, die im Übereinkommen vorgesehen sind, in Fällen entsprechend anzuwenden, in denen Handlungen bei der zuständigen Behörde nach Artikel 75 Absatz 1 Buchstabe b oder Absatz 2 Buchstabe b vorgenommen werden.
Die alte Fassung der Regel 85 (3) EPÜ war unpräzise, weil nicht deutlich wurde, daß die Absätze 1 und 2 in allen Fällen anzuwenden sind, in denen der Anmelder Handlungen bei der zuständigen nationalen Behörde im Sinne des Artikels 75 (1) b) oder (2) b) vornimmt. Die Neufassung stellt klar, daß dies stets der Fall ist und es nicht darauf ankommt, ob die Einreichung einer europäischen Patentanmeldung bei der nationalen Behörde gestattet oder vorgeschrieben ist.
Wechsel auf nicht recherchierte Teile einer Anmeldung
Regel 86 (4) EPÜ wurde neu in die Ausführungsordnung aufgenommen.
(4) Geänderte Patentansprüche dürfen sich nicht auf nicht recherchierte Gegenstände beziehen, die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind.
1. Das Übereinkommen enthielt bisher keine Regelung über das Wechseln auf nicht recherchierte Teile in der Antwort auf den ersten Prüfungsbescheid. Der Anmelder konnte damit mehrere Recherchen und Prüfungen für die nur einmalige Zahlung der jeweiligen Gebühren bekommen. Das widersprach dem Grundsatz der Gebührengerechtigkeit. Für Änderungen im Rahmen der ursprünglichen Ansprüche hat die Große Beschwerdekammer in G 2/92 (ABl. 1993, 591) die bisherige Praxis des Amts bestätigt, nach der ein Gegenstand, für den von der Recherchenabteilung angeforderte weitere Recherchengebühren nicht entrichtet worden sind, nicht mehr im Rahmen dieser Anmeldung, sondern nur in einer Teilanmeldung weiterverfolgt werden kann.
2. Eine entsprechende Handhabe fehlte, wenn uneinheitliche Gegenstände im Zeitpunkt der Recherche noch nicht beansprucht waren. Ließ der Anmelder z. B. in der Antwort auf den ersten Bescheid die bisherigen Ansprüche fallen und holte ursprünglich uneinheitliche Gegenstände aus der Beschreibung heraus, so lag keine Uneinheitlichkeit vor, weil die verschiedenen Gegenstände nicht gleichzeitig, sondern nacheinander beansprucht wurden.
3. Das EPÜ geht aber davon aus, daß für eine zur Prüfung gestellte Erfindung stets eine Recherchengebühr zu entrichten ist (vgl. G 2/92). Daher sind Änderungen der Anmeldung implizit ausgeschlossen, die zu einer Umgehung dieses Grundsatzes führen. Regel 86 (4) stellt dies klar. Dem Anmelder steht in einem solchen Fall die Möglichkeit offen, den geänderten Teil der ursprünglichen Anmeldung als Teilanmeldung nach Artikel 76 weiterzuverfolgen (vgl. hierzu die Prüfungsrichtlinien C-VI, 5.2 neue Ziffer (ii)).
Unterschiedliche Patentansprüche, Beschreibungen und Zeichnungen für verschiedene Staaten
Regel 87 EPÜ erhielt folgende Fassung:
Unterschiedliche Patentansprüche, Beschreibungen und Zeichnungen für verschiedene Staaten
Stellt das Europäische Patentamt fest, daß für einen oder mehrere der benannten Vertragsstaaten der Inhalt einer früheren europäischen Patentanmeldung nach Artikel 54 Absätze 3 und 4 zum Stand der Technik gehört, oder wird ihm das Bestehen eines älteren Rechts nach Artikel 139 Absatz 2 mitgeteilt, so kann die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent für diesen Staat oder diese Staaten unterschiedliche Patentansprüche und, wenn es das Europäische Patentamt für erforderlich hält, unterschiedliche Beschreibungen und Zeichnungen enthalten.
1. Werden im Prüfungsverfahren ältere europäische Rechte i.S.v. Artikel 54 (3), (4) festgestellt, so läßt Regel 87 die Erteilung unterschiedlicher Fassungen des europäischen Patents für die betreffenden Vertragsstaaten zu. Eine entsprechende Regelung in bezug auf ältere nationale Rechte enthielt das Übereinkommen bislang nicht, obwohl diese dem europäischen Patent im nationalen Nichtigkeitsverfahren entgegengehalten werden können (Art. 138, 139 (2)).
2. Sachlich ist dies nicht allein damit zu rechtfertigen, daß ältere nationale Rechte - anders als ältere europäische Rechte - im europäischen Prüfungsverfahren nicht zu dem nach Artikel 54 maßgeblichen Stand der Technik gehören. In beiden Fällen hat der Anmelder und spätere Patentinhaber das berechtigte Interesse, durch entsprechend abgegrenzte Ansprüche die Bestandskraft des europäischen Patents auch für die Vertragsstaaten abzusichern, wo dies wegen bestehender älterer Rechte - ob europäisch oder national begründet - notwendig ist.
3. Die Praxis des EPA trägt dem Rechnung und läßt die Vorlage gesonderter Ansprüche im Prüfungs- und Einspruchsverfahren zu, wenn das Bestehen einschlägiger älterer nationaler Rechte nachgewiesen wird (vgl. Rechtsauskunft Nr. 9/81, ABl. EPA 1981, 68).
4. Die Neufassung von Regel 87 schreibt die bestehende Praxis fest und stellt ausdrücklich klar, daß gesonderte Ansprüche und ggf. unterschiedliche Beschreibungen und Zeichnungen in Verfahren vor dem EPA auch zuzulassen sind, wenn ältere nationale Rechte nachgewiesen werden. Diese Klarstellung erschien insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung T 550/88 (ABl. EPA 1992, 117) zweckmäßig, die gelegentlich dahingehend verstanden worden ist, daß im Rahmen eines zulässig eröffneten Einspruchsverfahrens Änderungen, die durch ältere nationale Rechte veranlaßt sind, generell ausgeschlossen seien.
III. Änderungen der Gebührenordnung
Artikel 2 Nummer 1 GebO erhielt folgende Fassung:
1. Anmeldegebühr (Artikel 78 Absatz 2), nationale Grundgebühr (Regel 104b Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i) DEM 600
Diese rein redaktionelle Änderung stellt klar, daß die nationale Grundgebühr, die als Bestandteil der nationalen Gebühr nach Artikel 158 (2) EPÜ beim Eintritt internationaler Anmeldungen in die europäische Phase zu entrichten ist, dem Betrag der europäischen Anmeldegebühr entspricht.
Artikel 3 (3) GebO erhielt folgende Fassung:
(3) Die in Artikel 2 vorgesehenen und die nach Absatz 1 festgesetzten Gebühren und Auslagen werden im Amtsblatt des Europäischen Patentamts veröffentlicht.
1. Durch die Eingliederung des INPADOC in das EPA und die Erweiterung der Aktivitäten der Hauptdirektion Patentinformation ist die Zahl der Veröffentlichungen und Dienstleistungen des EPA stark angestiegen. Es hat sich deshalb als nützlich erwiesen, die Preise der Veröffentlichungen, Produkte und Dienstleistungen der Dienststelle Wien in einer gesonderten Preisliste ("epidos" Preisliste) zu veröffentlichen und nicht mehr in das Gebührenverzeichnis des EPA (Beilage zum ABl. EPA) aufzunehmen.
2. Mit der Neufassung von Artikel 3 (3) wird klargestellt, daß die Gebühren und Auslagen nach den Artikeln 2 und 3 (1) GebO im Amtsblatt des EPA veröffentlicht werden und die in Artikel 3 (2) GebO aufgeführten Verkaufspreise nach Bedarf in gesonderten Preislisten und unabhängig vom Amtsblatt bekanntgemacht werden können. Durch Hinweise im Abschnitt "Gebühren" des Amtsblatts und durch Querverweisungen in den getrennten Listen wird eine lückenlose Information der Öffentlichkeit erreicht.
1 Die Schweiz wird zum 1. September 1995 für die Einreichung der Übersetzung der Patentschrift eine 3-Monatsfrist einführen, die mit der Veröffentlichung des Erteilungshinweises beginnt.