INTERNATIONALE VERTRÄGE
Europäische Union
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. November 1998 zu dem Grünbuch der Kommission über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa - Förderung der Innovation durch Patente*
Das Europäische Parlament,
- in Kenntnis des von der Kommission vorgelegten Grünbuchs (KOM(97)0314 - C4-0342/97),
- in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Wirtschaft, Währung und Industriepolitik und des Ausschusses für Forschung, technologische Entwicklung und Energie (A4-0384/98),
A. in der Erwägung, daß kohärente und wirksame gemeinschaftliche Rechtsvorschriften für das Patentwesen ein wesentliches Mittel zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Europäischen Union darstellen,
B. in der Erwägung, daß ein Gemeinschaftssystem für gewerbliche Schutzrechte einen einfachen Zugang für die KMU gewährleisten muß,
C. in der Erwägung, daß ein Versicherungssystem, durch das die Kosten in Verbindung mit Gerichtsverfahren abgedeckt sind, den Unternehmen (insbesondere den KMU) eine faire Möglichkeit zum Schutz ihrer Patentrechte geben und so ihr Vertrauen in das Patentschutzsystem stärken wird,
D. in der Erwägung, daß das Luxemburger Übereinkommen von 1975 und die Vereinbarung über Gemeinschaftspatente von 1989, die noch nicht in Kraft getreten ist, keinen einheitlichen Schutz von Patenten in der Europäischen Union gewährleisten,
E. in der Erwägung, daß andererseits die derzeitige Kombination des Europäischen Patentübereinkommens und der nationalen Patentschutzsysteme für ein gut funktionierendes und flexibles Patentschutzsystem im Europäischen Wirtschaftsraum sorgt,
F. in der Erwägung, daß das Patentrecht in der Europäischen Union im Sinne einer Konsolidierung des Binnenmarktes harmonisiert werden muß,
G. in der Erwägung, daß hierfür die Harmonisierung einiger materieller Bestimmungen des nationalen Rechts nicht ausreicht und deshalb eine Gemeinschaftsverordnung ausgearbeitet werden sollte,
H. in der Erwägung, daß es dringend notwendig ist, das Patentsystem der Gemeinschaft und seine wirksame Umsetzung in der Europäischen Union vor dem Beginn der Erweiterung zu überdenken,
I. in der Erwägung, daß jeglicher Entwurf des künftigen Gemeinschaftspatentsystems eine vergleichende Analyse der Patentsysteme der Vereinigten Staaten und Japans beinhalten muß, die miteinander konkurrieren; in der weiteren Erwägung, daß die bei der vergleichenden Analyse zu berücksichtigenden Aspekte eine Studie der Kosten für die Anmeldung eines Patents, seine Verwaltung sowie auch eine mögliche industrielle Ausdehnung der Europäischen Union beinhalten müssen,
J. in der Erwägung, daß es für die Industrie eine wichtige Voraussetzung ist, daß die nationalen Patentämter beibehalten werden, vor allem in den Ländern, deren Landessprache(n) nicht zu den drei offiziellen EPA-Sprachen gehört/gehören,
K. in der Erwägung, daß die Mitgliedstaaten auf die Verwendung ihrer nationalen Sprachen nicht verzichten sollen, da das Patent ein Mittel zur Information über den Stand der Technik und der Rechtssicherheit ist,
1. ist der Auffassung, daß das Gemeinschaftspatent Gegenstand einer Gemeinschaftsverordnung sein sollte, deren Rechtsgrundlage Artikel 235 des EG-Vertrags sein sollte;
2. vertritt die Ansicht, daß das Europäische Patentamt (EPA) zusammen mit den nationalen Behörden für die technische Abwicklung bei der Erteilung des Gemeinschaftspatents zuständig sein sollte;
3. vertritt die Ansicht, daß bei der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen dem EPA und den nationalen Behörden diejenigen nationalen Behörden, die in der Lage sind, internationale Forschungsarbeiten und Untersuchungen durchzuführen, beauftragt werden können, Teile der Arbeit des EPA in Verbindung mit Patentanträgen zu übernehmen;
4. ist der Auffassung, daß den KMU ein Nachlaß von 50% auf die gesamten Patentanmeldungskosten gewährt werden sollte;
5. ist der Auffassung, daß hinsichtlich der Sprache folgende Grundsätze gelten sollten:
- Das Patent kann in allen offiziellen Sprachen der Mitgliedstaaten der EU angemeldet werden. Das Erteilungsverfahren wird in dieser Sprache durchgeführt. (Das Europäische Patentamt kann natürlich als interne Arbeitssprache jede beliebige Sprache verwenden.)
- Das Patent wird in dieser Sprache erteilt (Schon heute muß jeder Marktteilnehmer die nationalen Patente der Konkurrenten, die in der jeweiligen Landessprache verfaßt sind, beachten. Deshalb kann auch das Gemeinschaftspatent in allen Sprachen erteilt werden. Zusätzliche Belastungen entstehen den Marktteilnehmern nicht).
- Die Rechtswirkungen wegen einer Patentverletzung (Unterlassung und Schadensersatz) können gegenüber einem anderen Marktteilnehmer erst ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, zu dem ihm eine offizielle Übersetzung des Patents zugestellt worden ist. Bei Nichtigkeitsklagen oder Klagen wegen Verletzung des Patents ist ohnehin die Gerichtssprache des zuständigen Gerichts maßgeblich;
6. ist der Auffassung, daß für eine Klage wegen der Verletzung eines Patentes oder für eine Nichtigkeitsklage die nationalen Gerichte zuständig sein sollten; es sollte zwei nationale Tatsacheninstanzen geben; der Europäische Gerichtshof sollte Revisionsinstanz sein;
7. vertritt die Ansicht, daß das gemeinschaftliche Patentsystem neben dem nationalen Patentsystem bestehen muß; ist ferner der Auffassung, daß die beim europäischen Patent bestehende Möglichkeit der Länderwahl ein hinreichender Grund ist, dieses System beizubehalten, und daß es unerläßlich ist, "Übergänge" zwischen Gemeinschaftspatent und europäischem Patent zu schaffen;
8. ist der Auffassung, daß ein reformiertes Patentschutzsystem, in dem die Probleme der derzeitigen Systeme überwunden sind und das weitere Anreize zu Innovationen bietet, einfach, rasch funktionierend, rechtlich sicher, zugänglich und wirtschaftlich sein muß, ohne daß übermäßige Kosten anfallen;
9. vertritt die Ansicht, daß das Gemeinschaftspatent den Schutz der an Bord von Raumfahrzeugen und Satelliten gemachten oder angewandten Erfindungen, der im Rahmen der bestehenden europäischen Rechtssysteme nicht gewährleistet ist, garantieren müßte;
10. hält ergänzende Maßnahmen für notwendig, die die Attraktivität des gemeinschaftlichen Patentsystems erhöhen, wie z. B. eine Senkung der Gebühren für die Aufrechterhaltung von Patenten; hält ferner die Einführung der Möglichkeit für angebracht, für eine begrenzte Anzahl von Mitgliedstaaten auf die Schutzwirkung des Gemeinschaftspatents zu verzichten, indem die entsprechenden Jahresgebühren nicht mehr gezahlt werden;
11. betont, daß im Rahmen einer neuen Patentregelung die Frage der Vorbenutzung oder des Vorbesitzes auf Gemeinschaftsebene harmonisiert werden muß;
12. vertritt die Ansicht, daß die nationalen Patentämter weiterhin die gleiche Rolle spielen und die gleichen Zuständigkeiten haben werden, die sie gegenwärtig in den Bereichen des nationalen und europäischen Patents haben; diesen Stellen sollte des weiteren eine wesentliche Rolle bei der Verbreitung und Förderung des Gemeinschaftspatentsystems zukommen, insbesondere im Hinblick auf den Zugang der KMU zu diesem System;
13. fordert, daß die von den Nutzern gezahlten Gebühren sowohl dem Europäischen Patentamt als auch den nationalen Patentstellen zukommen und daß die nationalen Stellen einen Teil der Gebühren zur Aufrechterhaltung des Gemeinschaftspatentes erhalten;
14. stellt fest, daß die gegenseitige Anerkennung der Patentanwälte vor den jeweils zuständigen Institutionen eine wesentliche Voraussetzung für die Verfahrensvereinfachung ist; ferner sollten auch andere Berufsgruppen, wie beispielsweise Unternehmensberater, in das Dienstleistungssystem rund um das Patentwesen einbezogen werden, wie beispielsweise für die Analyse des Recherchebedarfs und der Problemdefinition, die Patentrecherche zum Stand der Technik usw.;
15. fordert die Kommission auf, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die ein oder mehrere Modelle für eine Gerichtskostenversicherung für den Bereich des Patentschutzes in der EU ausarbeiten soll; die Arbeitsgruppe sollte u. a. die Finanzierung des Systems, den Versicherungsschutz, die Prämienniveaus und die Schaffung einer Kontrollbehörde untersuchen;
16. befürwortet die Patentfähigkeit von Computerprogrammen, sofern das betreffende Produkt die Anforderungen an eine technische Erfindung im Hinblick auf Neuheit und Anwendbarkeit erfüllt, wie dies bei unseren Handelspartnern USA und Japan der Fall ist;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Vgl. auch ABl. EPA 1997, 443 und 1998, 82 und 328.
* Über das Internet ist die Entschließung unter "http://www.europarl.eu.int/plenary/de/default.htm" verfügbar.